Gdfr d 21t Nvbr 1801
So inig und herzlich ich Dir auch für das mir überschikte danke mein Lieber durch welches Du mich aus der augenbliklichen Noth gerißen hast – so peinigest Du mich doch auch durch Dein Schweigen – so daß ich heute als am 21ten gar nicht recht mit Deinen Verhältnißen bekant bin – ich kan sie mir wegen Grunow und Sack – auf das unangenehmste denken – und Gott weiß was sich noch dazu gefunden hat[;] was mein Herz Dir alles wünscht kan ich mit Worten nicht ausdrüken – auch glaube ich Dir es schon hie und da und zu verschiednen Zeiten gesagt zu haben – daß alles was ich davon bezeugen könte doch nur Wiederholung wäre! Glaube Liebe und Hofnung sind die 3 schönsten Stüzen des menschlichen Lebens – die uns stärken trösten und hinweg heben über allen Zweifel Schwierigkeiten – und das trübe in der Seele was sich gleichsam unwilkührlich herein schleicht – erhellet – so geht mirs jezt – bei so mannichfaltigen Entbehrungen Verläugnungen – und traurigen Bereicherungen an Menschenkentniß – wovon unendlich viel zu sagen wäre – aber, Wenn! auch hier winkt mir die Hofnung vielleicht übers Jahr! – |
den 25ten So weit mein Lieber hatte ich geschrieben – als ich wirklich Deinem freundlichen Wunsche gemäs Nachmittags Deinen Brief erhielt – als ich eben mit 2 alten Theilnehmerinnen – die Wichtigkeit des 21ten feierlich begieng – und die äußerst interessanten Blätter bis den folgenden Morgen ungelesen ließ – der übrige Theil des Tages war auch zu einer freundtschaftlichen Schocolade bestimt – und da ich gleich beim Aufbrechen durch die Worte: Unsre Friderique ist nicht mehr! den total Eindruk des eigentlichen Inhalts weg hatte – wolte ich mir durch das späte lesen nicht die Nacht verderben – weil ich gar leicht so wohl durch fröhliche als traurige Gefühle so erschüttert werde – daß ich nicht nur – den Schlaf verliehre – sondern auch entsezliches NervenKopfweh kriege doch davon weiter hin ein mehreres
Durch die ausführliche Nachrichten und treulichen Abschriften von denen Äußerungen der lieben von Dohnas über Frideriquens leztes Hieniedensein als auch ihren lezten Brief – hast Du mir mein Lieber recht wohl gethan – ich kann nicht sagen erfreut als nur in Rüksicht der Aufopferung Deiner Zeit des Abschreibens wegen – aber die Gegenwart die moralisch und phisisch trübe für mich ist war ganz übereinstimmend und empfänglich zu solchen Eindrüken. Du siehst gewiß meinen inigsten warmen Dank bei Leesung dieses dafür – daß ich die edle nun Vollendete doch einige Augenblike in meiner Nähe hatte – und ihre Hand | von selbst in die meinige legte – ach und so sanft mir drükte – ist mir jezt doppelt schäzbar – ja wohl stimme ich mit Dir ein – und Louis der Edle gewiß auch – daß man durch die Hemung die Seelige nicht vom Tode – sprechen zu laßen – viel viel verlohren hat! Gott wie lehrreich und verehrungswerth würde Sie den Umstehenden unfehlbar durch solche Äußerungen geworden sein! wie tief würde das alles – so wenig oder abgebrochen es auch gewesen – sich denen Herzen eingeprägt haben – welche sich es selbst noch jezt vielleicht heimlich zugestehen werden – – Sie ist verkant – oder auch nicht ganz erkant worden – – Alexander mag wohl ein seltner Mensch ein auch noch nicht Erkanter – aber auch ein lieber Peiniger sein! – was Du mir von dem treflichen Louis sagst verdient noch einen besondern Dank – ich fühlte bei seinem Gruß – recht inig und warm – daß die Freundtschaft (hier heißts Wohlwollen) der Edlen, das Herz der nach Edelmuth strebenden veredelt – woltest Du Ihm das so schreiben mit der Versicherung meines inigen Dankes für alles was Er der Seeligen war, und wie Er ihre lezten Stunden versüßt hat – nebst der wahren Theilnahme an seinem Verlust – für heute gute Nacht! |
