Gdfr d 13July 1801
Bald sind es 8 Tage daß ich im Besiz des so lang und sehnlich gewünschten Briefes bin – und noch habe ich Dir kein Wort darüber gesagt – jener Mitwoch da ich ihn erhielt gehört unter die frohesten Tage die ich seit langer Zeit hatte doch davon nächstens mehr. Die große Freude über Deinen lieben Brief mein inigstgeliebter Bruder wurde freilich durch die in Erfüllung ausgegangne Ahndung gar sehr gemäßigt daß diese lange Epistel kaum die Antwort auf meine lezte – aber auf die beiden vorhergehenden gar nichts enthalten würde[,] diesesmahl hätte ich es so inig gewünscht Deine Meinung und Mitgefühl über so manches zu wißen – doch Du hast mich auf eine andre Art regalirt und mein ganzes inres sagt Dir vielen Dank dafür – vielleicht holst Du noch so manches nach – denn ich wunderte mich nicht wenig doch so gar nichts über den Freiherrn Peistel oder Pitoyable (wie er seit geraumer Zeit genant zu werden verdient) zu lesen – ich hoffe aber Du hast alles verstanden und zu Herzen genomen was ich Dir von ihm erzählt – daß er im CarlsBade ist wirst Du wohl erwägt haben – in den ersten 4 Wochen seiner Abwesenheit hielt mich meine Kränklichkeit ab ihrer Einladung zu folgen einen Mittag oder Abend da zu verbringen – diese Woche aber werde ich wohl nach 4 emmahl hinunter d. h. auf den Glazhof spazieren – um mich bei ihr zu ennuiren – ach wenn es möglich wäre auf das Papier alle die Cabalen und überhaupt die ganze Geschichte abzufaßen – die sie unterdeßen gespielt so würdest Du Dich nicht wundern daß mich ihre schrekliche dumme Eifersucht auf die schon einmahl erwähnte Person – imer mehr von ihrem Herzen entfernt – und wie ich für seine Zurükkunft Seinetwegen bange bin – wenn er irgend etwas in Sachsen oder im Bade davon erfährt – so ist alles umsonst – er wird nicht beßer. |
Heute sind es 14 Tage daß ich Deinen und Charles Brief erhielt – und spät Abends die Freude hatte den OberForstmeister von Schüz mit seiner jungen Frau einer geborenen von Wedell hier zu sehn – und einige recht trauliche Stunden mit ihnen zu verleben – Schüz nehmlich Dein NahmensBruder ein Sohn der alten verstorbnen Hofmarschaln in Ples – lebt jezt in Fuerstenstein – und durch ihn (der mich überhaupt recht herzlich und bieder behandelte) habe ich jezt starke Hofnung vielleicht noch dis Jahr nach Fürstenstein zu komen – indem er ganz dreist sagen wird, daß man mich hier nicht gehen läst wenn meine alte Freundin nicht selbst mich verlangt und abholen läst – recht liebevoll ohne vieles Wortgepränge erkundigte er sich nach Dir und äußerte daß sich ihm der Wunsch recht oft aufdränge den Bruder Friz zu sehen – kurz jener Tag war äußerst angenehm für mich – alte Bekante und Nachricht von denen nächsten Lieben – ach das thut wohl! Mein ganzes Wesen ist von Deinen Verhältnißen – von Charles noch imer peinigenden Ungewißheit – und von andren Verhältnißen mir lieber Menschen so wunderbar ergriffen daß es mir gar nicht möglich war zu schreiben auch greift mich seit geraumer Zeit nichts so an als diese meine LieblingsBeschäftigung – ich muß schon aufhören aber heute noch einmahl anfangen – ach wie kan es so ganz anders mit dem Menschen werden – und wie kan eine geringe Kleinigkeit uns auf lange verstimmen! – |
Während der GemeinStunde (in welcher Nachrichten von einem schlechten Vorleser mitgetheilt werden) habe ich einen Solo The verzehrt – d. h. mit etwas Wein – denn meine trefliche Aulock hat mir eine bouteille Ungar zu meinem SelterWaßer geschikt – wovon ich vormittag um 11 uhr immer etwas unter eine Taße Brunen menge – welches beides meinem Magen und Gaumen sehr wohl thut – leider ist die Herrlichkeit bald alle – vielleicht komt unterdeß Geld von Dir denn ich kan mir eher nichts dergleichen holen, bis ich den vorigen Rest – beinahe 4 Tahler bezahlt habe – – doch jezt was anders, recht innigen herzlichen Dank für den Wieland und das Papier – von lezterem habe ich noch keinen Gebrauch gemacht – wohl aber mit jenem Du weist ja daß es zur Nachfeyer des 31ten Merz gemeint war – und so hatte es auch die Zeichnerin verabredet – um derentwillen ich Dich eigentlich darum ersucht hatte, bald nach dem Empfang mich zu einem Caffe zu bitten – welches dan einige Tage drauf früh morgens geschah – wir waren von 6 bis 9 zusammen sie las mir den Phanias vor – in welchem wir manches wahrscheinlich von Dir unterstrichen fanden. Die Strophe – O Zauberey der ersten Liebe! O Wonnetage gleich den Stunden Noch glüklich wenn vielmehr ihr Aschenkrug umringt von traurigen Cipreßen[;] hier fiel mir die Grunow ein – morgen mehr gute Nacht.
