Grüningen, den 10. Februar 1796 [Mittwoch]
Liebster, bester Freund
Vors allererste, was machen Sie? Sind Sie gesund, auch alles in Ihrem Hause gesund? Hat Ihnen auf Ihrer Reise von hier kein wiedriger Zufall begegnet? Sind Sie gut und glücklich in Weißenfeld angekommen? Wenn alles dieses nach meinen Wünschen gegangen ist, so können Sie auch versichert sein, daß ich mich herzlich freue und bald das Angenehmste davon zu hören wünsche.
Bei uns geht es auf die nämliche alte Leier noch so fort, wie es bei Ihrem Abgang gegangen ist. Um Ihnen aber ausführliche Nachricht von allen zu geben, so hören Sie an; es soll von Stück zu Stück gehen. Die Frau Ahle ißt, trinkt, schläft, strickt, zankt, bricht, schmeist, ist aber übrigens gutes Muts! Karolinchen, die Hauschabelle, springt in die Vorratskammer, von da in die Küche, von da in Keller, von da wieder auf die Zinne des Tempels (denn so geschwind, als sie sich erniedrigt, so geschwind erhöht sie sich auch wieder); Sie wissen es wohl, es geht bei ihr alles in Kalopp, steckt, um recht geschwinde wieder herunter zu kommen, den Kopf zwischen die Beine und macht im Purzelbaum die Treppe ab, hat schrecklich viele Igel zu kämmen, tritt nach gethaner Arbeit ans Clavier, spielt Gemssprung über den Graben und ist übrigens lustig und guter Dinge. Nun kommts an Monsieur Georgen. Dieser sitzt in Gotha, der Himmel weiß, was ihn da gefesselt hat; lässt gar nichts von sich hören und ich kann nicht sagen, welchen Tag ich sein holdes Angesicht wieder erblicken werde. Söphgen tanzt, springt, singt, fährt nach Greussen zum Jahrmarkt, frißt wie ein Holzhauer, schläft wie ein Ratz, geht gerade wie eine Tanne, ist munter, lustig und vergnügt, hat Molken und alle Arznei abgedankt, muß noch zweimal baden und ist übrigens wieder so gesund wie der Fisch in Wasser. Hans geht zu seinem großen Leidwesen in die Schule, reitet auf den Böcken und macht übrigens wie gewöhnlich tummes Zeug. Jette tritt Hansen nicht übel bei, und, wenn sie bei Laune ist, sticht sie der Tollwurm oft. Fritz wird von Hansen in allen Schelmereien unterrichtet und geht seinen Gang gerade fort. Mimi ist noch immer der Affe vom Hause und macht unaufhörlich närrisch Zeug. Günter hat Husten und Schnupfen, ist aber am Tage munter und lustig; nur des Nachts hat er oft Unterredungen mit meiner Frau, welches nun freilich der Frau Ahle vielmals nicht behagt, doch läßt sie sichs gefallen. Nun wollen Sie auch wohl wissen, was das französische Gesichte macht; gleich will ich dienen. Diese sitzt und arbeitet auf eine so barbarische Art an Etwas, welches ich nicht sagen darf, daß ihr der Schweiß so am Kopfe herunterläuft, daß Mühlen Räder davon getrieben werden könnten. Die Neugierde, die bei Ihnen deswegen aufsteigt, seh ich in Geiste sehr deutlich; aber, lieber Freund, Sie erfahren weiter nichts als ein Etwas, damit begnügen Sie sich vor der Hand; die Zukunft wird Sie eines weitern belehren. Übrigens geht sie noch immer ihren Schlendrian fort, d. h. sie ißt dichtig, schläft barbarisch, korrespondiert mit jungen Herren fleißig, wartet der Dinge, die da kommen und ist übrigens noch kein Haar breit anders als wie Sie sie verlassen haben. Was nun meine Wenigkeit anbetrifft, so bin ich gesund, esse und trinke, schlafe und sorge, werde geschoren wie ein jeder Hauswirt und laß den Vater walten.