den 28ten Ehe ich weiter von unsern beiderseitigen Verhältnißen spreche muß ich Dich erst von einem sehr interressanten Augenblike unterhalten[:] ich gieng nach beendigten Schulen um 11 uhr etwas spazieren um meine Füße die mir jezt öfters anlaufen etwas in Gang zu bringen – ganz unwißend daß der KammerHerr hier ist – treffe ich ihn in der Allée – ganz traurig saß er da und las einen Brief – der ihn von Gnadenfeld aus benachrichtigte daß dort die Masern grassiren – und da er seinen einzigen Sohn dort in der Anstalt hat war dis eine wahre Hiobs Post für ihn – – Seit dem 18. October vorigen Jahres, da er mich mit Peistel – auf dem Glazhof in einer sehr ernsthaften Unterredung unterbrach – habe ich [ihn] nicht gesehen – mit wenig aber herzlichen Worten bezeigte ich ihm meine Theilnahme – und der gute Unglükliche freute sich – auch über Deinen Gruß den ich ihm gewis aus Deiner Seele brachte er bat ihn zu erwiedern – und sezte hinzu: ja wir Beide gehn durch so manche Gerüchte und Gefühle hindurch – – ich bat ihn – nicht zu verzweifeln – nein sagte er: Verzweiflung ist Schwäche!!! aber wenn mir der Junge stirbt – dann können sie mein Grab bald neben das seine machen – – ich glaube er wird den Winter über hier bleiben – – Sehr dankbar sprach er von den Hochberg in Fürstenstein wo er sich seit seiner Flucht mehrentheils aufgehalten. |
Gestern Abend las ich mir das Kleinod was mir durch Frideriquens Brief zu Theil ward – und freute mich mit süßer Wehmuth darüber. (Daß diese Vollendete so viel noch für ihren Geist bei ihrem cörperlichen Leiden genoß ist mir doppelt schäzbar –. Die Reisen durch Portugall wünschte ich um Ihrentwillen und zur Bereicherung meiner Kentniße zu lesen. War unter den Schillerschen Maria Stuardt) wenn Du mein Lieber so ganz und gar mit allen meinen Verhältnißen als Mensch als Freundin – und auch als, eure, Schwester bekant und so in mich hineinschauen köntest wie das alles auf mich wirkt – jede Freude und Entbehrung jedes höhere Gefühl – – gewiß würdest Du dann nach einigen Wochen – als Zuschauer und Menschenkenner auch ein leises Ahnden – wie bei Wenzel haben – d. h. Es ist Zeit daß diese Lotte geläutert am Geist aber auch unendlich geschwächt bald vollendet würde. Seit 4 Wochen ergrif mich eine Heiserkeit mit Fieber begleitet – die der gute junge Doctor von dem ich schon einmahl erwähnte – mit Mühe, und durch ein SenfPflaster auf dem Magen – das 1te in meinem Leben – gehoben hat – aber nun folgten meine alten Anfälle von Krampf und Schwäche – so daß ich nach einigen Tagen mir wieder Medicin geben lies – der gute Mann ist sehr theilnehmend und meint mein ganzes Nervensistem wäre äußerst erschüttert jezt könte er aber nur dem äußern helfen – aber aufs Frühjahr hofte er mir wieder Energie im innern zu verschaffen – dis that mir ordentlich gut – ich meine diese Aufrichtigkeit – denn ich weis es nur zu gut wo es fehlt – die Medicin thut ihre Wirkung – allein wie schon oben gesagt das gereizte macht alles wie vergebens. |