„Wir sehen und hören nun in einem andern Sinn – Nun ist rings um ihn her die weite Schöpfung öd und leer! Doch welche Wonne welche Freuden!“ Alles ist aus dem Gedicht an Psiche – welches ich mir allein schon einige mahl gelesen – hier habe ich die lezten Zeilen aus der Strophe unterstrichen – Auch Dich Psicharion – schien unsre Freundtschaft zu beglüken. | Der Wonne fühlt indem Er Wonne giebt! und in der Olimpia O! welche Wonn in diesem Augenblike des Mitgefühls – ein Mensch und nur ein Mensch zu sein! wie wenig ist Genuß im ungetheilten Glüke – in ihren Freuden selbst sind Götter stets allein! Im Combabus welches mir die Rikern so heist die Zeichnerin auch zum erstenmahl vorlas – habe ich unterstrichen – Mann hüllt vergebens sich in seine Unschuld ein die Welt erkent die Tugend nur am Schein – Was hülf es ihm die Welt zu hintergehn – wenn mann erröthen muß in sich hinein zu sehn. – Auch Deinem schönen Herzen trau ich zu viel Empfindung zu um ungerührt zu sein bei meinem stummen Schmerze. Sack Grunow
In der Aspasia wunderte ich mich nichts angezeichnet zu finden da es doch so viel darin giebt – was treffend und schildernd ist vielleicht hast Du eben diese piece nicht durchgelesen! – Von der Glükseeligkeit der Geister – und von dem loswinden des Stoffes – doch zu was das alles! Einige Worte und Seelenvolle Blike in das innre des andern, würde alles entscheiden und enträtseln was genießbar und des Anschauens – oder des bewunderns werth ist – Ach aus einem süßen Traume hat Dein Brief mich gerißen – aber ich freue mich deßen noch heute ich kan diese herlichen Mahlereyen meiner Fantasie mit Wonne – unbereute Freuden heißen – |
Gnadenfrey den 26ten July Schon seit einigen Tagen gehe ich mit dem Vorsaz um morgen meinen Brief zu endigen – aber es wird nichts daraus – es geht seit geraumer Zeit recht hinkend mit meinem Schreiben wie Du es auch wohl meinem lezten Brief wirst abgemerkt haben – es fehlt mir gar nicht an Gegenständen zur Unterhaltung wohl aber an Worten, die mancherlei um mich her oder in mir schildern solten – ich fand das wieder recht lebhaft bei einer Unterredung heut vor 8 Tagen mit meiner Pritwiz die ich seit Ostern (Hieraus ist zu ersehen daß ich auch diese in der trüben Zeit nicht gesehen.) nicht gesehn habe – Sie hatte unterdeß viel HausCreuz aber das wie sie mich ahnden lies auch mit mancher Zerstreuung und daneben schönen Geistigen Genuß wechselte – ersteres berührte sie nur mit wenig Worten als eine bekante Sache – und nur vom lezteren besonders von ihrer Lectüre sprach sie (so abgebrochen auch wegen anderer Menschen unser Gespräch sein konte) mit einer Wärme feinem richtigen Urtheil und einem Tone, der mich gleichsam in höhere Regionen versezte – pries Jean Paul – Schiller – la Fontaine und Herder und war so vertraut mit ihnen als wenn sie täglich mit diesen Mänern umgienge – beklagte daß ich von dem ersteren (außer Deinen Auszügen) gar nichts – vom andern nur wenig und mit denen beiden leztern so viel wie ganz unbekant wäre – Herder scheint bei ihr über Alle hervorzuragen nur etwas las ich vor 5 Jahren aus seinen zerstreuten Blättern – – Sie will sehen ob sie mir vom erstern etwas verschaffen kann, damit ich nur eine Idée von ihm bekomme. | Unter allen diesen berühmten Mänern nante sie auch Wieland deßen Deutscher Mercur ihr vorzüglich werth – es freute sie daß ich die Musarion lese – wir kamen dabei auf eine Schriftstellerin zu sprechen – deren Buch wie sie sagt – sie ganz in sich aufgenomen hat – ich lese es jezt da sie mir es auf einige Tage geliehen – und finde es einzig – aber treflich! Für Frauen und Jungfrauen Zerstreute Blätter beschrieben von Maria Mnioch. Auch schikte sie mir das Taschenbuch für Damen von la Fontaine Huber und Pfefel für dieses Jahr worinen mancherley schönes – besonders aber eine Geschichte von Huber – die fast bei jedem Blatt mich an Dich erinerte – sowohl der ganze Inhalt als der Nahme des Weibes Grünau – doch Du müstest es auch lesen um mich ganz zu verstehen – und auch das zu faßen – wenn ich geheiratet hätte, ich würde ganz so fühlen wie dis Weib – o! es ist wahr und schön aber noch glüklicher sind, Alle, die von der Art Empfindungen nichts wißen. Deine Grunow beklage ich von ganzer Seele mehr als Dich – da sie fast augenbliklich in einem leidenden Zustand ist – und Du nur durch Mitgefühl zuweilen hinein versezt wirst und wenn es Dich ergreifen will oder hinreißen – zur edlen leidenschaftlosen Herz eilen kanst – aber, Sie! hat wohl vielleicht sonst weder Freund noch Freundin! Gott wie mich das Weib interressirt – schon einmahl trug ich Dir einen | Gruß an sie auf – Du erwähnst nichts ob Du ihn ausgerichtet hast[;] bitte es nachzuholen; nicht so ganz unerwartet kam mir der geäußerte Wunsch – auch glaube ich daß er erst augenbliklich so reif wurde aber eine theure Warheit ist es daß Du die Laage Deiner Freundin so schlimm als möglich damit gemacht hast – und die Deinige bei jedesmahligem Tete a tete auch verschlimmert – aber wozu alle die Uebertragungen an ihn auch sogar des so äußerst mißlichen Auftritts er verdient es nicht – hat nicht die Feinheit des Gefühls und der Beurtheilungskraft! hier fehlen mir wieder Ausdrüke! – –
Deine Verhältniße mit Sak sind doch auch sonderbar – und die immer zurük gehaltne Epistel die doch am Ende beleidigend für Dich war hat mir seinen Caracter in ein andres Licht oder eigentlich in Schatten gestelt – daß man es ihm nicht verdenken kann Dich väterlich zu warnen, und Dir die Dinge die Dir schädlich sein könen – oder doch nach seiner Ueberzeugung ihm so däuchten anzuzeigen das billige ich – nur muß man es vorher genau auf allen Seiten erwägen was man saget oder schreibet – und wie es wirken wird auf den Gegenstand den mann beßern will. Dein Benehmen dabei, wie Du seinen bittern Äußerungen so ganz ausgewichen – ihm nur Deine Empfänglichkeit für das was er eigentlich wolte – bezeugt – und bescheiden auseinander gesezt – alles das hat mich herzlich gefreut – so wie Deine Mittheilungen an den Grafen Alexander und Herz – ich habe recht mit Dir gefühlt |
Von Deinen Predigten habe ich durch Charles nichts gehört – hoffe aber daß mir nun bald eine in die Hände kommen wird ich habe ihm deswegen geschrieben aber wenn werde ich Antwort bekommen? Seit 4 Wochen weis ich nichts von ihm – Seine eigentliche Verheiratung war es wohl nicht die ich durchaus noch dis Jahr wünschte sondern nur seine Entfernung von Spieler vor dem Winter – weil mir in einer rauhen Jahreszeit seine dortigen Verhältniße sehr traurig und seiner Gesundheit nachtheilig scheinen – so kurz und wenig bedeudend auch die Schilderung sein solte die er mir davon gemacht – habe ich doch durchgeblikt – leider wird er wohl auf alle Fälle noch einen Winter dort verleben.
