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Novalis to Ludwig Tieck TEI-Logo

Weißenfels. Den 5ten April. [1800]. [Sonnabend]
Nur einige Zeilen heute, lieber Tiek. Deine Idee mit Severin ist vergeblich – denn er hat kein Geld – doch hab ich ihn auf jeden Fall sondirt, aber er sagte mir, daß er gar nichts unternehmen könne.
Sollte denn Dein Schwager nicht die Oper am füglichsten übernehmen können. Er kann den meisten Profit daraus ziehn, wenn er sie komponirt.
Mein Buchhändler Grieshammer hat auch kein Geld, und Göschen ist ein Narr, der auch noch überdem einen Groll gegen Dich hat, und selbst die Flügel einziehn muß. Doch Du kennst ja mehr Buchhändler, als ich, und hast mit vielen schon in Connexion gestanden, die für Sie nicht unvortheilhaft gewesen ist. Du kannst Dir auf alle Weise besser rathen, als ich. Meine Geschäfte haben mir noch nicht erlaubt, die Reisen zu machen, auf denen ich Gelegenheit finden könnte Dir zu helfen. Sobald ich nur wegkommen kann will ich fort. Indeß verlasse Dich nicht auf meine Spekulationen. Mancherley Umstände können mir in den Weg treten und es den Männern, an die ich mich wenden will, vor der Hand unmöglich machen, meinen Wunsch zu befriedigen. Ich will auch noch einen Mann zu Rathe ziehn, der mehr Menschen kennt und vielleicht eine gute Gelegenheit weis.
Das Schlimmste, lieber Tiek, ist, daß Du keinen bestimmten Aufenthalt hast. Du könntest viel leichter Geld kriegen, wenn Du an einem Ort einheimisch wärst und mit vielen Leuten auf einem vertraulichen Fuße. Sähen Sie dann Deine genaueingerichtete Wirthschaft und Du hättest Geldbedürfnisse, so würden Sie Dir ohne große Umstände borgen. Aber so steht es nicht zu ändern, daß die Meisten nicht dran wollen, einem Unbekannten, einem Schriftsteller, ohne festes Einkommen, auf sein bloßes Wort etwas vorzuschießen. Es ist dies eine Unbequemlichkeit Deiner Lebensart, die schwer zu vermeiden ist. Ich versichre, wenn Du nur eine kleine Stelle hättest, so wüßt ich eine Menge Leute, die Dir Kredit geben würden, aber so darf ich nicht dran denken. Wenn ich zu Dir komme, welches bald geschehn wird, wollen wir weitläuftiger darüber sprechen, vielleicht, daß uns dann noch ein guter Rath beyfällt. Ich denke mit der Ernsten euch zu besuchen, die diese Woche hoffentlich hierdurch geht.
Fertig bin ich mit dem ersten Theile meines Romans. Ich laß ihn eben abschreiben und bring ihn mit. Es ist mir lieb einen Anfang mit der Ausführung einer größern Idee gemacht zu haben – Ich habe viele Jahre nicht daran gekonnt einen größern Plan mit Geduld auszuführen, und nun seh ich mit Vergnügen diese Schwierigkeit hinter mir. Eignes Arbeiten bildet in der That mehr, als widerholtes Lesen. Beym Selbstangriff findet man erst die eigentlichen Schwierigkeiten und lernt die Kunst schätzen. Der bloße Liebhaber wird nothwendig unendlich viel übersehn, und nur das Gemüth des Werks allenfalls richtig beurtheilen können. Deine Schriften sind mir seitdem viel lehrreicher geworden, und ich lese sie nie, ohne neuen Genuß und neue Entdeckungen. Am Schluß hab ich ein Märchen eingeschaltet, das mir vorzügliche Freude gewährt hat. Es sollte mich recht freuen, wenn es Dir gefiele.
Mein Bruder [Karl] ist recht fleißig und es rührt sich in ihm unser gemeinschaftliches Band, die Poësie. Er dichtet und schreibt, und wie mich dünkt, nicht ohne Hoffnungen. Er hat in kurzer Zeit viele Schwierigkeiten der ersten Versuche überwunden und seine Versification bildet sich immer mehr. Ich habe ihn gebeten nur ämsig fortzufahren und sich von den Fehlern der ersten Versuche nicht abschrecken zu lassen. Er muß sich nachgerade von dem Einfluß seiner Lieblingsmuster losmachen lernen. Man lernt nur nach gerade ohne Hülfe gehn und es ist gut, wenn die Muster auch ihren eignen poëtischen Gang gehn. Du bist ihm noch hinderlich – Er hat sich in Dich hineingelesen und nun wird alles tieckisch. Ich suche ihn Dir mit guter Manier abwendig zu machen – Kann er erst selbst gehn, so mag er immer in Deine Fußtapfen treten. Es freut mich sein Eyfer, der ihm gewiß belohnt wird und ich sehe ihn gern in eine Beschäftigung vertieft, die auf alle Weise zur Reife befördert, und den anmuthigsten Lebensgenuß gewährt. Lebe wohl. Empfiehl uns Deiner Frau. Sidonie ist krank, indeß scheint es nicht von Bedeutung.
Dein
Freund Hardenberg.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 5. April 1800
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 327‒329.
Manuscript
  • Provider: Freies Deutsches Hochstift
  • Classification Number: FDH Nr. 10885
Language
  • German

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