Es würde mir inigst leid thun mein Bester wenn Du diese aufrichtige Darstellung meines jezigen Seins – auch nur von einer Seite mißverstehen könnest – oder Wunster glauben ich wäre mißvergnügt – doch Du kenst mich ja beßer als dieser mir sehr rätselhafte Mensch – – die Comtesse Posadowsky welche meine kleinen Bemühungen in der Anstalt – mehr schäzt und mir dis auf eine sehr edle Art zu fühlen giebt – will mir aufs Frühjahr zu einer Reise nach Sachsen behülflich sein – ich hoffe wieder eine Unterstüzung von Fürstenstein – die mir dazu dienen soll – wenn Du aber mein Lieber der armen schwächlichen Lotte zu Ende dieses oder Anfang des kommenden Jahres noch 10 Thaler schiken kanst – Gott mit welcher Dankbarkeit würde ich dis annehmen –, denn noch bin ich so viel für Caffe und Zuker im Laden schuldig – dis ist alles – dann bin ich frei – und da mann doch keinen Bürgen hat – ob ich nicht einmahl ganz zu Bette liegen müste – wolte ich gerne so bald als möglich diese Last von mir wälzen. Daß meine Sehnsucht Dich dieses Jahr zu sehen nicht befriedigt worden ist – thut mir sehr leid – ach wer weis ob es jemals hienieden noch geschieht – halte dis nicht für Schimaere – ich hoffe und fürchte nicht daß Du mich verkenst – morgen mehr – gute Nacht. |
den 3ten December Einen recht traulichen Abend hatte ich am lezten Sontag mit der Pritwizen – und das auf meiner Stube, ich hatte die Freude sie mit einer Schocolade zu bewirthen und ihr die Berlinischen Berichte mitzutheilen – Du weist ja wie die Familie in Schlobitten sie von Anfang an durch Deine Schilderungen sie so ganz eingenommen hat – recht mit Muße hat sie alles beherzigt und mit Dir und mir empfunden – Louis der Edle behagt auch ihr besonders gut – aber gesehen – gehört hat sie ihn nicht – und da fehlt viel – an dem Ausdruk und Anblik eines guten Menschen kann man sich recht erquiken – Gott wenn ich Louis noch einmahl sehen könte welch ein köstlicher Augenblik wäre das! – – ich weis kaum eine angenehmere Empfindung als den Gruß eines warhaft Edlen übrigens ganz uneigennüzigen Menschen – – Wenn es mir möglich bekomst Du mit diesem Briefe eine Abschrift aus la Fontaine die ich erst jezt durch die Güte meiner Pritwiz gelesen und die sehr lebhaft an die Vollendete Gräfin erinert. Von der guten Pritwiz kan ich noch imer sagen daß sie mit ihrem Mann glüklich lebt – aber leider trüben | andre Verhältniße von Seiten alten Pritwiz – ihren Himmel. Sie berührt davon gegen Niemand etwas – nur gegen ihre Mutter – und nur sehr behutsam äußerte ich Ihr bei Leesung der Dohnaschen Briefe daß ich davon weiß – und ihren Mann den es mehr als Sie betrift inigst bedaure – Sie nahm es gütevoll auf. Es betrift mehrentheils das oeconomische – und den kleinen Moriz – den die GroßEltern noch imer bei sich haben – und dem Publicum dadurch Anlaß geben – als entledigte die Lisette sich nur zu gern ihrer mütterlichen Pflicht um ihrer großen ausgebreiteten Bekantschaft – die eigentlich aus denen Verwandten außer der Gemeine besteht ganz ungestöhrt nachgehen zu könen – die Gute gehört auch wie Louis in seiner Art – zu denen die von den besten Menschen die Sie kennen – geliebt und geschäzt wird – und in dem großen Kreise Mäner und Weiber die sich Ihr nahen – eine Achtung gebietende Liebenswürdigkeit einflößt – wieder ganz anders, als meine trefliche von Aulock – deren Besuch ich täglich erwarte – sie ist außerordentlich munter dismahl in ihren Wochen gewesen – das kleine Geschöpf heist Hermine |