den 30ten Vorgestern Abend hatte ich wieder eine ganz eigne Ueberraschung die Frau des Pastor Wunsters erschien hier mit ihrer Tochter einem recht liebenswürdigen blühenden Mädgen von 16 Jahren – in den ersten Augenbliken war mir ihre Nachfrage nach mir nichts weniger als angenehm – weil mir die Frau vor 24 Jahren als Mademoiselle Hartmanin äußerst gleichgültig war aber der herzliche Gruß von allen Wunsters und so viele Mittheilungen von alten Bekanten und das wenige Wortgepränge mit welcher sie den Wunsch äußerte mich bald nebst Dir (wie Du es Wunstern wenn ich recht verstanden schriftlich versprochen) zu sehn, machten mir die 2 Stunden bis gegen 10 nur zu kurz – gestern früh habe ich noch dort gefrühstükt – gegen 6 uhr fuhr sie nach Reinerz ins Baad |
Daß bei einem solchen Besuch gleichsam mein ganzes inres aufgeregt wird und recht in den alten Zeiten schwelgt – ach an denen Jahren an denen man mit wahrer Inigkeit hängt weil sie unserm Leben seine eigentliche Richtung gaben, das darf ich Dir nicht erst sagen – auch wurden sie wieder alle recht lebhaft vor meiner Seele gezaubert die schönen Stunden mit ihren manichfaltigen Genüßen die ich mir in dem Gedanken Deines Besuchs ausgemahlt hatte – doch imer so daß sich nichts bittres darunter mischte – denn ich ergrif diesen Gedanken als RettungsBrett meiner Ruhe in jenen ersten Wochen meines, mir oft noch neuen WohnOrtes – als ich mich nicht nur verlaßen von meiner vorigen Geselschaft sondern auch in der peinigendsten Ungewißheit über alle meine Lieben fühlte – diese Beschäftigung meiner Phantasie gab mir manche helle Augenblike – und hielt mich so zu sagen noch vest auf diesem Erdenrund – ein Traum der einem so viel war bleibt einem imer angenehm – kaum wird das einstmalige Erwachen darüber so schön sein – weil leider eine Kleinigkeit unsern besten Genuß oft erhöhen oder trüben kann!!!
Für Deine zärtliche Theilnahme an der gehabten Stubenveränderung sagt Dir mein schwesterlich freundtschaftliches Herz den wärmsten Dank! daß ich nun weis was ich an Allen habe oder vielmehr finde ist richtig[;] eine darunter die vor 2 Jahren auch unten in der Stube wohnte schien zuerst die Bekantschaft oder vielmehr Traulichkeit die damahls von ihrer Seite mir war – nicht wieder anknüpfen zu wollen – hat sich aber doch ohne mein Zuthun gefunden – so daß wir zuweilen einige trauliche Worte oder Blike wechseln – – | auch bin ich wie gewöhnlich wenn es schön Wetter ist in den Zwischenzeiten meiner Schulen mit meinem Gestrik im Garten oder noch weiter[,] meine Angst ist nur der Winter – doch ich brenne seit ich Seidlizes verließ mein eigen Licht, so viel auch darüber geredet wird; wenn mich nur aus Osten und Westen die Menschen mit Büchern versorgen so wird auch diese unangenehme Lage erträglich werden; von Schlegels Uebersezung aus Shakespeare weis ich nichts als durch die Anzeige in den Zeitungen so wie von seinen andern Schriften – auch Florentin welchen die Pritwiz für ein Product Deines Schlegels hält – haben wir Beide noch nicht gelesen – vielleicht kanst Du mir etwas von Shakespeare verschaffen – glaube mir mein Lieber daß meine BücherQuelle mehrentheils bloßes Ungefähr ist – und daß ich das was ich eigentlich wünsche – entweder nie oder erst nach einigen Jahren bekomme, unter den Schriften eines Herders – Jean Paul – auch Schillers giebt es gewiß manches – was des oftmaligen Leesens werth ist – auch zur Nahrung meines Historischen Geschmaks fehlt viel viel um befriedigt zu werden – in deutscher Sprache habe ich noch nichts wie Schröck gelesen – wenn Du mir von diesem Gegenstand etwas wesentliches eignes verschaffen köntest – etwas schönes zusammengetragnes Ganzes oder Biographien von Helden der alten Geschichte auch hervorragender großer Geister – oder von der neuen – besonders England – oder des preußischen Staates – – kurz auch hierüber meine Wünsche zu äußern gehört eine mündliche Unterredung. Was meine Zeichnerin betrift – so kann ich vor jezt sagen daß unser ganzes Verhältniß durch diese Trenung gewonnen – | Wir haben manches solo ungestörter – doch Du müstest meine Riker sehen um alles zu faßen was von unsrer Freundtschaft zu sagen wäre in meinem nächsten mehr und recht viel von ihr – – Du hättest nichts besser thun könen als mir die traulichen Zeilen der Herz mitzutheilen – – ich habe dadurch mehr als durch viele Beschreibung in Sie hineingeblikt – Sie steht recht groß – edel und lieblich vor mir ja ich muß sagen ich habe etwas von ihr in mich aufgenommen.
ich schließe mit der dringenden Bitte mir bald nach Empfang dieses wenn es möglich Geld zu schiken – sonst geht es mir wie dem KammerHerr – alle meine Gläubiger wachen auf – eine solche unangenehme Geschichte über die erwähnten 4 Tahler hatte ich schon – Gott wie quälend ist dergleichen – thue was Dir möglich sonst hilft meine BrunnenCur nichts – wenn ich mich über Geld ärgere das ist mir hier das angreifendste! übrigens kann ich Dich versichern daß mich der Gebrauch des SelterWaßers stärkt – ich darf Dich wegen meiner Freimütigkeit doch nicht erst um Verzeihung bitten?
