Am 28. März antwortet er, entschuldigt sich mit einem übermäßigen Gedränge der Geschäfte und dankt für die Übersendung der Anzeige der Monologen. Diese sei ihm erfreulich gewesen
nicht nur wegen der Art, wie Sie die darin ausgesprochene Gesinnung ansehen, denn das wußte ich schon unmittelbar von Ihnen, sondern besonders auch, daß die theoretische Tendenz, die mir immer vor Augen schwebt, Ihnen nicht nur nicht entgangen ist, sondern wir uns auch hier auf demselben Wege, wenigstens auf dem Wege zu demselben Ziele befinden. Die Vereinigung des Idealismus und des Realismus ist das, worauf mein ganzes Streben gerichtet ist, und ich habe darauf nach Vermögen hingedeutet in den Reden sowohl als in den Monologen; aber freilich liegt der Grund davon sehr tief, und es wird nicht leicht sein, beiden Parteien den Sinn dafür zu öffnen. Schlegel, der schon so viel dahin Abzielendes gesagt hat, wird nicht verstanden, und meine Sachen hat man wohl anderwärts noch gar nicht darauf angesehen. Auch kann freilich eher nichts gründlich darin getan werden, bis man klarer und allgemeiner einsieht, daß und warum die Philosophie für sich allein durchaus idealistisch ist, und daß es eine jede immer gewesen ist und immer sein wird, auch die gar nicht so aussieht.
Sehr begierig bin ich auf das, was Sie vom Mystizismus zu sagen versprechen, denn in dem rechten Verständnis dieser Denkart und ihres Grundes liegt unstreitig der letzte Knoten.
Von einer Vereinigung des Christentums mit der Philosophie kann ich mir nichts Bestimmtes denken. Was wollen Sie vereinigen, wo gar kein Streit ist? Die Religion kann nicht umhin, die philosophierende Anlage im Menschen anzuerkennen, und das tut sie auch wohl jetzt durchaus; und ebenso kann man die Philosophie nötigen, die religiöse Stimmung anzuerkennen, wenn sie sich gleich etwas ungebärdig dabei anstellt. Es ist eine meiner Absichten gewesen bei den Reden, dies von Seiten der Logik aus zu tun, und es kann von seiten der Moral auch wohl geschehen, nur etwas anders, als man es bisher angefangen hat. Ist dies geschehen, so darf man sie nur auseinanderhalten, daß keine in das Gebiet der anderen streife; denn ein Gemeinschaftliches haben sie gar nicht; so ist allem scheinbaren Streit vorgebeugt. |
Indes gestehe ich Ihnen: bei dieser, wie es scheint, großen Gleichheit unserer Hauptansicht begreife ich nicht, wie Sie in den Reden das Einseitige so dominierend haben finden können, und mich verlangt sehr dieses Stück, welches ich mir schon sehr lange bestellt habe, endlich zu erhalten. Sollte bloß die polemische Gestalt des Ganzen Sie zu dem Schluß auf eine innere Einseitigkeit bewogen haben, so hätte ich freilich meine Absicht verfehlt, wo und wie ich es am wenigsten wünsche. Dagegen erfreut es mich desto mehr, daß, wie ich es hoffte, die Darstellung der idealistischen Denkungsart ganz anders gewirkt hat als die Darstellung der Theorie, und ich muß sagen: es freut mich auch, daß Sie aufmerksam darauf gemacht haben. Man hat hierin meiner Einsicht nach dieser Philosophie ein großes Unrecht getan und ihr unbedingt zugerechnet, was nur einige Philosophen verschuldet haben. Fichte zuerst hat es recht mit klaren Worten gesagt, was für einen Einfluß der Charakter auf das Ergreifen eines philosophischen Systems hat; er erstreckt sich auch auf die Art, wie man es ausbildet, und in diesem Sinne muß der Satz auf Fichte selbst vor allen anderen angewendet werden. Man kann innerhalb des Idealismus – denn von dem, was außerhalb desselben liegt, will ich gar nicht reden – nicht stärker entgegengesetzt sein als er und ich. Wir beide sind uns dessen auch bewußt, und Fichte würde über alle meine Arbeiten noch weit härtere Sachen sagen, als ich im Athenäum über die Bestimmung des Menschen gesagt habe und bei einer anderen Gelegenheit über seine Moral sagen werde, ja er würde mich gar nicht dulden auf dem Gebiete der Philosophie, wenn er nicht in diesen Angelegenheiten ein gewisses Klugheitssystem