den 8ten December Eilen muß ich mit dieser Epistel wenn sie wie ich wünsche noch so ankommen soll daß Du mir in dem noch dieses Jahr versprochnen Brief auf manches hierin antworten – und wenn Dir es möglich noch Geld schiken kanst – denn Wunster der rätselhafte Mensch hat mir nicht nur keins geschikt sondern veranlaßt mich durch sein gänzliches Schweigen ihn für einen eben so leichten Menschen als manche seiner Brüder zu halten – ach es thut wehe einem Geschöpf die Achtung zu entziehen die man Ihm geschenkt hatte[;] mit welcher lieblichen Beredsamkeit machte er mir jenen Vorschlag der freilich an und vor sich auf mich keinen Eindruk machte – da es mir nur lächerlich däucht – jemanden zu etwas zu bestimen deßen Tüchtigkeit zu dem Amt er so wenig kent als die meine – aber alles übrige was er dazu sagte konte mir nicht ganz gleichgültig sein und die Herzlichkeit mit welcher er mir mein Vertrauen so herausloken konte – so erfreut ja recht gerührt darüber war einen Theil der alten Dankbarkeit gegen den seligen Vater abtragen zu könen – mir die Termine bestimt wie Er mir helfen – und gleich nach seiner Zuhausekunft wolte er mir 10 thaler schiken – natürlich daß ich ihn nie daran erinnern, auch nicht an seine Frau schreiben werde wie ichs ihr versprochen – denn das wäre so gut wie eine Mahnung freilich solte ihm der Anblik unsers biedern Charles Vorwurf genug sein – diesem habe ich um ihm – da er dort bekant ist Aergerniß zu ersparen – nichts davon geschrieben. Eine traurige Bereicherung zu meiner Menschenkentnis wenn dieser Wunster nur schweigen könte – zu Anfang konte ich es gar nicht aus dem Gemüthe scheuchen |
Vom Peistel kan ich Dir noch nichts sagen – denn erst 2 mahl nach seiner Rükkunft aus dem Bade war ich dort – damals war er in einer sonderbahren Spannung – Er hatte sein ganzes sanftes Wesen verlohren – vielleicht auch wilkührlich eine gewiße ironie und Rohheit angenommen um damit mehr auszurichten – bald darauf starb seine vortrefliche Mutter in Herrnhut – er muste nach Sachsen mit seiner Schwester – der Dobern unsres jezigen GemeinHelfers Frau und ich höre Er ist nun wieder kränklich und sanft – aber ungebeten kann ich nach alle dem was diesen Sommer vorgefallen nicht hingehen – ich kan wohl sagen – daß bei Peistel mir schon zu verschiedenen Zeiten sowohl in kranken als gesunden Tagen der Wunsch – recht nahe war – ach hätte Er doch bald alles überwunden – – ja selbst in jener Periode da ich mehr – fast alle Wochen dort war – konte ich bei allem angenehmen und schmeichelhaften seiner Freundtschaft – mich des Gedankens – es wäre Zeit daß dieses so reizbare Wesen bald veredelt würde nicht erwehren – – es giebt auch um mich her manche mir recht liebe Menschen über die ich so denke. – –
Daß ich Dich hierin ganz verstanden habe, ist nun ausgemacht – auch wegen Lenoren bin ich ganz au fait – nur wie gesagt – hätte vielleicht Mittheilung und Theilnahme nicht auf einen so hohen Grad kommen sollen – und noch viel weniger Schleiermacher – der doch sonst klug ist – und die zarte Natur, solcher Laagen und Gefühle längst kent – jene Äußerung thun – die so große Folgen nach sich ziehen muste – Gott verleihe Beiden Behutsamkeit – | denn bei aller Resignation die Du nach den schönsten Plänen dennoch bezeigst und die mir gar nicht nur so gesucht sondern der Natur der Sache gemäs scheint – ist doch bei dem täglichen Umgänge der Euch Beiden gewiß Bedürfniß ist – doch Behutsamkeit nötig – die bei der guten Lenore in Deinen Augen wohl oft als Peinlichkeit betrachtet wird – Grüße Sie recht herzlich von mir die edle Dulderin – und sage daß ich bei meiner lecture in la Fontaine besonders in St. Julien recht viel und theilnehmend an Sie gedacht habe – und überhaupt wohl sagen kann daß ich täglich ihrer denke.
