Dresden, 20. Januar 1799. [Sonnabend]
Es sind viele Gründe, warum ich nicht geschrieben, darunter Familienangelegenheiten, die leider jetzt schlecht genug stehen, zu besorgen, oder das Räthsel der sächsischen Verfassung zu ergründen, die, wie der Mantel der christlichen Liebe, alle Dummheiten in sich faßt, und jetzt das mächtige Banner der Ignoranz, der Brutalität und des Egoismus geworden ist. Ich schicke Dir den Todtenkopf, er gehörte einem cidevant Bedienten meines Bruders, der mitten in Dresden beim Spiel ermordet wurde, und den seine Mörder, zur Vermeidung juristischer Weitläufigkeiten, aufhingen. Ich kannte den armen Kerl und glaube, daß seine traurigen Reste dem Vicekanzler lehrreicher als Dir sein würden.
Du glaubst nicht, wie groß die Thorheit und der Unverstand der sächsischen Stände ist. Graf Tottleben hatte eine Schrift in der Tasche, in der er auf Abschaffung der Taufe, des Abendmahles, der Trauung u.s.w. antrug. Er wurde mit Beziehung auf die symbolischen Bücher und die sich darauf gründenden Pacta religionis höflichst ersucht, sie in der Tasche zu behalten. Der Domherr Holleufer, Scholasticus von Merseburg, wünschte die Aufhebung aller Anstalten, wo Schulmänner gebildet werden, weil dergleichen Kerls doch nichts lernten und auch nichts zu wissen brauchten. Herr v. Wietersheim bittet um Schiffbarmachung aller Flüsse in Sachsen, damit die Beschwerden über die Magazinfuhren erledigt werden möchten. Graf Ronnov will die Wittwen und Waisen der Steuerofficianten verhungern lassen, weil sie sonst dem Staate zur Last fallen könnten! Komm nur auf einen Tag zu mir, ich will Dich in den Rittersaal führen und Du wirst dort mehr lernen, als Du wissen willst. Neugierig bin ich, welchen Eindruck es auf Dich machen wird, wenn Du die vornehmsten Glieder unsres Landes, mit der Chokoladentasse in der Hand, wie aristokratische Sansculotten sprechen hörst. Wäre Rousseau auf den sächsischen Landtagen erschienen, er hätte gewiß nicht gesagt, daß die Majorität die Minorität nicht bloß an der Zahl, sondern auch an Verstande übertrifft.
Es sind viele Gründe, warum ich nicht geschrieben, darunter Familienangelegenheiten, die leider jetzt schlecht genug stehen, zu besorgen, oder das Räthsel der sächsischen Verfassung zu ergründen, die, wie der Mantel der christlichen Liebe, alle Dummheiten in sich faßt, und jetzt das mächtige Banner der Ignoranz, der Brutalität und des Egoismus geworden ist. Ich schicke Dir den Todtenkopf, er gehörte einem cidevant Bedienten meines Bruders, der mitten in Dresden beim Spiel ermordet wurde, und den seine Mörder, zur Vermeidung juristischer Weitläufigkeiten, aufhingen. Ich kannte den armen Kerl und glaube, daß seine traurigen Reste dem Vicekanzler lehrreicher als Dir sein würden.
Du glaubst nicht, wie groß die Thorheit und der Unverstand der sächsischen Stände ist. Graf Tottleben hatte eine Schrift in der Tasche, in der er auf Abschaffung der Taufe, des Abendmahles, der Trauung u.s.w. antrug. Er wurde mit Beziehung auf die symbolischen Bücher und die sich darauf gründenden Pacta religionis höflichst ersucht, sie in der Tasche zu behalten. Der Domherr Holleufer, Scholasticus von Merseburg, wünschte die Aufhebung aller Anstalten, wo Schulmänner gebildet werden, weil dergleichen Kerls doch nichts lernten und auch nichts zu wissen brauchten. Herr v. Wietersheim bittet um Schiffbarmachung aller Flüsse in Sachsen, damit die Beschwerden über die Magazinfuhren erledigt werden möchten. Graf Ronnov will die Wittwen und Waisen der Steuerofficianten verhungern lassen, weil sie sonst dem Staate zur Last fallen könnten! Komm nur auf einen Tag zu mir, ich will Dich in den Rittersaal führen und Du wirst dort mehr lernen, als Du wissen willst. Neugierig bin ich, welchen Eindruck es auf Dich machen wird, wenn Du die vornehmsten Glieder unsres Landes, mit der Chokoladentasse in der Hand, wie aristokratische Sansculotten sprechen hörst. Wäre Rousseau auf den sächsischen Landtagen erschienen, er hätte gewiß nicht gesagt, daß die Majorität die Minorität nicht bloß an der Zahl, sondern auch an Verstande übertrifft.