Zillbach, den 2. Februar 1797. [Donnerstag]
Du hast mir, lieber Fritz, mit Deinen guten Nachrichten von unserer Sophie eine herzliche Freude gemacht, wieviel Kummer und Sorge mir das liebe Mädchen in meiner Krankheit gemacht hat, das kannst Du Dir gar nicht denken; nach 5 langen Wochen war Deine Nachricht wieder die erste, die ich von dorther erhielt, und zugleich bekam ich auch einen Brief von Mandelsloh, der Deine Evangelia bestätigte – Wenn mir der Himmel noch den Wunsch erfüllt, daß Du und Sophie recht glücklich werden, und auch Karlens Temperament einen fröhlichern Schwung erhält, so sind meine Wünsche für dieses Erdenleben, nach den jetzigen Aussichten, zu Ende – Ich habe jetzt doppelte Ursache, Euch recht viel Freuden, und schöne, wolkenlose Tage, sowie eine Fülle von Lebensgenuß für die Zukunft zu wünschen, da Euch doch vielleicht bald mein früher Abschied aus Eurer Mitte einige trübe Stunden machen wird – Ja, lieber Fritz, es wird mir manchmal jetzt mehr als zu wahrscheinlich, daß meine elende Gesundheit, durch diese heftige Revolution, den letzten Stoß erhalten hat, und, daß das morsche Gebäude endlich ganz zusammenstürzen wird.– Der immer mit gleicher Stärke fortdauernde, mich oft sehr erhitzende und abmattende Husten, der beständige kurze Atem, die Nachtschweiße, und die außerordentliche Abnahme an Kräften lassen mir nichts von allen sinnlichen Lebensgenuß übrig, als einen guten Appetit und einen ziemlich guten, sanften Schlaf, der jetzt aber auch alle Nächte durch einen wenigstens 1/2 Stunde währenden Husten unterbrochen wird, und sind, wie mich dünkt, wohl ziemlich deutliche Zeugen, daß meine Lunge sehr gelitten hat – Dehmohngeachtet würde ich in Rücksicht meiner Wiederherstellung die Energie meiner Jugendkräfte noch nicht in Zweifel ziehen, wenn der Doktor nicht selbst sagte, daß meine Lunge gewiß gelitten habe und sich nicht, wenn die Rede von einer Frühlings- oder Nachkur wäre, immer bloß für lungenheilende und bruststärkende Mittel erklärte. – Die Hoffnung deswegen aufzugeben, wäre töricht, die Vorsehung hat sich diesmal so sichtlich meiner angenommen – sie kann auch der ganzen Krankheit noch eine glückliche Wendung geben – Im übrigen, lieber Junge, tröste ich mich damit, daß mich meine Bestimmung hierher und meiner Krankheit entgegen geführt hat, und der Weg, der uns unserer Bestimmung näher führt, ist der beste, er mag schlüpfrig und schief oder eben und gerade sein, er ist der beste – In Rücksicht meines Geistes bin ich desto besser dran, denn ohngeachtet ich sehr nervenschwach und daher öfters ärgerlich und empfindlich bin, so ist er doch gewöhnlich heiter, und erhebt sich weit über seinen täglichen Nachbar, der ihm gern nacheilen möchte, aber von seinem Ohnvermögen zurückgehalten wird – Eine herrliche Nahrung habe ich jetzt für ihn in dem Umgange mit meinem lieben Hauswirt [Slevoigt], das Dir ein ganz vortrefflicher Mann ist, er war sonst hier Forstschreiber, und hat den Titel noch, nun hatte er sich hier vom herzoglichen Rittergute, das vereinzelt und verkauft wurde, sehr beträchtliche Grundstücke angekauft, hatte das Unglück, 2 Jahr hintereinander, nachdem erst der Kauf zu Stande gekommen war, daß ihm durch Hagelschlag alles ruiniert wurde und er in einem Bankhaus[?] viel verlor, dadurch entstand ein kleiner Cassendefect, den er aber bei Heller und Pfennig mit Zinsen und allen in Zeit von 4 Wochen ersetzte. Nun verwendete sich alles