Nun noch etwas von Büchern – Maria Stuard von der Du in Deiner vorlezten Epistel erwähntest habe ich diesen Herbst auch gelesen, und es ganz vortreflich gefunden – jeder Caracter so treu geschildert – jede Scene so anschaulich – einiges habe ich abgeschrieben – für mich die Unterredungen der beiden Königinnen und für Donamar den Du noch kennen lernen solst – die Unterredung der Maria mit Mortimer – ich habe es einigemahl durchgelesen und es gehört unter solche piecen die ich oft wiederlesen wolte und wenn ich reich wäre in meiner Bibliothec einen Plaz erhielt. Schriften die wahre Geschichte zum Grund haben – lese ich außerordentlich gern – so wie in jener Art solche wie la Fontaine alles so wahrscheinlich schildert – daß es einem däucht als fände man alte Bekanten wieder – oder sähe abwesende Freunde – von Jean Paul habe immer noch nichts gelesen dis betrift auch Wunsters Täuschung der mir den Catalogue drüber schiken und mir dan alles was ich wünsche schiken wolte. |
Wenn Du mir also einmahl etwas von diesem seltenen Manne Paul schiken kanst wird es mich inig freuen – so auch wenn Du mir wieder oder vielmehr Andern mit solchen schönen Blätchen dienen köntest mit welchen ich viel Freude gemacht habe – von allen beiden Arten – den Zeichnern und Schreibern behagt es sehr – besonders meinem Donamar – und dieser ist meine Rikern die Du glaube ich nur als die Zeichnerin kenst – bei unsrer ersten Bekantschaft die durch Zufall bei dem Besuch einer alten Freundin entstand – hörte sie mich etwas lesen was ich mir aus Donamar (den ich anno 1796 gelesen –) ausgezogen und fand augenbliklich Aehnlichkeit mit diesem Schwärmer[;] seitdem nent sie sich selbst – so – jedoch habe ich noch ganz andre Originale zu ihr gefunden – wenn Du manches in la Fontaine gelesen – wolte ich Dich hinweisen – eigentlich aber wolte ich Dir sagen daß mein Umgang mit diesem Geschöpf nun auch aufhört da sie in einigen Tagen wieder nach Sachsen zu ihren Eltern geht – es wird also künftig von ihrer Standthaftigkeit abhängen – ob sie mich durch schriftliche Nachrichten schadlos halten wird – Du sagst – das klingt ja wieder so peinigend und zweifelhaft – es ist aber auch so – denn Sie hängt sehr an der Gegenwart und hält wenig – vom aufsuchen – außer in der Noth – und noch weniger vom Schreiben – und doch hat Sie mir der Leiden und Freuden so viele durch ihren Umgang geschaffen[.] Alles ist so in einander verwebt – daß ich nichts ungenoßen haben möchte – bitte schreibe bald
Deiner
Lotte. |
Aus St Julien von la Fontaine
Eine Schilderung der Anne
Die Ursache ihres Grams hatten wir nicht erfahren weil Sie über diesen Punkt unbeweglich verschwiegen war; indes mochte ihr Unglük nun sein welches es wolte – es hatte sie veredelt – verschönert sogar möchte ich sagen – so wie eine schöne Gegend noch schöner wird wenn sie nur hie und da eine Masse Sonnenlicht hat, und das übrige von dunklen GewitterWolken beschattet wird. Der Gram in ihrem weißen Gesicht – die Stille die Dunkelheit in ihrem funkelnden Auge, das matte in ihren Bewegungen, das melodische in der klagenden Stimme, und die sanfte Güte, zu der bei guten Menschen der Schmerz allemahl wird: machten sie interressanter – als ehemals die volle Heiterkeit, der Glanz der fröhlichen Jugend. Sie schien ihre eigne Existenz aufgegeben zu haben, und fand sie nur in dem Glük andrer Menschen wieder. Der Keim der