[Tennstedt, 17. und 24. November 1798, Sonnabend]
Wir haben Ihre Blumen, Glauben und Liebe, gelesen. Was meine Frau im Allgemeinen dazu sagt? Wenn Franzosen hereinkämen, möchten Sie Ihren Kopf festhalten! Doch wenn sich nach diesem Aushängeschild ein Monarch in Ihnen einen eingefleischten Monarchisten kaufen wollte, und Sie dann nach dem Kaufe näher besähe, würde er sich trefflich betrogen finden. Wir haben im Allgemeinen schöne Stellen darin gefunden, und wenn ich sie alle bezeichnen sollte, müßte ich den größten Theil dieser Gesänge bezeichnen. Eine einzige wünschte ich ganz hinweg, die, wo Sie den Höflingen zu schmeicheln scheinen. Ich weiß zwar wohl, daß Sie nur davon reden, daß Diejenigen, die um einen guten Fürsten sind, schon um dieser Nähe willen selbst gut werden müssen. Aber wie sehr widerspricht die Erfahrung dem Ideal, und wie sehr werden Höflinge diese Stelle mißbrauchen, da die meisten doch nur als Wolken zwischen Himmel und Erde schweben und als solche sterben wollen. Ich glaube immer, daß ich darin den Verfasser, wäre er mir auch unbekannt gewesen, erkannt hätte. Wie Sie mit einem Male ein Verfechter der Monarchie geworden sind, das erkläre ich mir so: Sie studiren jetzo die Wissenschaften. Der Charakter der Wissenschaft ist, daß sie sich von einem einfachen Grunde herleitet. So kann das Staatsrecht nur klar zur Wissenschaft werden, wenn es auf einem einfachen Grunde ruht. Dieser zeigt sich im Monarchen. Sie sind ein Liebhaber schöner Frauen. Nun besitzt gerade jetzt die Erde unter den Erdenkönigen einen guten Monarchen, und dieser eine gute Frau: zwei schöne Formen in der monarchisch-politischen Welt. Nothwendig muß Ihr Herz für diese Formen eingenommen werden, und den Verstand, der so schon für die Monarchie gestimmt war, ganz determiniren. Wer Sie nicht so ganz kennt, wird glauben, Sie hätten diese Gesänge mit Rücksichten geschrieben. Wir aber wollen Sie wider diesen Vorwurf, der Ihnen gemacht werden kann, vertheidigen. Denn Sie würden ebenso geschrieben haben, wäre auch Ihr Held der König von Siam gewesen. Im Blüthenstaub habe ich manches halb, manches nicht und manches ganz verstanden. Die Idee und Absicht des Ganzen haben Sie meines Erachtens im letzten Fragment angegeben. Ich freute mich manchmal, alte Bekannte darin zu finden; auch machte es mir wahres Vergnügen, manchmal ausrufen zu können: ,Das ist echter Hardenbergianismus!‘ Daß Sie so ein Freund von Antithesen sind, hatte ich vorher noch nicht bemerkt. Ich weiß aber schon, daß sie in solchen Aufsätzen von jungen witzigen Köpfen gemeiniglich gesucht und gelobt werden. Zu manchem Bilde habe ich Ihnen wohl auch gesessen, besonders wenn es auf philistermäßige Ordnung ankam. Mit den Vorstellungen in der Religion geht es Ihnen wie Kant. Beide behalten die Worte aus dem christlichen Religionssystem bei und legen ihnen andere Bedeutung unter. Der ganz gemeine Leser glaubt, man halte es noch ganz mit dem alten System. Der Forschende sieht nun wohl bald das Gegentheil; aber der Eine ist nun auch mit dem modernen Interpreten unzufrieden, während ihn der Andere dennoch achtet und liebt, wenn er schon seine Interpretation nicht gutheißen kann. Man muß schon (und das haben Sie auch mit Kant gemein) mit Ihrer Sprache etwas bekannt sein, wenn man Sie verstehen und beurtheilen will. Ich glaube, daß ich Ihre Sprache und Ihren Ideengang genauer kenne als mancher Ihrer Leser, dennoch ist mir manches in den Fragmenten unerklärbar geblieben. Darum wünsche ich, und Sie wissen wie sehr ich die Deutlichkeit liebe, daß Sie künftig doch mehr auf’s Publikum Rücksicht nähmen, damit Sie mehr gelesen, richtiger verstanden und billiger beurtheilt werden können. Behalten Sie immer Ihre Originalität im Denken, Ihren Reichthum an Bildern, aber führen Sie nur eine verständlichere Sprache. Denn sobald Sie im Publicum schreiben, müssen Sie auch für’s Publicum schreiben. Oder wollen Sie nur für wenige Eingeweihte schreiben? Wenn Sie meine Kritik über Ihre Schriften lesen werden Sie freylich
den Philister
finden; aber darum höre ich doch nicht auf Ihr warmer inniger Freund zu seyn,
Just.