Hier mein Freund haben Sie nun von allen ausführliche Nachricht, begnügen Sie sich einstweilen damit; mit der Zeit sollen Sie ein Näheres hören, jetzo aber wollen wir nun von etwas andern sprechen, Ihr Hr. Bruder Carl hat an mich geschrieben und Hoffnung gemacht, daß er mich diesen Monat noch besuchen würde, wie wäre es denn, wenn der Schimmel gesattelt würde, Sie setzten sich drauf und trapten mit Ihren Hrn. Bruder nach Grüningen, und bitte ich mir aber noch eins aus; sollte der Jäger da sein, so lassen Sie mir diesen um Himmels Willen nicht in Weißenfels sitzen, sondern bringen Sie ihn mit, denn ich habe viel und mancherlei mit ihm abzutun. Nun stellen Sie sich vor, wie mirs mit den Herrn Fürsten in Sondershausen wegen der verfluchten Schweinegeschichte gegangen ist.
[Eine lange Beschreibung von Wildschaden, in die sich der Oberjägermeister von Wolfersdorf eingemischt hat, folgt. Rockenthien legt einen Brief an den Oberforstmeister von Reitzenstein ein, den Novalis persönlich der Behörde übergeben soll. Er soll sich aber nicht merken lassen, daß die Sache nicht ganz richtig dargestellt ist.]
[11. Februar]
Endlich ist George gestern Abend 7 Uhr wieder allhier eingetroffen, er hat sich sehr gut befunden und Jäger hat ihn noch nicht fortlassen wollen.
Weiter ist nun gar nichts mehr zu schreiben, auch sehe ich Ihnen an, daß Sie das Lesen satt haben. Tun Sie mir also den Gefallen und bleiben Sie hübsch gesund, empfehlen Sie mich Ihren wertgeschätzten Angehörigen gehorsamst. Alles im ganzen Hause schickt Ihnen einen recht schönen Gott grüße Sie, und sein Sie versichert, daß ich mit wahrer Hochschätzung bin
dero
aufrichtiger Freund und Diener
v. Rockenthien
Haben Sie Neuigkeiten
so teilen Sie mir solche mit,
und sollten Sie in Zukunft
etwas erfahren, so vergessen
Sie ihren Freund nicht.
Liebster, bester Freund
Vors allererste, was machen Sie? Sind Sie gesund, auch alles in Ihrem Hause gesund? Hat Ihnen auf Ihrer Reise von hier kein wiedriger Zufall begegnet? Sind Sie gut und glücklich in Weißenfeld angekommen? Wenn alles dieses nach meinen Wünschen gegangen ist, so können Sie auch versichert sein, daß ich mich herzlich freue und bald das Angenehmste davon zu hören wünsche.
Bei uns geht es auf die nämliche alte Leier noch so fort, wie es bei Ihrem Abgang gegangen ist. Um Ihnen aber ausführliche Nachricht von allen zu geben, so hören Sie an; es soll von Stück zu Stück gehen. Die Frau Ahle ißt, trinkt, schläft, strickt, zankt, bricht, schmeist, ist aber übrigens gutes Muts! Karolinchen, die Hauschabelle, springt in die Vorratskammer, von da in die Küche, von da in Keller, von da wieder auf die Zinne des Tempels (denn so geschwind, als sie sich erniedrigt, so geschwind erhöht sie sich auch wieder); Sie wissen es wohl, es geht bei ihr alles in Kalopp, steckt, um recht geschwinde wieder herunter zu kommen, den Kopf zwischen die Beine und macht im Purzelbaum die Treppe ab, hat schrecklich viele Igel zu kämmen, tritt nach gethaner Arbeit ans Clavier, spielt Gemssprung über den Graben und ist übrigens lustig und guter Dinge. Nun kommts an Monsieur Georgen. Dieser sitzt in Gotha, der Himmel weiß, was ihn da gefesselt hat; lässt gar nichts von sich hören und ich kann nicht sagen, welchen Tag ich sein holdes Angesicht wieder erblicken werde. Söphgen tanzt, springt, singt, fährt nach Greussen zum Jahrmarkt, frißt wie ein Holzhauer, schläft wie ein Ratz, geht gerade wie eine Tanne, ist munter, lustig und