Glükseeligkeit war in ihrem Herzen vertroknet; die Freudenthränen der Unglüklichen, denen Sie wohlthat, erfrischten ihr Herz aufs neue. (Lotte Schleiermacher.) Sie behalf sich mit fremden Freuden da sie keine eignen hatte. Ihr Dasein war in dem Dasein der Unglüklichen gleichsam vervielfacht, und sie würde erst unglüklich gewesen sein wenn Sie keinen zu beglüken gefunden hätte. Das Unglük das den Boshaften noch unmenschlicher macht hatte ihr Herz gehoben; Sie lebte unter Uns wie eine Unsterbliche, wie ein höherer Geist der nur Glükliche macht, ohne an ihrem Glüke Theil nehmen zu könen, weil seine Freude in einer andern Welt liegt. | So betrachteten und so behandelten wir Sie auch. Das Unglük macht freilich den Unglüklichen ehrwürdig – aber hier war es mehr als das. Meine Frau die gegen Niemand ihre Heftigkeit mäßigen konte war gegen Annen sanft wie ein Lamm. Ich selbst gerieth nie in Versuchung über Annen ein bon mot zu sagen, ja ich scherzte nicht einmahl mit Ihr und war feierlich wenn sie zu mir kam. Am liebsten beschäftigte Sie sich mit Adelaidens Erziehung – nicht einen Augenblik war Sie ohne diese jüngre Schwester, und goß in die heitre frohe Seele des Kindes die Erhabenheit den überirdischen Ernst, den edlen Stolz den heiligen Muth den sie selbst durch ihr Unglük bekommen hatte – fast möchte ich sagen sie breitete die schauervolle Dunkelheit das heilige Grauen einer andern Welt, über die frohen lachenden Rosen dieses Lebens in Adelaidens heitre Seele aus. Ich hatte viel gegen eine solche Bildung aber freilich sahe ich auch ein daß Adelaiden dieser hohe Schwung in den dunkelsten Wellen des menschlichen Elends nie ganz würde sinken laßen; denn sie hatte eine Welt – sie hatte die Ewigkeit in ihrer Brust wenn diese Welt sie ausstieß.
ich meine nur daß diese Schilderung gut auf die Vollendete – seit der werdenden Bekantschaft mit jenem Dönhof – paßt – Diese Heldin war beredet worden sie hätte ihre Liebe einem Leichtsinigen geschenkt.
So inig und herzlich ich Dir auch für das mir überschikte danke mein Lieber durch welches Du mich aus der augenbliklichen Noth gerißen hast – so peinigest Du mich doch auch durch Dein Schweigen – so daß ich heute als am 21ten gar nicht recht mit Deinen Verhältnißen bekant bin – ich kan sie mir wegen Grunow und Sack – auf das unangenehmste denken – und Gott weiß was sich noch dazu gefunden hat[;] was mein Herz Dir alles wünscht kan ich mit Worten nicht ausdrüken – auch glaube ich Dir es schon hie und da und zu verschiednen Zeiten gesagt zu haben – daß alles was ich davon bezeugen könte doch nur Wiederholung wäre! Glaube Liebe und Hofnung sind die 3 schönsten Stüzen des menschlichen Lebens – die uns stärken trösten und hinweg heben über allen Zweifel Schwierigkeiten – und das trübe in der Seele was sich gleichsam unwilkührlich herein schleicht – erhellet – so geht mirs jezt – bei so mannichfaltigen Entbehrungen Verläugnungen – und traurigen Bereicherungen an Menschenkentniß – wovon unendlich viel zu sagen wäre – aber, Wenn! auch hier winkt mir die Hofnung vielleicht übers Jahr! – |