hätte, vermöge dessen er mich lächelnd gewähren läßt. Bei dieser großen Verschiedenheit hat es mir immer für die Philosophie leid getan, daß auch vertrautere Schüler von Fichte das Meinige für das Seinige halten konnten, weil ich eben daraus ersah, daß auch diese nicht so weit gekommen waren, das, was Fichte eigentümlich ist, von dem Wesen seiner Philosophie mit Bewußtsein zu trennen. Ihr Freund hat es hierin weiter gebracht und hatte freilich sehr recht bei dem ersten Wort, welches von Freundschaft vorkam, Fichten die Monologen abzusprechen; denn nach seiner Sittenlehre zu urteilen scheint es, als ob die Freundschaft mit zu den Dingen gehörte, wozu man keine Zeit haben soll. Indes ist doch der Hauptpunkt unserer Verschiedenheit, daß ich nämlich die von Fichte so oft festgestellte und so dringend postulierte gänzliche Trennung des | Lebens vom Philosophieren nicht anerkenne, auch im ersten Monologen schon stark genug angedeutet.
Eine andere Trennung, welche ich mache, ist Ihnen dagegen unverständlich, nämlich zwischen der Kunst und dem Leben, dem Werke bilden und dem sich selbst bilden. Gern will ich versuchen, mich darüber bei Ihnen zu rechtfertigen, obgleich ich weiß, daß es mir schwer werden wird, weil eben dies bei mir von lebendiger Anschauung ausgegangen ist und also die Mitteilung darauf beruht, daß diese Anschauung auch in Ihnen entstehe. Daß ich Ihre Haupteinteilung auch annehme, werden Sie nicht bezweifeln; jene aber geht von einem anderen Grunde aus und koinzidiert nicht mit dieser, und eben dieses wahrgenommene Nichtkoinzidieren hat mich darauf gebracht und ist das einzige, was ich Ihnen mitteilen kann. Wenn Sie die Werke eines wahren Künstlers betrachten, eines dichtenden oder eines bildenden – ich bitte Sie aber nur an neue zu denken, denn bei den alten war die Kunst ganz etwas anderes – so werden Sie allemal urteilen müssen, daß er Wahrnehmungen von dem Inneren und Höheren der Menschheit gehabt haben müsse; denn wo Sie diese nicht finden, lassen Sie ihn gar nicht für einen wahren Künstler gelten. Nehmen Sie nur die Gedichte von Goethe und Tieck, die Darstellungen von Rafael und Mengs, müssen Sie nicht gestehen, daß das Höchste der sittlichen Natur darin aufgefaßt ist? Nun sehen Sie das Leben dieser Künstler an, wie es sich jedem darstellt. Von Rafael wissen wir alle, daß er bei einiger Anlage zu religiöser Schwärmerei ein gewöhnlicher Débauché war; Goethe hat nicht einmal verstanden, eine ordentliche Ehe zu knüpfen, er hat sich in Italien mit gemeinen Mädchen herumgetrieben, mit denen er von dem Höheren der Liebe, welches er so wohl verstanden hat und so schön zu schildern weiß, gar keinen Gebrauch machen konnte, und nicht viel besser ist ebenso notorisch die Verbindung, in welcher er jetzt lebt. Ähnliche Fingerzeige könnte ich von mehreren Künstlern geben, die keine öffentliche Personen sind und deren Leben also nicht so notorisch ist. Sehen Sie andere Künstler an, welche wenigstens einen bestimmten Charakter als Menschen haben, ob sie wohl imstande sind, das, was das Beste in ihnen ist, in Kunstwerken auszusprechen. Von Voß z. B. ist nichts so sehr Kunstwerk als seine Idyllen, und in diesen ist durchaus die mimische Darstellung der gemeinen Natur das Beste, und wo er das Innere des Gemütes abbilden will, mißlingt es entweder, oder er fällt wieder in die Beschreibung des Äußeren zurück. Oder auf der anderen Seite Friedrich Schlegel, der eine so bestimmte Individualität hat und mit allen seinen Studien und Anschauungen so sehr ins Tiefe geht; dieser strebt freilich darnach, das Tiefste aus sich selbst darzustellen; aber eben da verläßt ihn sein Künstlertalent. Überall werden Sie diese Entgegensetzung finden: je mehr Individualität, je weniger Anlage zur Kunst; je mehr Künstler | gabe, desto weniger innere Individualität; je schneller das Eine fortschreitet, desto langsamer das andere. Kurz, diese Art von Sinn kann ganz isoliert sein und hat also auch ein eigenes Prinzip.