Lotte S.
Bald sind es 8 Tage daß ich im Besiz des so lang und sehnlich gewünschten Briefes bin – und noch habe ich Dir kein Wort darüber gesagt – jener Mitwoch da ich ihn erhielt gehört unter die frohesten Tage die ich seit langer Zeit hatte doch davon nächstens mehr. Die große Freude über Deinen lieben Brief mein inigstgeliebter Bruder wurde freilich durch die in Erfüllung ausgegangne Ahndung gar sehr gemäßigt daß diese lange Epistel kaum die Antwort auf meine lezte – aber auf die beiden vorhergehenden gar nichts enthalten würde[,] diesesmahl hätte ich es so inig gewünscht Deine Meinung und Mitgefühl über so manches zu wißen – doch Du hast mich auf eine andre Art regalirt und mein ganzes inres sagt Dir vielen Dank dafür – vielleicht holst Du noch so manches nach – denn ich wunderte mich nicht wenig doch so gar nichts über den Freiherrn Peistel oder Pitoyable (wie er seit geraumer Zeit genant zu werden verdient) zu lesen – ich hoffe aber Du hast alles verstanden und zu Herzen genomen was ich Dir von ihm erzählt – daß er im CarlsBade ist wirst Du wohl erwägt haben – in den ersten 4 Wochen seiner Abwesenheit hielt mich meine Kränklichkeit ab ihrer Einladung zu folgen einen Mittag oder Abend da zu verbringen – diese Woche aber werde ich wohl nach 4 emmahl hinunter d. h. auf den Glazhof spazieren – um mich bei ihr zu ennuiren – ach wenn es möglich wäre auf das Papier alle die Cabalen und überhaupt die ganze Geschichte abzufaßen – die sie unterdeßen gespielt so würdest Du Dich nicht wundern daß mich ihre schrekliche dumme Eifersucht auf die schon einmahl erwähnte Person – imer mehr von ihrem Herzen entfernt – und wie ich für seine Zurükkunft Seinetwegen bange bin – wenn er irgend etwas in Sachsen oder im Bade davon erfährt – so ist alles umsonst – er wird nicht beßer. |
Heute sind es 14 Tage daß ich Deinen und Charles Brief erhielt – und spät Abends die Freude hatte den OberForstmeister von Schüz mit seiner jungen Frau einer geborenen von Wedell hier zu sehn – und einige recht trauliche Stunden mit ihnen zu verleben – Schüz nehmlich Dein NahmensBruder ein Sohn der alten verstorbnen Hofmarschaln in Ples – lebt jezt in Fuerstenstein – und durch ihn (der mich überhaupt recht herzlich und bieder behandelte) habe ich jezt starke Hofnung vielleicht noch dis Jahr nach Fürstenstein zu komen – indem er ganz dreist sagen wird, daß man mich hier nicht gehen läst wenn meine alte Freundin nicht selbst mich verlangt und abholen läst – recht liebevoll ohne vieles Wortgepränge erkundigte er sich nach Dir und äußerte daß sich ihm der Wunsch recht oft aufdränge den Bruder Friz zu sehen – kurz jener Tag war äußerst angenehm für mich – alte Bekante und Nachricht von denen nächsten Lieben – ach das thut wohl! Mein ganzes Wesen ist von Deinen Verhältnißen – von Charles noch imer peinigenden Ungewißheit – und von andren Verhältnißen mir lieber Menschen so wunderbar ergriffen daß es mir gar nicht möglich war zu schreiben auch greift mich seit geraumer Zeit nichts so an als diese meine LieblingsBeschäftigung – ich muß schon aufhören aber heute noch einmahl anfangen – ach wie kan es so ganz anders mit dem Menschen werden – und wie kan eine geringe Kleinigkeit uns auf lange verstimmen! – |
Während der GemeinStunde (in welcher Nachrichten von einem schlechten Vorleser mitgetheilt werden) habe ich einen Solo The verzehrt – d. h. mit etwas Wein – denn meine trefliche Aulock hat mir eine bouteille Ungar zu meinem SelterWaßer geschikt – wovon ich vormittag um 11 uhr immer etwas unter eine Taße Brunen menge – welches beides meinem Magen und Gaumen sehr wohl thut – leider ist die Herrlichkeit bald alle – vielleicht komt unterdeß Geld von Dir denn ich kan mir eher nichts dergleichen holen, bis ich den vorigen Rest – beinahe 4 Tahler bezahlt habe – – doch jezt was anders, recht innigen herzlichen Dank für den Wieland und das Papier – von lezterem habe ich noch keinen Gebrauch gemacht – wohl aber mit jenem Du weist ja daß es zur Nachfeyer des 31ten Merz gemeint war – und so hatte es auch die Zeichnerin verabredet – um derentwillen ich Dich eigentlich darum ersucht hatte, bald nach dem Empfang mich zu einem Caffe zu bitten – welches dan einige Tage drauf früh morgens geschah – wir waren von 6 bis 9 zusammen sie las mir den Phanias vor – in welchem wir manches wahrscheinlich von Dir unterstrichen fanden. Die Strophe – O Zauberey der ersten Liebe! O Wonnetage gleich den Stunden Noch glüklich wenn vielmehr ihr Aschenkrug umringt von traurigen Cipreßen[;] hier fiel mir die Grunow ein – morgen mehr gute Nacht.