vor ihn, er hatte aber Feinde in Weimar und wurde deswegen doch abgesetzt – Nun betreibt er hier seine Wirtschaft und lebt von seinem Vermögen, das noch einmal sehr beträchtlich wird, und studiert nebenher Cameralistick und schreibt für das Forstfach. In beiden besitzt er gründliche Kenntnisse und hört nicht auf, darin fortzuarbeiten – Mit der Motzischen Bekanntschaft hat es ein sehr elendes Ende genommen – Denk Dir, daß ich mit allen übrigen Mitgliedern des Instituts zusammentreten mußte, um ihn zu forcieren, daß er einen gewissen Hl. v. Furtenbach hier, die schimpflichste Ehrenerklärung und Abbitte tun mußte, die ich ehe gehört habe, und daß ich, nachdem er sie getan und unterschrieben, auch untersiegelt hatte, daß ich es war, der darauf drang, daß er sich augenblicklich vom Institut entfernen sollte. Nur das übertriebne Mitleiden unserer Hl. Directoren, die mich bewegten, es auf die Mehrheit der Stimmen ankommen zu lassen, konnte ihn, da meine übrigen Hll.Kameraden barmherzigere Brüder waren als ich, retten, und ihm die Erlaubnis verschaffen, noch bis Ostern, von keinen von uns mit dem A-sch-angesehen, mit gebeugten Haupte und mit niedergeschlagenen Augen wie ein gebrandmarkter H-f- t herumzuschleichen – Mündlich über diese ganze Geschichte einmal ein mehreres. – Mit dem Förster steh ich mich, unter uns gesagt, sehr schlecht, und kann nichts von ihm brauchen, als seine Kenntnis, die ich dann auch so viel, als nur immer möglich zu benutzen suche, er ist gar mein Mann nicht; und Du wirst mir recht geben, wenn ich Dir einmal mündlich erzählen werde wie unedel und niedrig man mich behandelt hat. Wenn ich wieder besser werde, so hat wahrscheinlich die unermüdete, freundliche Pflege und warme Sorgfalt meiner jetzigen lieben Wirtsleute – ich habe vorhin vergessen zu sagen, daß er Slevoigt heißt – einen sehr großen Anteil daran; der Oberforstmeister v. Arnswald und der hiesige Pastor sind sehr muntere, lebenslustige Leute, die mich öfter besuchen und aufheitern, auch der Forstcommissair Rudolph ist ein artiger aufgeräumter Mann, der mich dannen und wann besucht – Mein Michalis ist seit 8 Tagen an einen bösen Fuße krank und kann nicht aus der Stelle – so bricht jetzt alles Unglück über uns herein – daß ich und Michalis oft selbst herzlich darüber lachen – Wechmars werde ich gewiß meine Dankbarkeit für ihr menschenfreundliches Betragen zu bezeigen wissen; sobald ich nur im geringsten wieder fortkommen kann, besuche ich Sie in Roßdorf.
– Daß ich Jägers nicht mißfallen habe, ist mir sehr lieb gewesen; ich muß Dir sagen, daß mir damals die flüchtige Idee durch den Kopf lief, mich mit der Zeit in die Familie hineinzudrängen, wenn nur das Mädchen ein hübsches Gut oder 50–60000 Taler Geld hätte, ohne welches, wie Du weißt, ich damals nicht agieren konnte – jetzt denke ich nicht mehr an solche Grillen, die bei mir jetzt ebenso lächerlich wären als bei einem Mann von 70 Jahren – Lebe wohl, lieber Fritz, erbrich beiliegenden Brief an Karln, der schon fertig war und in welchem Du einiges über unsere Privatangelegenheiten finden wirst – Vater, Mutter, Onkel küsse ich die Hände, Karolinen und Sidonien, und Dich und Karln besonders, umarme ich 1000mal und bin
Dein Dich bis in den Tod liebender
Bruder Erasmus.
[Nachschrift]
Dein Brief [vom 20. Januar] ist 12 Tage unterwegens gewesen, gestern habe ich ihn erhalten, den 27ten v[origen] M[onats] habe ich an den Vater geschrieben.