Ich wollte, Sie hätten mir über manches andere, z. E. über die Progressen zwischen der persönlichen, Familien- und politischen Existenz und über die Lehre vom Tode eben so Ihre Meinung eröffnet. Über die Erhebung der Phantasie werden wir wohl im Grunde einig sein, wenn Sie das Wort nur nicht in einem zu beschränkten Sinn nehmen, sondern dabei an die letzte Wurzel aller der Erscheinungen denken, die man gewöhnlich mit diesem Namen belegt, aus welcher, wenn man sie recht betrachtet, alles Vortreffliche in der menschlichen Natur hervorgeht. Phantasie ist mir ganz dasselbe an theoretischem Vermögen, was Freiheit im praktischen ist. Ihre Klage, daß ich nur Gegner bilde, hat mir auch Hülsen – wenn Sie diesen dem Namen nach kennen – schon gemacht. Das Motto meiner Polemik ist das Wort des göttlichen Platon: οιδα γàρ οτι ολιγοις τισì ταυτα καì δοκει καì δóξει οις δ'ουτω δéδοκται καì οις μη, τουτοις ουκ εστι κοινη βουλη,αλλ' αναγκη τουτους αλληλων καταφρονειν, ορωντας αλληλων τα βουλευματα. Eines anderen bin ich mir nicht bewußt. Auch glaube ich durch das Äußere dieser Polemik nichts auszurichten, wie ich überhaupt auf das Reden wenig halte; aber wo ich mich selbst ausspreche, muß sie mitausgesprochen werden, und natürlich muß sie am lebendigsten aufglimmen, wenn man ganz eigentlich daran denkt und davon redet, wie die Menschen gemeinschaftlich die Welt machen sollten. Sie haben recht, daß von den Erscheinungen dieses Widerstreites zunächst vieles davon herkommt, daß wir einander nicht verstehen; allein dies geht wieder ineinander zurück, denn es würde keine Verwirrung in der Sprache geben, wenn es keine in den Gesinnungen gäbe.
Doch dies mag endlich einmal für jetzt von unseren Meinungen genug sein, und sie sollen mir den Raum nicht benehmen, Ihnen zu sagen, wie ich mich über das, was Sie mir von sich selbst erzählen, gefreut habe. Besonders über alle Vorzüge, die Ihnen darin vor mir zuteil geworden sind. Nur ein paar Jahre älter als ich und schon Vater von fünf Kindern und Mitvater von so vielen andern! dagegen ich noch als ein Jüngling in der Welt umherlaufe. Das Erziehen habe ich zwar auch schon versucht, aber nur als Hofmeister, und Sie werden auch wohl nicht statuieren, daß dies eine Erziehung ist. Leben sehen möchte ich Sie schon unter Ihren Kindern und Zöglingen; dann möchte ich auch über Erziehung, inwiefern sie zu statuieren ist, mit Ihnen reden. Hierüber denke ich wunderlich genug; ich glaube meiner Sache gewiß | zu sein, aber behaupten kann ich nichts darüber, bis ich meine Ideen einmal realisiert habe oder wenigstens den Versuch damit machen kann. Nun die Zeit wird ja auch kommen. Zu Ihnen zu kommen ist mir dieses Jahr nicht vergönnt; die Hoffnung aber, die schönen westlichen Gegenden Deutschlands künftig einmal zu sehen, gebe ich nicht auf.