„Wir sehen und hören nun in einem andern Sinn – Nun ist rings um ihn her die weite Schöpfung öd und leer! Doch welche Wonne welche Freuden!“ Alles ist aus dem Gedicht an Psiche – welches ich mir allein schon einige mahl gelesen – hier habe ich die lezten Zeilen aus der Strophe unterstrichen – Auch Dich Psicharion – schien unsre Freundtschaft zu beglüken. | Der Wonne fühlt indem Er Wonne giebt! und in der Olimpia O! welche Wonn in diesem Augenblike des Mitgefühls – ein Mensch und nur ein Mensch zu sein! wie wenig ist Genuß im ungetheilten Glüke – in ihren Freuden selbst sind Götter stets allein! Im Combabus welches mir die Rikern so heist die Zeichnerin auch zum erstenmahl vorlas – habe ich unterstrichen – Mann hüllt vergebens sich in seine Unschuld ein die Welt erkent die Tugend nur am Schein – Was hülf es ihm die Welt zu hintergehn – wenn mann erröthen muß in sich hinein zu sehn. – Auch Deinem schönen Herzen trau ich zu viel Empfindung zu um ungerührt zu sein bei meinem stummen Schmerze. Sack Grunow
In der Aspasia wunderte ich mich nichts angezeichnet zu finden da es doch so viel darin giebt – was treffend und schildernd ist vielleicht hast Du eben diese piece nicht durchgelesen! – Von der Glükseeligkeit der Geister – und von dem loswinden des Stoffes – doch zu was das alles! Einige Worte und Seelenvolle Blike in das innre des andern, würde alles entscheiden und enträtseln was genießbar und des Anschauens – oder des bewunderns werth ist – Ach aus einem süßen Traume hat Dein Brief mich gerißen – aber ich freue mich deßen noch heute ich kan diese herlichen Mahlereyen meiner Fantasie mit Wonne – unbereute Freuden heißen – |
Gnadenfrey den 26ten July Schon seit einigen Tagen gehe ich mit dem Vorsaz um morgen meinen Brief zu endigen – aber es wird nichts daraus – es geht seit geraumer Zeit recht hinkend mit meinem Schreiben wie Du es auch wohl meinem lezten Brief wirst abgemerkt haben – es fehlt mir gar nicht an Gegenständen zur Unterhaltung wohl aber an Worten, die mancherlei um mich her oder in mir schildern solten – ich fand das wieder recht lebhaft bei einer Unterredung heut vor 8 Tagen mit meiner Pritwiz die ich seit Ostern (Hieraus ist zu ersehen daß ich auch diese in der trüben Zeit nicht gesehen.) nicht gesehn habe – Sie hatte unterdeß viel HausCreuz aber das wie sie mich ahnden lies auch mit mancher Zerstreuung und daneben schönen Geistigen Genuß wechselte – ersteres berührte sie nur mit wenig Worten als eine bekante Sache – und nur vom lezteren besonders von ihrer Lectüre sprach sie (so abgebrochen auch wegen anderer Menschen unser Gespräch sein konte) mit einer Wärme feinem richtigen Urtheil und einem Tone, der mich gleichsam in höhere Regionen versezte – pries Jean Paul – Schiller – la Fontaine und Herder und war so vertraut mit ihnen als wenn sie täglich mit diesen Mänern umgienge – beklagte daß ich von dem ersteren (außer Deinen Auszügen) gar nichts – vom andern nur wenig und mit denen beiden leztern so viel wie ganz unbekant wäre – Herder scheint bei ihr über Alle hervorzuragen nur etwas las ich vor 5 Jahren aus seinen zerstreuten Blättern – – Sie will sehen ob sie mir vom erstern etwas verschaffen kann, damit ich nur eine Idée von ihm bekomme. | Unter allen diesen berühmten Mänern nante sie auch Wieland deßen Deutscher Mercur ihr vorzüglich werth – es freute sie daß ich die Musarion lese – wir kamen dabei auf eine Schriftstellerin zu sprechen – deren Buch wie sie sagt – sie ganz in sich aufgenomen hat – ich lese es jezt da sie mir es auf einige Tage geliehen – und finde es einzig – aber treflich! Für Frauen und Jungfrauen Zerstreute Blätter beschrieben von Maria Mnioch. Auch schikte sie mir das Taschenbuch für Damen von la Fontaine Huber und Pfefel für dieses Jahr worinen mancherley schönes – besonders aber eine Geschichte von Huber – die fast bei jedem Blatt mich an Dich erinerte – sowohl der ganze Inhalt als der Nahme des Weibes Grünau – doch Du müstest es auch lesen um mich ganz zu verstehen – und auch das zu faßen – wenn ich geheiratet hätte, ich würde ganz so fühlen wie dis Weib – o! es ist wahr und schön aber noch glüklicher sind, Alle, die von der Art Empfindungen nichts wißen. Deine Grunow beklage ich von ganzer Seele mehr als Dich – da sie fast augenbliklich in einem leidenden Zustand ist – und Du nur durch Mitgefühl zuweilen hinein versezt wirst und wenn es Dich ergreifen will oder hinreißen – zur edlen leidenschaftlosen Herz eilen kanst – aber, Sie! hat wohl vielleicht sonst weder Freund noch Freundin! Gott wie mich das Weib interressirt – schon einmahl trug ich Dir einen | Gruß an sie auf – Du erwähnst nichts ob Du ihn ausgerichtet hast[;] bitte es nachzuholen; nicht so ganz unerwartet kam mir der geäußerte Wunsch – auch glaube ich daß er erst augenbliklich so reif wurde aber eine theure Warheit ist es daß Du die Laage Deiner Freundin so schlimm als möglich damit gemacht hast – und die Deinige bei jedesmahligem Tete a tete auch verschlimmert – aber wozu alle die Uebertragungen an ihn auch sogar des so äußerst mißlichen Auftritts er verdient es nicht – hat nicht die Feinheit des Gefühls und der Beurtheilungskraft! hier fehlen mir wieder Ausdrüke! – –
Deine Verhältniße mit Sak sind doch auch sonderbar – und die immer zurük gehaltne Epistel die doch am Ende beleidigend für Dich war hat mir seinen Caracter in ein andres Licht oder eigentlich in Schatten gestelt – daß man es ihm nicht verdenken kann Dich väterlich zu warnen, und Dir die Dinge die Dir schädlich sein könen – oder doch nach seiner Ueberzeugung ihm so däuchten anzuzeigen das billige ich – nur muß man es vorher genau auf allen Seiten erwägen was man saget oder schreibet – und wie es wirken wird auf den Gegenstand den mann beßern will. Dein Benehmen dabei, wie Du seinen bittern Äußerungen so ganz ausgewichen – ihm nur Deine Empfänglichkeit für das was er eigentlich wolte – bezeugt – und bescheiden auseinander gesezt – alles das hat mich herzlich gefreut – so wie Deine Mittheilungen an den Grafen Alexander und Herz – ich habe recht mit Dir gefühlt |
Von Deinen Predigten habe ich durch Charles nichts gehört – hoffe aber daß mir nun bald eine in die Hände kommen wird ich habe ihm deswegen geschrieben aber wenn werde ich Antwort bekommen? Seit 4 Wochen weis ich nichts von ihm – Seine eigentliche Verheiratung war es wohl nicht die ich durchaus noch dis Jahr wünschte sondern nur seine Entfernung von Spieler vor dem Winter – weil mir in einer rauhen Jahreszeit seine dortigen Verhältniße sehr traurig und seiner Gesundheit nachtheilig scheinen – so kurz und wenig bedeudend auch die Schilderung sein solte die er mir davon gemacht – habe ich doch durchgeblikt – leider wird er wohl auf alle Fälle noch einen Winter dort verleben.