Du hast mir, lieber Fritz, mit Deinen guten Nachrichten von unserer Sophie eine herzliche Freude gemacht, wieviel Kummer und Sorge mir das liebe Mädchen in meiner Krankheit gemacht hat, das kannst Du Dir gar nicht denken; nach 5 langen Wochen war Deine Nachricht wieder die erste, die ich von dorther erhielt, und zugleich bekam ich auch einen Brief von Mandelsloh, der Deine Evangelia bestätigte – Wenn mir der Himmel noch den Wunsch erfüllt, daß Du und Sophie recht glücklich werden, und auch Karlens Temperament einen fröhlichern Schwung erhält, so sind meine Wünsche für dieses Erdenleben, nach den jetzigen Aussichten, zu Ende – Ich habe jetzt doppelte Ursache, Euch recht viel Freuden, und schöne, wolkenlose Tage, sowie eine Fülle von Lebensgenuß für die Zukunft zu wünschen, da Euch doch vielleicht bald mein früher Abschied aus Eurer Mitte einige trübe Stunden machen wird – Ja, lieber Fritz, es wird mir manchmal jetzt mehr als zu wahrscheinlich, daß meine elende Gesundheit, durch diese heftige Revolution, den letzten Stoß erhalten hat, und, daß das morsche Gebäude endlich ganz zusammenstürzen wird.– Der immer mit gleicher Stärke fortdauernde, mich oft sehr erhitzende und abmattende Husten, der beständige kurze Atem, die Nachtschweiße, und die außerordentliche Abnahme an Kräften lassen mir nichts von allen sinnlichen Lebensgenuß übrig, als einen guten Appetit und einen ziemlich guten, sanften Schlaf, der jetzt aber auch alle Nächte durch einen wenigstens 1/2 Stunde währenden Husten unterbrochen wird, und sind, wie mich dünkt, wohl ziemlich deutliche Zeugen, daß meine Lunge sehr gelitten hat – Dehmohngeachtet würde ich in Rücksicht meiner Wiederherstellung die Energie meiner Jugendkräfte noch nicht in Zweifel ziehen, wenn der Doktor nicht selbst sagte, daß meine Lunge gewiß gelitten habe und sich nicht, wenn die Rede von einer Frühlings- oder Nachkur wäre, immer bloß für lungenheilende und bruststärkende Mittel erklärte. – Die Hoffnung deswegen aufzugeben, wäre töricht, die Vorsehung hat sich diesmal so sichtlich meiner angenommen – sie kann auch der ganzen Krankheit noch eine glückliche Wendung geben – Im übrigen, lieber Junge, tröste ich mich damit, daß mich meine Bestimmung hierher und meiner Krankheit entgegen geführt hat, und der Weg, der uns unserer Bestimmung näher führt, ist der beste, er mag schlüpfrig und schief oder eben und gerade sein, er ist der beste – In Rücksicht meines Geistes bin ich desto besser dran, denn ohngeachtet ich sehr nervenschwach und daher öfters ärgerlich und empfindlich bin, so ist er doch gewöhnlich heiter, und erhebt sich weit über seinen täglichen Nachbar, der ihm gern nacheilen möchte, aber von seinem Ohnvermögen zurückgehalten wird – Eine herrliche Nahrung habe ich jetzt für ihn in dem Umgange mit meinem lieben Hauswirt [Slevoigt], das Dir ein ganz vortrefflicher Mann ist, er war sonst hier Forstschreiber, und hat den Titel noch, nun hatte er sich hier vom herzoglichen Rittergute, das vereinzelt und verkauft wurde, sehr beträchtliche Grundstücke angekauft, hatte das Unglück, 2 Jahr hintereinander, nachdem erst der Kauf zu Stande gekommen war, daß ihm durch Hagelschlag alles ruiniert wurde und er in einem Bankhaus[?] viel verlor, dadurch entstand ein kleiner Cassendefect, den er aber bei Heller und Pfennig mit Zinsen und allen in Zeit von 4 Wochen ersetzte. Nun verwendete sich alles vor ihn, er hatte aber