Lassen Sie uns indes die Vereinigung unserer Tätigkeit auf dem gemeinschaftlichen Felde anfangen. Ihre Bibliothek hat mir viel Achtung eingeflößt, und ich dächte, mit diesem Geiste und dieser Gründlichkeit sollte sie sich bald das Übergewicht über die meisten ähnlichen Institute verschaffen. Für mein Mitarbeiten daran ist freilich die große Entfernung sehr ungünstig; aber da ich viel Lust dazu habe, werde ich es auf die Gefahr, bisweilen mit diesem und jenem zu spät zu kommen, immer wagen. Ich hoffe, Ihnen mit Meßgelegenheit einiges schicken zu können, so auch ein paar Arbeiten für das Praktische Journal, alles, falls Sie es brauchen können. Wenn Sie für das Predigt-Magazin einen Auszug jener Bettagspredigt wünschen, so, dächte ich, übernehmen Sie diese kleine Mühe selbst; die Predigt ist Ihnen dazu von Herzen gern überlassen. Gewiß würde ich es weniger gut machen, teils weil überhaupt das Umarbeiten eigener Sachen für bestimmte Zwecke selten gelingt, teils weil ich die Bedürfnisse, welche Sie vorzüglich im Auge haben, nicht so genau kenne. Sie werden auch mit der Messe ein Exemplar von meiner Predigtsammlung erhalten, und ich bitte Sie im voraus mir darüber in der Folge Ihre Meinung so detailliert, als es Ihnen möglich ist, zu sagen. Da Ihre Bibliothek die schöne Manier angenommen hat, mit dem Rezensieren eigene Gedanken in weitrer Ausdehnung, als gewöhnlich ist, zu verbinden, so nehme ich vielleicht einmal eine schickliche Gelegenheit wahr, über das Predigen in technischer Hinsicht meine Ideen zu eröffnen, wozu es mir bisher nur an Raum und Zeit gefehlt hat.
Die Zeit überhaupt ist meine ewige Klage; sie reicht nie hin zu dem, was ich will, da ich mich nicht enthalten kann, auch schon jetzt, da ich noch keine Familie ausmache, neben dem Arbeiten leben zu wollen und in der großen Stadt selbst bei einer seltenen Eingezogenheit so viele Zeit mit nichts verloren geht; denn Eingezogenheit vergönnt mir die hier herrschende Denkart genug. Sie kennen ja den gewaltigen Krieg, den man hier gegen die Denkart erhoben hat, die man eine Partei nennt, zu welcher man denn auch mich mit Gewalt zählen will. Nicht das Athenäum ist es, was Hrn. Falk, Nicolai und andere bewogen hat, eine feindselige Notiz von mir zu nehmen, sondern meine | persönliche Freundschaft für Friedrich Schlegel, wie denn in der ganzen Sache [mehr] von Persönlichkeiten ausgegangen wird, als man denken sollte. Die kleinen Verdrießlichkeiten, welche aus dieser Parteisucht und aus der Verwirrung und Verwechselung der literarischen und geselligen Verhältnisse entstehen, sind mit den Prüfungen, welche die Zeitläufte Ihnen gezogen haben, nicht zu vergleichen; indes muß ich mir doch auch das Zeugnis geben, daß sie mein Gemüt nicht affizieren und mich weder in meinem geraden Fortwandeln für mich, noch in meinem allgemeinen Wohlwollen stören. Ich habe mir vorgenommen, diese unnützen Fehden mögen steigen, so hoch sie wollen, so ganz still zu sein, daß man am Ende an meiner Existenz, von der seit kurzem etwas zu verlauten anfängt, wieder zweifeln soll. Über meinen Freund Schlegel und das, was Sie über ihn sagen, und was im ganzen sehr gegründet ist, ein andermal, sowie über vieles andere, was ich unberührt lassen muß, wenn ich den Brief nicht wieder liegen lassen will. Nur noch eine Frage: Heißt der eine von Ihren Freunden Namens Creuzer Leonhard? Es hat mich vor mehreren Jahren einer dieses Namens durch eine Schrift über die Freiheit des Willens – welche während der inneren Gärung dieses Wesens der einzige Gegenstand war, an den ich denken konnte – sehr interessiert. Auch seitdem ist mir sein Namen in literarischer Hinsicht öfters vorgekommen, aber da ich dies alles, solche Notizen, nur sehr flüchtig ansehe und überdies fast gar kein Gedächtnis für dergleichen Einzelheiten habe, so weiß ich nicht bestimmt, wessen sich die Literatur seitdem von ihm zu rühmen hat [...]