den 30ten Vorgestern Abend hatte ich wieder eine ganz eigne Ueberraschung die Frau des Pastor Wunsters erschien hier mit ihrer Tochter einem recht liebenswürdigen blühenden Mädgen von 16 Jahren – in den ersten Augenbliken war mir ihre Nachfrage nach mir nichts weniger als angenehm – weil mir die Frau vor 24 Jahren als Mademoiselle Hartmanin äußerst gleichgültig war aber der herzliche Gruß von allen Wunsters und so viele Mittheilungen von alten Bekanten und das wenige Wortgepränge mit welcher sie den Wunsch äußerte mich bald nebst Dir (wie Du es Wunstern wenn ich recht verstanden schriftlich versprochen) zu sehn, machten mir die 2 Stunden bis gegen 10 nur zu kurz – gestern früh habe ich noch dort gefrühstükt – gegen 6 uhr fuhr sie nach Reinerz ins Baad |
Daß bei einem solchen Besuch gleichsam mein ganzes inres aufgeregt wird und recht in den alten Zeiten schwelgt – ach an denen Jahren an denen man mit wahrer Inigkeit hängt weil sie unserm Leben seine eigentliche Richtung gaben, das darf ich Dir nicht erst sagen – auch wurden sie wieder alle recht lebhaft vor meiner Seele gezaubert die schönen Stunden mit ihren manichfaltigen Genüßen die ich mir in dem Gedanken Deines Besuchs ausgemahlt hatte – doch imer so daß sich nichts bittres darunter mischte – denn ich ergrif diesen Gedanken als RettungsBrett meiner Ruhe in jenen ersten Wochen meines, mir oft noch neuen WohnOrtes – als ich mich nicht nur verlaßen von meiner vorigen Geselschaft sondern auch in der peinigendsten Ungewißheit über alle meine Lieben fühlte – diese Beschäftigung meiner Phantasie gab mir manche helle Augenblike – und hielt mich so zu sagen noch vest auf diesem Erdenrund – ein Traum der einem so viel war bleibt einem imer angenehm – kaum wird das einstmalige Erwachen darüber so schön sein – weil leider eine Kleinigkeit unsern besten Genuß oft erhöhen oder trüben kann!!!
Für Deine zärtliche Theilnahme an der gehabten Stubenveränderung sagt Dir mein schwesterlich freundtschaftliches Herz den wärmsten Dank! daß ich nun weis was ich an Allen habe oder vielmehr finde ist richtig[;] eine darunter die vor 2 Jahren auch unten in der Stube wohnte schien zuerst die Bekantschaft oder vielmehr Traulichkeit die damahls von ihrer Seite mir war – nicht wieder anknüpfen zu wollen – hat sich aber doch ohne mein Zuthun gefunden – so daß wir zuweilen einige trauliche Worte oder Blike wechseln – – | auch bin ich wie gewöhnlich wenn es schön Wetter ist in den Zwischenzeiten meiner Schulen mit meinem Gestrik im Garten oder noch weiter[,] meine Angst ist nur der Winter – doch ich brenne seit ich Seidlizes verließ mein eigen Licht, so viel auch darüber geredet wird; wenn mich nur aus Osten und Westen die Menschen mit Büchern versorgen so wird auch diese unangenehme Lage erträglich werden; von Schlegels Uebersezung aus Shakespeare weis ich nichts als durch die Anzeige in den Zeitungen so wie von seinen andern Schriften – auch Florentin welchen die Pritwiz für ein Product Deines Schlegels hält – haben wir Beide noch nicht gelesen – vielleicht kanst Du mir etwas von Shakespeare verschaffen – glaube mir mein Lieber daß meine BücherQuelle mehrentheils bloßes Ungefähr ist – und daß ich das was ich eigentlich wünsche – entweder nie oder erst nach einigen Jahren bekomme, unter den Schriften eines Herders – Jean Paul – auch Schillers giebt es gewiß manches – was des oftmaligen Leesens werth ist – auch zur Nahrung meines Historischen Geschmaks fehlt viel viel um befriedigt zu werden – in deutscher Sprache habe ich noch nichts wie Schröck gelesen – wenn Du mir von diesem Gegenstand etwas wesentliches eignes verschaffen köntest – etwas schönes zusammengetragnes Ganzes oder Biographien von Helden der alten Geschichte auch hervorragender großer Geister – oder von der neuen – besonders England – oder des preußischen Staates – – kurz auch hierüber meine Wünsche zu äußern gehört eine mündliche Unterredung. Was meine Zeichnerin betrift – so kann ich vor jezt sagen daß unser ganzes Verhältniß durch diese Trenung gewonnen – | Wir haben manches solo ungestörter – doch Du müstest meine Riker sehen um alles zu faßen was von unsrer Freundtschaft zu sagen wäre in meinem nächsten mehr und recht viel von ihr – – Du hättest nichts besser thun könen als mir die traulichen Zeilen der Herz mitzutheilen – – ich habe dadurch mehr als durch viele Beschreibung in Sie hineingeblikt – Sie steht recht groß – edel und lieblich vor mir ja ich muß sagen ich habe etwas von ihr in mich aufgenommen.
ich schließe mit der dringenden Bitte mir bald nach Empfang dieses wenn es möglich Geld zu schiken – sonst geht es mir wie dem KammerHerr – alle meine Gläubiger wachen auf – eine solche unangenehme Geschichte über die erwähnten 4 Tahler hatte ich schon – Gott wie quälend ist dergleichen – thue was Dir möglich sonst hilft meine BrunnenCur nichts – wenn ich mich über Geld ärgere das ist mir hier das angreifendste! übrigens kann ich Dich versichern daß mich der Gebrauch des SelterWaßers stärkt – ich darf Dich wegen meiner Freimütigkeit doch nicht erst um Verzeihung bitten?
Lotte S.