Feinde in Weimar und wurde deswegen doch abgesetzt – Nun betreibt er hier seine Wirtschaft und lebt von seinem Vermögen, das noch einmal sehr beträchtlich wird, und studiert nebenher Cameralistick und schreibt für das Forstfach. In beiden besitzt er gründliche Kenntnisse und hört nicht auf, darin fortzuarbeiten – Mit der Motzischen Bekanntschaft hat es ein sehr elendes Ende genommen – Denk Dir, daß ich mit allen übrigen Mitgliedern des Instituts zusammentreten mußte, um ihn zu forcieren, daß er einen gewissen Hl. v. Furtenbach hier, die schimpflichste Ehrenerklärung und Abbitte tun mußte, die ich ehe gehört habe, und daß ich, nachdem er sie getan und unterschrieben, auch untersiegelt hatte, daß ich es war, der darauf drang, daß er sich augenblicklich vom Institut entfernen sollte. Nur das übertriebne Mitleiden unserer Hl. Directoren, die mich bewegten, es auf die Mehrheit der Stimmen ankommen zu lassen, konnte ihn, da meine übrigen Hll.Kameraden barmherzigere Brüder waren als ich, retten, und ihm die Erlaubnis verschaffen, noch bis Ostern, von keinen von uns mit dem A-sch-angesehen, mit gebeugten Haupte und mit niedergeschlagenen Augen wie ein gebrandmarkter H-f- t herumzuschleichen – Mündlich über diese ganze Geschichte einmal ein mehreres. – Mit dem Förster steh ich mich, unter uns gesagt, sehr schlecht, und kann nichts von ihm brauchen, als seine Kenntnis, die ich dann auch so viel, als nur immer möglich zu benutzen suche, er ist gar mein Mann nicht; und Du wirst mir recht geben, wenn ich Dir einmal mündlich erzählen werde wie unedel und niedrig man mich behandelt hat. Wenn ich wieder besser werde, so hat wahrscheinlich die unermüdete, freundliche Pflege und warme Sorgfalt meiner jetzigen lieben Wirtsleute – ich habe vorhin vergessen zu sagen, daß er Slevoigt heißt – einen sehr großen Anteil daran; der Oberforstmeister v. Arnswald und der hiesige Pastor sind sehr muntere, lebenslustige Leute, die mich öfter besuchen und aufheitern, auch der Forstcommissair Rudolph ist ein artiger aufgeräumter Mann, der mich dannen und wann besucht – Mein Michalis ist seit 8 Tagen an einen bösen Fuße krank und kann nicht aus der Stelle – so bricht jetzt alles Unglück über uns herein – daß ich und Michalis oft selbst herzlich darüber lachen – Wechmars werde ich gewiß meine Dankbarkeit für ihr menschenfreundliches Betragen zu bezeigen wissen; sobald ich nur im geringsten wieder fortkommen kann, besuche ich Sie in Roßdorf.
– Daß ich Jägers nicht mißfallen habe, ist mir sehr lieb gewesen; ich muß Dir sagen, daß mir damals die flüchtige Idee durch den Kopf lief, mich mit der Zeit in die Familie hineinzudrängen, wenn nur das Mädchen ein hübsches Gut oder 50–60000 Taler Geld hätte, ohne welches, wie Du weißt, ich damals nicht agieren konnte – jetzt denke ich nicht mehr an solche Grillen, die bei mir jetzt ebenso lächerlich wären als bei einem Mann von 70 Jahren – Lebe wohl, lieber Fritz, erbrich beiliegenden Brief an Karln, der schon fertig war und in welchem Du einiges über unsere Privatangelegenheiten finden wirst – Vater, Mutter, Onkel küsse ich die Hände, Karolinen und Sidonien, und Dich und Karln besonders, umarme ich 1000mal und bin
Dein Dich bis in den Tod liebender
Bruder Erasmus.
[Nachschrift]
Dein Brief [vom 20. Januar] ist 12 Tage unterwegens gewesen, gestern habe ich ihn erhalten, den 27ten v[origen] M[onats] habe ich an den Vater geschrieben.