nicht nur wegen der Art, wie Sie die darin ausgesprochene Gesinnung ansehen, denn das wußte ich schon unmittelbar von Ihnen, sondern besonders auch, daß die theoretische Tendenz, die mir immer vor Augen schwebt, Ihnen nicht nur nicht entgangen ist, sondern wir uns auch hier auf demselben Wege, wenigstens auf dem Wege zu demselben Ziele befinden. Die Vereinigung des Idealismus und des Realismus ist das, worauf mein ganzes Streben gerichtet ist, und ich habe darauf nach Vermögen hingedeutet in den Reden sowohl als in den Monologen; aber freilich liegt der Grund davon sehr tief, und es wird nicht leicht sein, beiden Parteien den Sinn dafür zu öffnen. Schlegel, der schon so viel dahin Abzielendes gesagt hat, wird nicht verstanden, und meine Sachen hat man wohl anderwärts noch gar nicht darauf angesehen. Auch kann freilich eher nichts gründlich darin getan werden, bis man klarer und allgemeiner einsieht, daß und warum die Philosophie für sich allein durchaus idealistisch ist, und daß es eine jede immer gewesen ist und immer sein wird, auch die gar nicht so aussieht.
Sehr begierig bin ich auf das, was Sie vom Mystizismus zu sagen versprechen, denn in dem rechten Verständnis dieser Denkart und ihres Grundes liegt unstreitig der letzte Knoten.
Von einer Vereinigung des Christentums mit der Philosophie kann ich mir nichts Bestimmtes denken. Was wollen Sie vereinigen, wo gar kein Streit ist? Die Religion kann nicht umhin, die philosophierende Anlage im Menschen anzuerkennen, und das tut sie auch wohl jetzt durchaus; und ebenso kann man die Philosophie nötigen, die religiöse Stimmung anzuerkennen, wenn sie sich gleich etwas ungebärdig dabei anstellt. Es ist eine meiner Absichten gewesen bei den Reden, dies von Seiten der Logik aus zu tun, und es kann von seiten der Moral auch wohl geschehen, nur etwas anders, als man es bisher angefangen hat. Ist dies geschehen, so darf man sie nur auseinanderhalten, daß keine in das Gebiet der anderen streife; denn ein Gemeinschaftliches haben sie gar nicht; so ist allem scheinbaren Streit vorgebeugt. |
Indes gestehe ich Ihnen: bei dieser, wie es scheint, großen Gleichheit unserer Hauptansicht begreife ich nicht, wie Sie in den Reden das Einseitige so dominierend haben finden können, und mich verlangt sehr dieses Stück, welches ich mir schon sehr lange bestellt habe, endlich zu erhalten. Sollte bloß die polemische Gestalt des Ganzen Sie zu dem Schluß auf eine innere Einseitigkeit bewogen haben, so hätte ich freilich meine Absicht verfehlt, wo und wie ich es am wenigsten wünsche. Dagegen erfreut es mich desto mehr, daß, wie ich es hoffte, die Darstellung der idealistischen Denkungsart ganz anders gewirkt hat als die Darstellung der Theorie, und ich muß sagen: es freut mich auch, daß Sie aufmerksam darauf gemacht haben. Man hat hierin meiner Einsicht nach dieser Philosophie ein großes Unrecht getan und ihr unbedingt zugerechnet, was nur einige Philosophen verschuldet haben. Fichte zuerst hat es recht mit klaren Worten gesagt, was für einen Einfluß der Charakter auf das Ergreifen eines philosophischen Systems hat; er erstreckt sich auch auf die Art, wie man es ausbildet, und in diesem Sinne muß der Satz auf Fichte selbst vor allen anderen angewendet werden. Man kann innerhalb des Idealismus – denn von dem, was außerhalb desselben liegt, will ich gar nicht reden – nicht stärker entgegengesetzt sein als er und ich. Wir beide sind uns dessen auch bewußt, und Fichte würde über alle meine Arbeiten noch weit härtere Sachen sagen, als ich im Athenäum über die Bestimmung des Menschen gesagt habe und bei einer anderen Gelegenheit über seine Moral sagen werde, ja er würde mich gar nicht dulden auf dem Gebiete der Philosophie, wenn er nicht in diesen Angelegenheiten ein gewisses Klugheitssystem hätte, vermöge dessen er mich lächelnd gewähren läßt. Bei dieser großen Verschiedenheit hat es mir immer für die Philosophie leid getan, daß auch vertrautere Schüler von Fichte das Meinige für das Seinige halten konnten, weil ich eben daraus ersah, daß auch diese nicht so weit gekommen waren, das, was Fichte eigentümlich ist, von dem Wesen seiner Philosophie mit Bewußtsein zu trennen. Ihr Freund hat es hierin weiter gebracht und hatte freilich sehr recht bei dem ersten Wort, welches von Freundschaft vorkam, Fichten die Monologen abzusprechen; denn nach seiner Sittenlehre zu urteilen scheint es, als ob die Freundschaft mit zu den Dingen gehörte, wozu man keine Zeit haben soll. Indes ist doch der Hauptpunkt unserer Verschiedenheit, daß ich nämlich die von Fichte so oft festgestellte und so dringend postulierte gänzliche Trennung des | Lebens vom Philosophieren nicht anerkenne, auch im ersten Monologen schon stark genug angedeutet.
