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Karl von Hardenberg to Novalis TEI-Logo

Lützen, den 23ten April 1795. [Donnerstag]
Dir muß man gratuliren und mir kondoliren; Dir zu Deiner charmanten Gevatterschaft, mir, weil die Herrn Sans Culottes auf den unglücklichen Einfall gekommen sind mit Sa Majesté Prussienne und dem deutschen Reiche Frieden zu schließen; schon fingen viele Häuser an zu wanken und waren im Begriffe fallit zu machen, und so wie die hellklingende Schlacht Dromméte uns ins Feld gerufen hätte, wären verschiedene Hohe Häuser z. T [. . .]l gefahren; aber auf einmal ertönte aus allen Mäulern das Wort Friede, nun hätte einmal ein Mensch die Wunderkuren sehn sollen, die dieses Segen bringende Wort verursachte; Männer, die mit der Gicht übel geplagt waren, daß sie gewiß keine Campagne mehr aushalten konnten, befreite dieses Bruderwort plötzlich so total von ihrem malum, daß es eine Freude anzusehn war, wie die Leute so charmant wieder ohne Krüke gehn konnten; noch mehr, wer hätte es wohl gedacht, daß jener gebrechliche Mann, der seiner Schäden wegen das Reiten schon beinahe ganz aufgegeben hatte, plötzlich wieder seine Pferde tummeln konnte, daß es eine Lust war; aber sat brata biberunt, wir wollen von angenehmern Dingen reden, die uns näher angehen, als alle Wunder vom Frieden. Alle Welt hat von einer Heirat mit Fritzchen [Lindenau] gesprochen, der Mutter ist das schon gesagt worden und so hab ich ihr eine Erklärung gegeben von jenem prächtigen heitern Abend, da ich mit Fritzgen im grünen Gartenhause saß und ihr erzählte, wie sehr ich es bedaure, daß das Schicksal eine Verbindung ihres Alters wegen nicht erlaube. Bruder denk Dir nun, die prächtige untergehende Abendsonne, in deren röthlichen Strahlen ihre Thränen glänzten, alles still und ruhig um uns her, durch nichts die große hehre Stille unterbrochen als durch das Rieseln des Dir bekannten Baches, ihr schöner Busen wallte sichtbarer unter dem ihn deckenden Flor, ihre Hände lagen in den meinigen, ich fühlte ihren stärkeren Druck, fühlte heiße Thränen auf meiner Hand, Bruder, sie brannte, länger konnte ich es nicht aushalten, ergriff meinen Hut und floh.
[24. April 1795.]
Daß Du Dich jezt sehr wohl befindest, lieber Friz, bin ich überzeugt, und Du kannst überzeugt sein, daß ich den herzlichsten Antheil daran nehme und mich oft lebhaft mit Dir in G[rüningen] denke, wo Dir der Himmel die angenehmsten Deiner Tage gewähret hat und wo wir alle noch so viele glückliche Stunden erleben können und werden. – Oft habe ich schon mit Erasmus über den sonderbaren Gang des Schicksals nachgedacht und gesprochen, daß der Thüringische Himmel den Hardenbergs so günstig, und auf eine so eigene Art, geworden ist; wir denken uns dann die paar Jahre weiter hinaus, sehen die schönste Morgenröthe für uns aufgehen, fingen neulich an, Mathematische Schlußfolgen zu ziehen, rechneten und rechneten und brachten endlich zum factum nachstehenden Triangel heraus, dessen Inhalt Du Dir selbst erklären magst:
F. H. u. S. K.
[...]
E. H. u. C. K. C. H. u. F. J.
Unser alter Mus schwindelt manchmal würklich schon, wenn er an seine unbekannte Braut, die nemliche Carolinchen, denkt, und ich versichere ihm denn, daß wenn ich ihm auch in der ganzen Welt eine Braut aussuchen sollte, ich keine wüßte, die sich besser für ihn schickte als Carlinchen; wir träumen uns denn 3 Paars, die der Himmel nur deswegen zusammengefügt hätte, um himmlische Glückseligkeit hier auf unserm Erdenrund zu pflanzen.
Erasmus ist jetzt in Wiederstedt und wird vielleicht noch eine Zeitlang bei dem Onkel zu Gesellschaft bleiben. Wir rücken künftigen Montag wieder in die Cantonirung, eigentlich ein ennuyanter Spaß, den ich mir aber durch Lectüre und Fleiß angenehmer zu machen suchen werde.
Daß der 2te May in G[rüningen] wird gefeyert werden, bin ich fest überzeugt, und ich stimme allen Wünschen herzlichst bey. – Daß Du mich im ganzen Hause empfiehlst ist wohl natürlich, und das so schön wie möglich; solltest Du aus Gotha jemand Bekanntes zu sehn bekommen, so vergiß nicht, 1000 Komplimente von mir zu sagen. Grüße auch an den Kreisamtmann und nièce.
Metadata Concerning Header
  • Date: 23. und 24. April 1795
  • Sender: Karl von Hardenberg ·
  • Recipient: Novalis ·
  • Place of Dispatch: Lützen · ·
  • Place of Destination: Tennstedt ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 377‒378.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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