vergnügt, hat Molken und alle Arznei abgedankt, muß noch zweimal baden und ist übrigens wieder so gesund wie der Fisch in Wasser. Hans geht zu seinem großen Leidwesen in die Schule, reitet auf den Böcken und macht übrigens wie gewöhnlich tummes Zeug. Jette tritt Hansen nicht übel bei, und, wenn sie bei Laune ist, sticht sie der Tollwurm oft. Fritz wird von Hansen in allen Schelmereien unterrichtet und geht seinen Gang gerade fort. Mimi ist noch immer der Affe vom Hause und macht unaufhörlich närrisch Zeug. Günter hat Husten und Schnupfen, ist aber am Tage munter und lustig; nur des Nachts hat er oft Unterredungen mit meiner Frau, welches nun freilich der Frau Ahle vielmals nicht behagt, doch läßt sie sichs gefallen. Nun wollen Sie auch wohl wissen, was das französische Gesichte macht; gleich will ich dienen. Diese sitzt und arbeitet auf eine so barbarische Art an Etwas, welches ich nicht sagen darf, daß ihr der Schweiß so am Kopfe herunterläuft, daß Mühlen Räder davon getrieben werden könnten. Die Neugierde, die bei Ihnen deswegen aufsteigt, seh ich in Geiste sehr deutlich; aber, lieber Freund, Sie erfahren weiter nichts als ein Etwas, damit begnügen Sie sich vor der Hand; die Zukunft wird Sie eines weitern belehren. Übrigens geht sie noch immer ihren Schlendrian fort, d. h. sie ißt dichtig, schläft barbarisch, korrespondiert mit jungen Herren fleißig, wartet der Dinge, die da kommen und ist übrigens noch kein Haar breit anders als wie Sie sie verlassen haben. Was nun meine Wenigkeit anbetrifft, so bin ich gesund, esse und trinke, schlafe und sorge, werde geschoren wie ein jeder Hauswirt und laß den Vater walten.
Hier mein Freund haben Sie nun von allen ausführliche Nachricht, begnügen Sie sich einstweilen damit; mit der Zeit sollen Sie ein Näheres hören, jetzo aber wollen wir nun von etwas andern sprechen, Ihr Hr. Bruder Carl hat an mich geschrieben und Hoffnung gemacht, daß er mich diesen Monat noch besuchen würde, wie wäre es denn, wenn der Schimmel gesattelt würde, Sie setzten sich drauf und trapten mit Ihren Hrn. Bruder nach Grüningen, und bitte ich mir aber noch eins aus; sollte der Jäger da sein, so lassen Sie mir diesen um Himmels Willen nicht in Weißenfels sitzen, sondern bringen Sie ihn mit, denn ich habe viel und mancherlei mit ihm abzutun. Nun stellen Sie sich vor, wie mirs mit den Herrn Fürsten in Sondershausen wegen der verfluchten Schweinegeschichte gegangen ist.
[Eine lange Beschreibung von Wildschaden, in die sich der Oberjägermeister von Wolfersdorf eingemischt hat, folgt. Rockenthien legt einen Brief an den Oberforstmeister von Reitzenstein ein, den Novalis persönlich der Behörde übergeben soll. Er soll sich aber nicht merken lassen, daß die Sache nicht ganz richtig dargestellt ist.]
[11. Februar]
Endlich ist George gestern Abend 7 Uhr wieder allhier eingetroffen, er hat sich sehr gut befunden und Jäger hat ihn noch nicht fortlassen wollen.
Weiter ist nun gar nichts mehr zu schreiben, auch sehe ich Ihnen an, daß Sie das Lesen satt haben. Tun Sie mir also den Gefallen und bleiben Sie hübsch gesund, empfehlen Sie mich Ihren wertgeschätzten Angehörigen gehorsamst. Alles im ganzen Hause schickt Ihnen einen recht schönen Gott grüße Sie, und sein Sie versichert, daß ich mit wahrer Hochschätzung bin
dero
aufrichtiger Freund und Diener
v. Rockenthien
Haben Sie Neuigkeiten
so teilen Sie mir solche mit,
und sollten Sie in Zukunft
etwas erfahren, so vergessen
Sie ihren Freund nicht.