Eine andere Trennung, welche ich mache, ist Ihnen dagegen unverständlich, nämlich zwischen der Kunst und dem Leben, dem Werke bilden und dem sich selbst bilden. Gern will ich versuchen, mich darüber bei Ihnen zu rechtfertigen, obgleich ich weiß, daß es mir schwer werden wird, weil eben dies bei mir von lebendiger Anschauung ausgegangen ist und also die Mitteilung darauf beruht, daß diese Anschauung auch in Ihnen entstehe. Daß ich Ihre Haupteinteilung auch annehme, werden Sie nicht bezweifeln; jene aber geht von einem anderen Grunde aus und koinzidiert nicht mit dieser, und eben dieses wahrgenommene Nichtkoinzidieren hat mich darauf gebracht und ist das einzige, was ich Ihnen mitteilen kann. Wenn Sie die Werke eines wahren Künstlers betrachten, eines dichtenden oder eines bildenden – ich bitte Sie aber nur an neue zu denken, denn bei den alten war die Kunst ganz etwas anderes – so werden Sie allemal urteilen müssen, daß er Wahrnehmungen von dem Inneren und Höheren der Menschheit gehabt haben müsse; denn wo Sie diese nicht finden, lassen Sie ihn gar nicht für einen wahren Künstler gelten. Nehmen Sie nur die Gedichte von Goethe und Tieck, die Darstellungen von Rafael und Mengs, müssen Sie nicht gestehen, daß das Höchste der sittlichen Natur darin aufgefaßt ist? Nun sehen Sie das Leben dieser Künstler an, wie es sich jedem darstellt. Von Rafael wissen wir alle, daß er bei einiger Anlage zu religiöser Schwärmerei ein gewöhnlicher Débauché war; Goethe hat nicht einmal verstanden, eine ordentliche Ehe zu knüpfen, er hat sich in Italien mit gemeinen Mädchen herumgetrieben, mit denen er von dem Höheren der Liebe, welches er so wohl verstanden hat und so schön zu schildern weiß, gar keinen Gebrauch machen konnte, und nicht viel besser ist ebenso notorisch die Verbindung, in welcher er jetzt lebt. Ähnliche Fingerzeige könnte ich von mehreren Künstlern geben, die keine öffentliche Personen sind und deren Leben also nicht so notorisch ist. Sehen Sie andere Künstler an, welche wenigstens einen bestimmten Charakter als Menschen haben, ob sie wohl imstande sind, das, was das Beste in ihnen ist, in Kunstwerken auszusprechen. Von Voß z. B. ist nichts so sehr Kunstwerk als seine Idyllen, und in diesen ist durchaus die mimische Darstellung der gemeinen Natur das Beste, und wo er das Innere des Gemütes abbilden will, mißlingt es entweder, oder er fällt wieder in die Beschreibung des Äußeren zurück. Oder auf der anderen Seite Friedrich Schlegel, der eine so bestimmte Individualität hat und mit allen seinen Studien und Anschauungen so sehr ins Tiefe geht; dieser strebt freilich darnach, das Tiefste aus sich selbst darzustellen; aber eben da verläßt ihn sein Künstlertalent. Überall werden Sie diese Entgegensetzung finden: je mehr Individualität, je weniger Anlage zur Kunst; je mehr Künstler | gabe, desto weniger innere Individualität; je schneller das Eine fortschreitet, desto langsamer das andere. Kurz, diese Art von Sinn kann ganz isoliert sein und hat also auch ein eigenes Prinzip.