Wir haben Ihre Blumen, Glauben und Liebe, gelesen. Was meine Frau im Allgemeinen dazu sagt? Wenn Franzosen hereinkämen, möchten Sie Ihren Kopf festhalten! Doch wenn sich nach diesem Aushängeschild ein Monarch in Ihnen einen eingefleischten Monarchisten kaufen wollte, und Sie dann nach dem Kaufe näher besähe, würde er sich trefflich betrogen finden. Wir haben im Allgemeinen schöne Stellen darin gefunden, und wenn ich sie alle bezeichnen sollte, müßte ich den größten Theil dieser Gesänge bezeichnen. Eine einzige wünschte ich ganz hinweg, die, wo Sie den Höflingen zu schmeicheln scheinen. Ich weiß zwar wohl, daß Sie nur davon reden, daß Diejenigen, die um einen guten Fürsten sind, schon um dieser Nähe willen selbst gut werden müssen. Aber wie sehr widerspricht die Erfahrung dem Ideal, und wie sehr werden Höflinge diese Stelle mißbrauchen, da die meisten doch nur als Wolken zwischen Himmel und Erde schweben und als solche sterben wollen. Ich glaube immer, daß ich darin den Verfasser, wäre er mir auch unbekannt gewesen, erkannt hätte. Wie Sie mit einem Male ein Verfechter der Monarchie geworden sind, das erkläre ich mir so: Sie studiren jetzo die Wissenschaften. Der Charakter der Wissenschaft ist, daß sie sich von einem einfachen Grunde herleitet. So kann das Staatsrecht nur klar zur Wissenschaft werden, wenn es auf einem einfachen Grunde ruht. Dieser zeigt sich im Monarchen. Sie sind ein Liebhaber schöner Frauen. Nun besitzt gerade jetzt die Erde unter den Erdenkönigen einen guten Monarchen, und dieser eine gute Frau: zwei schöne Formen in der monarchisch-politischen Welt. Nothwendig muß Ihr Herz für diese Formen eingenommen werden, und den Verstand, der so schon für die Monarchie gestimmt war, ganz determiniren. Wer Sie nicht so ganz kennt, wird glauben, Sie hätten diese Gesänge mit Rücksichten geschrieben. Wir aber wollen Sie wider diesen Vorwurf, der Ihnen gemacht werden kann, vertheidigen. Denn Sie würden ebenso geschrieben haben, wäre auch Ihr Held der König von Siam gewesen. Im Blüthenstaub habe ich manches halb, manches nicht und manches ganz verstanden. Die Idee und Absicht des Ganzen haben Sie meines Erachtens im letzten Fragment angegeben. Ich freute mich manchmal, alte Bekannte darin zu finden; auch machte es mir wahres Vergnügen, manchmal ausrufen zu können: ,Das ist echter Hardenbergianismus!‘ Daß Sie so ein Freund von Antithesen sind, hatte ich vorher noch nicht bemerkt. Ich weiß aber schon, daß sie in solchen Aufsätzen von jungen witzigen Köpfen gemeiniglich gesucht und gelobt werden. Zu manchem Bilde habe ich Ihnen wohl auch gesessen, besonders wenn es auf philistermäßige Ordnung ankam. Mit den Vorstellungen in der Religion geht es Ihnen wie Kant. Beide behalten die Worte aus dem christlichen Religionssystem bei und legen ihnen andere Bedeutung unter. Der ganz gemeine Leser glaubt, man halte es noch ganz mit dem alten System. Der Forschende sieht nun wohl bald das Gegentheil; aber der Eine ist nun auch mit dem modernen Interpreten unzufrieden, während ihn der Andere dennoch achtet und liebt, wenn er schon seine Interpretation nicht gutheißen kann. Man muß schon (und das haben Sie auch mit Kant gemein) mit Ihrer Sprache etwas bekannt sein, wenn man Sie verstehen und beurtheilen will. Ich glaube, daß ich Ihre Sprache und Ihren Ideengang genauer kenne als mancher Ihrer Leser, dennoch ist mir manches in den Fragmenten unerklärbar geblieben. Darum wünsche ich, und Sie wissen wie sehr ich die Deutlichkeit liebe, daß Sie künftig doch mehr auf’s Publikum Rücksicht nähmen, damit Sie mehr gelesen, richtiger verstanden und billiger beurtheilt werden können. Behalten Sie immer Ihre Originalität im Denken, Ihren Reichthum an Bildern, aber führen Sie nur eine verständlichere Sprache. Denn sobald Sie im Publicum schreiben, müssen Sie auch für’s Publicum schreiben. Oder wollen Sie nur für wenige Eingeweihte schreiben? Wenn Sie meine Kritik über Ihre Schriften lesen werden Sie freylich
den Philister
finden; aber darum höre ich doch nicht auf Ihr warmer inniger Freund zu seyn,
Just.