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Novalis to Abraham Gottlob Werner TEI-Logo

Weißenfels: den 24sten März. 1800. [Montag]
Gern hätt’ ich Ihnen längst, verehrungswürdigster Lehrer und Freund, Nachricht von mir gegeben, Ihnen herzlich für die vielfache Freundschaft, mit der Sie mich bey meinem lezten Aufenthalt in Freyberg aufnahmen, gedankt, und Sie nach Ihrer Gesundheit gefragt, wenn ich nicht zeither durch mannichfaltige Beschäftigungen und Reisen auf die Salinen, sowie durch langes Warten auf einige Merckwürdigkeiten, die ich ihnen jezt in beyfolgender Kiste zu überschicken die Ehre habe, daran verhindert worden wäre. Wie würd’ es mich freuen, wenn ich hörte, daß Ihre Gesundheit die feindlichen Einflüsse der bisherigen Witterung nicht verspürt, und keine Indisposition Sie in Ihren wolthätigen Beschäftigungen gestört hätte. Julien Charpentier ist bisher so gut gewesen und hat mir von Zeit zu Zeit Nachrichten von Ihnen mitgetheilt. Sie weiß, wie zärtlich ich Sie verehre und theilt meine Dankbarkeit und Anhänglichkeit gegen Sie mit mir. Was könnt ich mir, nach dem Besitze dieses lieben Mädchens wünschen, als eine Lage, die mich Ihnen näher brächte. Ich habe oft gedacht, daß ich in Ihrer Gesellschaft ein weit anziehenderes Leben führen würde, und wünschte zuweilen dem Herrn von Weiß eine gute Versorgung, um vielleicht an seine Stelle kommen zu können. Jezt muß ich mich begnügen Sie zuweilen zu besuchen und zu wissen, daß Ihnen meine Anhänglichkeit lieb ist. Ich schicke Ihnen hier einige Versteinerungen aus meiner Sammlung und Elephantenzähne aus der hiesigen Gegend: der Domherr Witzleben hat mir dieselben für Sie abgetreten. Nur der Große, wohlconservirte Zahn ist von einem Mann hier aus der Stadt, der ein Curiosus Naturae ist und dem ich einige Freyberger Mineralien dafür habe versprechen müssen. Wollen Sie ihm einige schicken, was ein bischen in die Augen fällt, so wird er zufrieden seyn. Herder wird wohl so gefällig seyn und die Zusendung besorgen. Alles was ich hinführo auftreiben kann soll Ihnen zu Diensten stehn. Ich freue mich aufs Frühjahr, um wieder mit Geognosie mich beschäftigen zu können. Ich lese, soviel als ich auftreiben kann Gegendenbeschreibungen, um Data zur geognostischen Geografie zu sammeln. Wie oft hab ich mich hier schon nach Ihren Grundsätzen orientieren können und allerhand Unrichtigkeiten verbessern. Man lernt allmälich auch schlechte Beobachtungen benutzen. Gern möcht ich einmal mit Ihnen über den eigentlichen Begriff der aufgeschwemmten Gebürge reden; und sie um die Verschiedenheiten der Flötztrapp Kohle und unsrer bituminösen Holzerdenlager befragen. Mir schien es zuweilen, als könnten hier bey uns nur Localursachen und Effecte den Niederschlag der Trappformation auf die Kohlenlagerstätte verhindert oder zerstört haben, und Schuld gewesen seyn, daß diese Kohlen nicht durchgängig die Festigkeit erlangt, die die Trappkohle hat. Unterm Meißner kommt bituminöses Holz, wie zu Artern und Riestädt vor, sowie dagegen in Artern an einigen Orte die bituminöse Holzerde deutlich in Pech und Glanzkohle übergeht, wenigstens in Erstere. Mein Aufsatz über unsere Erdkohlenlager wird in kurzen mit dem Berichte abgehn – ich habe mich darinn nach Ihrer Meynung gerichtet und auf Vollständigkeit nicht gesehn, mich auf die künftigen geognostischen Specialuntersuchungen bezogen, und dagegen das Bergmännische und Oeconomische etwas umständlicher abgehandelt.
Ich vermag noch nicht zu bestimmen, ob ich zu Ostern das Vergnügen haben kann Sie zu sehn. Sollte die Witterung günstig werden und keine unvermuthete Abhaltung eintreten, so wär ich gleich nach der Ostermesse bereit die geognostische Untersuchung vorzunehmen und dann käm ich auf jeden Fall vorher zu Ihnen, um meine Instructionen und meinen Gefährten abzuholen, und mich von Ihnen noch über manchen Punct belehren zu lassen.
Bey unsern Salinen ist durch den harten Winter, die schlechte Gradirwitterung und die Erschöpfung der Vorräthe im vorigen Jahre, ein abermaliger Salzmangel eingetreten, der uns viele Beschwerden veranlaßt hat. Ich arbeite jezt an dem Hauptberichte, nach einem neuen Entwurfe, und bin rüstig und gesund. Mein Vater hat durch den Tod seines Bruders viel gelitten – Er liebte ihn, wie seinen Vater und frug ihn über alles um Rath. Er war ein edler wackrer Mann, und ich beklage ihn herzlich, ohnerachtet seine Vorurtheile meinen Neigungen im Wege standen und mich viel geängstigt haben, denn er war meinem Vater unentbehrlich, und ich habe ihm viel zu verdanken gehabt. Unser Bergrath Senf ist mit einer Menge neuer Projecte beschäftigt, einer neuen Art von Kästen zum Sonnensalzsieden, einer neuen Art von Gradirung an Strohmatten, statt der Dornen, einer andern Formanstalt der Erdkohlen etc. Er gleicht ganz Menden, und mein Vater hat viel Geduld und kaltes Blut nöthig.
Wegen der Annalen der Bergbaukunde habe ich mich nach einem Verleger erkundigt. Da Sie wünschten, daß es ein naher und inländischer Buchhändler seyn möchte, so hab ich in Leipzig mich umgesehn, und es hat der Buchhändler Grieshammer gegen mich sich bereitwillig erklärt, mit Ihnen in Unterhandlungen zu treten. Ich habe ihm gleich gesagt, daß unter 2 L[ouis]dor für den Bogen nicht daran zu denken wäre, und es hängt also nun von Ihrem Befehl ab, ob Grieshammer an Sie schreiben und Ihnen seine Vorschläge eröffnen soll. Er schien die Herausgabe in Vierteljährigen Bänden vortheilhafter zu finden. Ich habe ihn gänzlich über alle diese Puncte an Sie gewiesen. Meine Theilnahme wird ganz von Ihrem Willen abhängen und ich bitte Sie nur, mir in Zeiten einen Wink zu geben, wenn Sie einen Aufsatz zu haben wünschten. [...] Es ist zu wünschen, daß er Sie beherzigt. Mit der innigsten Verehrung verharre ich Ihr
gehorsamer Schüler und Freund FvHardenberg
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 24. März 1800
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Abraham Gottlob Werner
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Freiberg · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 324‒327.
Manuscript
  • Provider: Universitätsbibliothek TU Bergakademie Freiberg
  • Classification Number: Nachlass Abraham Gottlob Werner, Briefe, 3. Bd.
Language
  • German

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