Ich wollte, Sie hätten mir über manches andere, z. E. über die Progressen zwischen der persönlichen, Familien- und politischen Existenz und über die Lehre vom Tode eben so Ihre Meinung eröffnet. Über die Erhebung der Phantasie werden wir wohl im Grunde einig sein, wenn Sie das Wort nur nicht in einem zu beschränkten Sinn nehmen, sondern dabei an die letzte Wurzel aller der Erscheinungen denken, die man gewöhnlich mit diesem Namen belegt, aus welcher, wenn man sie recht betrachtet, alles Vortreffliche in der menschlichen Natur hervorgeht. Phantasie ist mir ganz dasselbe an theoretischem Vermögen, was Freiheit im praktischen ist. Ihre Klage, daß ich nur Gegner bilde, hat mir auch Hülsen – wenn Sie diesen dem Namen nach kennen – schon gemacht. Das Motto meiner Polemik ist das Wort des göttlichen Platon: οιδα γàρ οτι ολιγοις τισì ταυτα καì δοκει καì δóξει οις δ'ουτω δéδοκται καì οις μη, τουτοις ουκ εστι κοινη βουλη,αλλ' αναγκη τουτους αλληλων καταφρονειν, ορωντας αλληλων τα βουλευματα. Eines anderen bin ich mir nicht bewußt. Auch glaube ich durch das Äußere dieser Polemik nichts auszurichten, wie ich überhaupt auf das Reden wenig halte; aber wo ich mich selbst ausspreche, muß sie mitausgesprochen werden, und natürlich muß sie am lebendigsten aufglimmen, wenn man ganz eigentlich daran denkt und davon redet, wie die Menschen gemeinschaftlich die Welt machen sollten. Sie haben recht, daß von den Erscheinungen dieses Widerstreites zunächst vieles davon herkommt, daß wir einander nicht verstehen; allein dies geht wieder ineinander zurück, denn es würde keine Verwirrung in der Sprache geben, wenn es keine in den Gesinnungen gäbe.
Doch dies mag endlich einmal für jetzt von unseren Meinungen genug sein, und sie sollen mir den Raum nicht benehmen, Ihnen zu sagen, wie ich mich über das, was Sie mir von sich selbst erzählen, gefreut habe. Besonders über alle Vorzüge, die Ihnen darin vor mir zuteil geworden sind. Nur ein paar Jahre älter als ich und schon Vater von fünf Kindern und Mitvater von so vielen andern! dagegen ich noch als ein Jüngling in der Welt umherlaufe. Das Erziehen habe ich zwar auch schon versucht, aber nur als Hofmeister, und Sie werden auch wohl nicht statuieren, daß dies eine Erziehung ist. Leben sehen möchte ich Sie schon unter Ihren Kindern und Zöglingen; dann möchte ich auch über Erziehung, inwiefern sie zu statuieren ist, mit Ihnen reden. Hierüber denke ich wunderlich genug; ich glaube meiner Sache gewiß | zu sein, aber behaupten kann ich nichts darüber, bis ich meine Ideen einmal realisiert habe oder wenigstens den Versuch damit machen kann. Nun die Zeit wird ja auch kommen. Zu Ihnen zu kommen ist mir dieses Jahr nicht vergönnt; die Hoffnung aber, die schönen westlichen Gegenden Deutschlands künftig einmal zu sehen, gebe ich nicht auf.
