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Karl von Hardenberg to Novalis TEI-Logo

Luklum. d[en] 11ten May. 1797. [Donnerstag]
Lieber guter Friz.
Ich kenne keine prächtigere Natur Scene als ein Gewitter; eben als ich Dir schreiben wollte, zog ein solches fürchterliches Phänomen bey uns vorüber, doch iezt ist es vorbey, der Donner rollt nur noch fern, und der Himmel ist wieder völlig heiter; die furchtbar dunkeln Wolken standen meinem Fenster gerade gegenüber, nur am äußersten Ende des Horizonts lief ein glänzender, lichtblauer schmaler Streif hin, wie ein schöner Gedanke eines künftigen glüklichen Lebens. – Mit wahrer Heiterkeit konnte ich an den plözlichen Tod durch den Bliz denken, er schien mir so schneller, so ein sanfter Uebergang, daß ich den Wunsch nach ihm für erlaubt gehalten hätte; Ein Augenblick, und man wär – Dort, lieber guter Friz, in der ewigen Umarmung unserer Geliebten. Schon, den Gedanken einer Ewigkeit denken zu können, halte ich für einen unendlichen Reichthum des Menschen. So hat mir in den Mumien beynahe keine Idee liebenswürdiger geschienen, als da Amandus gleich nach Mitternacht gestorben ist, und Gustaf trostlos an dem Sterbebette seines Freundes steht, plözlich die Flöten Uhr 1 Uhr schlägt, und ein Morgenlied des ewigen Morgens spielt, so aufrichtend, so herüber tönend aus Auen über den Mond pp. O! es ist gewiß ein herrlicher Trost gewesen; es kömt gewiß einst ein ewiger Morgen wo wir alles was wir hier liebten wiedersehen, wiederumarmen werden. – Vielleicht könnte ich iezt wohl den Wunsch hegen, recht bald von dieser Erde abzutreten, aber ich fürchte dies Glük noch nicht zu verdienen. Eine schöne Belohnung kann nur einer gewißenhaften Erfüllung unserer Pflichten folgen, und da bin ich noch weit sehr weit entfernt, wenn ich einst darüber werde ruhig denken können, dann wird mir schon sehr wohl seyn, dann werde ich glauben einen näheren Anspruch auf ein künftiges Glük zu haben. – Dieses schöne Ziel zu erlangen, wollen wir einander wechselseitig aufmerksam machen, da rechne ich ganz auf Deine Unterstützung. – Allein wankt man zu sehr, aber Freundes Errinnerung ist die beste Stütze.
Man hat Minuten, aber selten, wo man durch den Dunst der paar Jahre die sich zwischen uns und unsern Grabe drängen, leicht hindurch blikt, wo sie einem so kurz scheinen, als wenn man sie verlebt hätte; könnte man sich dieses helle, leichte Durch Schauen angewöhnen, wir würden wahrscheinlich glüklicher leben. – Ueberhaupt wäre es vielleicht gut, wenn man dem Bilde seines Grabes, den Aussichten in die Ewigkeit immer mehr folgte; besonders sollte man schon Kinder von Jugend auf gewöhnen, den Gedanken des Todes nicht mit dunkeln und fürchterlichen Ideen zu verbinden, nicht im Todtengerippe mahlen, sondern ihm ein schönes, liebliches frohes Gewand geben, gewiß würde uns der Tod leichter und süßer werden, doch wenn man Freunde verlohren hat, dann wird Trennung von dieser Erde gewiß auch nicht schwer.
Die Mutter und Caroline befinden sich nach den lezten Briefen des Vaters leidlich. – Weißt Du nicht, wie es Römern und Anton geht? Ob in Gr[üningen] alles wohl ist? – In 3 bis 4 Wochen hoffe ich Dich zu sehen, schreib mir doch, wie lange Du Dich noch dort aufhalten wirst? – Empfiel mich Deinen Freunden auf das wärmste.
Schikke mir doch ein Blanquet von Dir, da ich das Geld von B[eck?] habe. Uebrigens sey um nichts bekümmert ich besorge alles gewiß pünktlich.
Leb wohl, mein guter, mein einziger Freund und Bruder, ewig
Dein
Charles Hdbg.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 11. Mai 1797
  • Sender: Karl von Hardenberg ·
  • Recipient: Novalis ·
  • Place of Dispatch: Lucklum ·
  • Place of Destination: Tennstedt ·
Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1975, S. 483‒484.
Manuscript
  • Provider: Privatbesitz
Language
  • German

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