Lassen Sie uns indes die Vereinigung unserer Tätigkeit auf dem gemeinschaftlichen Felde anfangen. Ihre Bibliothek hat mir viel Achtung eingeflößt, und ich dächte, mit diesem Geiste und dieser Gründlichkeit sollte sie sich bald das Übergewicht über die meisten ähnlichen Institute verschaffen. Für mein Mitarbeiten daran ist freilich die große Entfernung sehr ungünstig; aber da ich viel Lust dazu habe, werde ich es auf die Gefahr, bisweilen mit diesem und jenem zu spät zu kommen, immer wagen. Ich hoffe, Ihnen mit Meßgelegenheit einiges schicken zu können, so auch ein paar Arbeiten für das Praktische Journal, alles, falls Sie es brauchen können. Wenn Sie für das Predigt-Magazin einen Auszug jener Bettagspredigt wünschen, so, dächte ich, übernehmen Sie diese kleine Mühe selbst; die Predigt ist Ihnen dazu von Herzen gern überlassen. Gewiß würde ich es weniger gut machen, teils weil überhaupt das Umarbeiten eigener Sachen für bestimmte Zwecke selten gelingt, teils weil ich die Bedürfnisse, welche Sie vorzüglich im Auge haben, nicht so genau kenne. Sie werden auch mit der Messe ein Exemplar von meiner Predigtsammlung erhalten, und ich bitte Sie im voraus mir darüber in der Folge Ihre Meinung so detailliert, als es Ihnen möglich ist, zu sagen. Da Ihre Bibliothek die schöne Manier angenommen hat, mit dem Rezensieren eigene Gedanken in weitrer Ausdehnung, als gewöhnlich ist, zu verbinden, so nehme ich vielleicht einmal eine schickliche Gelegenheit wahr, über das Predigen in technischer Hinsicht meine Ideen zu eröffnen, wozu es mir bisher nur an Raum und Zeit gefehlt hat.
Die Zeit überhaupt ist meine ewige Klage; sie reicht nie hin zu dem, was ich will, da ich mich nicht enthalten kann, auch schon jetzt, da ich noch keine Familie ausmache, neben dem Arbeiten leben zu wollen und in der großen Stadt selbst bei einer seltenen Eingezogenheit so viele Zeit mit nichts verloren geht; denn Eingezogenheit vergönnt mir die hier herrschende Denkart genug. Sie kennen ja den gewaltigen Krieg, den man hier gegen die Denkart erhoben hat, die man eine Partei nennt, zu welcher man denn auch mich mit Gewalt zählen will. Nicht das Athenäum ist es, was Hrn. Falk, Nicolai und andere bewogen hat, eine feindselige Notiz von mir zu nehmen, sondern meine | persönliche Freundschaft für Friedrich Schlegel, wie denn in der ganzen Sache [mehr] von Persönlichkeiten ausgegangen wird, als man denken sollte. Die kleinen Verdrießlichkeiten, welche aus dieser Parteisucht und aus der Verwirrung und Verwechselung der literarischen und geselligen Verhältnisse entstehen, sind mit den Prüfungen, welche die Zeitläufte Ihnen gezogen haben, nicht zu vergleichen; indes muß ich mir doch auch das Zeugnis geben, daß sie mein Gemüt nicht affizieren und mich weder in meinem geraden Fortwandeln für mich, noch in meinem allgemeinen Wohlwollen stören. Ich habe mir vorgenommen, diese unnützen Fehden mögen steigen, so hoch sie wollen, so ganz still zu sein, daß man am Ende an meiner Existenz, von der seit kurzem etwas zu verlauten anfängt, wieder zweifeln soll. Über meinen Freund Schlegel und das, was Sie über ihn sagen, und was im ganzen sehr gegründet ist, ein andermal, sowie über vieles andere, was ich unberührt lassen muß, wenn ich den Brief nicht wieder liegen lassen will. Nur noch eine Frage: Heißt der eine von Ihren Freunden Namens Creuzer Leonhard? Es hat mich vor mehreren Jahren einer dieses Namens durch eine Schrift über die Freiheit des Willens – welche während der inneren Gärung dieses Wesens der einzige Gegenstand war, an den ich denken konnte – sehr interessiert. Auch seitdem ist mir sein Namen in literarischer Hinsicht öfters vorgekommen, aber da ich dies alles, solche Notizen, nur sehr flüchtig ansehe und überdies fast gar kein Gedächtnis für dergleichen Einzelheiten habe, so weiß ich nicht bestimmt, wessen sich die Literatur seitdem von ihm zu rühmen hat [...]