den 25ten So weit mein Lieber hatte ich geschrieben – als ich wirklich Deinem freundlichen Wunsche gemäs Nachmittags Deinen Brief erhielt – als ich eben mit 2 alten Theilnehmerinnen – die Wichtigkeit des 21ten feierlich begieng – und die äußerst interessanten Blätter bis den folgenden Morgen ungelesen ließ – der übrige Theil des Tages war auch zu einer freundtschaftlichen Schocolade bestimt – und da ich gleich beim Aufbrechen durch die Worte: Unsre Friderique ist nicht mehr! den total Eindruk des eigentlichen Inhalts weg hatte – wolte ich mir durch das späte lesen nicht die Nacht verderben – weil ich gar leicht so wohl durch fröhliche als traurige Gefühle so erschüttert werde – daß ich nicht nur – den Schlaf verliehre – sondern auch entsezliches NervenKopfweh kriege doch davon weiter hin ein mehreres
Durch die ausführliche Nachrichten und treulichen Abschriften von denen Äußerungen der lieben von Dohnas über Frideriquens leztes Hieniedensein als auch ihren lezten Brief – hast Du mir mein Lieber recht wohl gethan – ich kann nicht sagen erfreut als nur in Rüksicht der Aufopferung Deiner Zeit des Abschreibens wegen – aber die Gegenwart die moralisch und phisisch trübe für mich ist war ganz übereinstimmend und empfänglich zu solchen Eindrüken. Du siehst gewiß meinen inigsten warmen Dank bei Leesung dieses dafür – daß ich die edle nun Vollendete doch einige Augenblike in meiner Nähe hatte – und ihre Hand | von selbst in die meinige legte – ach und so sanft mir drükte – ist mir jezt doppelt schäzbar – ja wohl stimme ich mit Dir ein – und Louis der Edle gewiß auch – daß man durch die Hemung die Seelige nicht vom Tode – sprechen zu laßen – viel viel verlohren hat! Gott wie lehrreich und verehrungswerth würde Sie den Umstehenden unfehlbar durch solche Äußerungen geworden sein! wie tief würde das alles – so wenig oder abgebrochen es auch gewesen – sich denen Herzen eingeprägt haben – welche sich es selbst noch jezt vielleicht heimlich zugestehen werden – – Sie ist verkant – oder auch nicht ganz erkant worden – – Alexander mag wohl ein seltner Mensch ein auch noch nicht Erkanter – aber auch ein lieber Peiniger sein! – was Du mir von dem treflichen Louis sagst verdient noch einen besondern Dank – ich fühlte bei seinem Gruß – recht inig und warm – daß die Freundtschaft (hier heißts Wohlwollen) der Edlen, das Herz der nach Edelmuth strebenden veredelt – woltest Du Ihm das so schreiben mit der Versicherung meines inigen Dankes für alles was Er der Seeligen war, und wie Er ihre lezten Stunden versüßt hat – nebst der wahren Theilnahme an seinem Verlust – für heute gute Nacht! |
den 28ten Ehe ich weiter von unsern beiderseitigen Verhältnißen spreche muß ich Dich erst von einem sehr interressanten Augenblike unterhalten[:] ich gieng nach beendigten Schulen um 11 uhr etwas spazieren um meine Füße die mir jezt öfters anlaufen etwas in Gang zu bringen – ganz unwißend daß der KammerHerr hier ist – treffe ich ihn in der Allée – ganz traurig saß er da und las einen Brief – der ihn von Gnadenfeld aus benachrichtigte daß dort die Masern grassiren – und da er seinen einzigen Sohn dort in der Anstalt hat war dis eine wahre Hiobs Post für ihn – – Seit dem 18. October vorigen Jahres, da er mich mit Peistel – auf dem Glazhof in einer sehr ernsthaften Unterredung unterbrach – habe ich [ihn] nicht gesehen – mit wenig aber herzlichen Worten bezeigte ich ihm meine Theilnahme – und der gute Unglükliche freute sich – auch über Deinen Gruß den ich ihm gewis aus Deiner Seele brachte er bat ihn zu erwiedern – und sezte hinzu: ja wir Beide gehn durch so manche Gerüchte und Gefühle hindurch – – ich bat ihn – nicht zu verzweifeln – nein sagte er: Verzweiflung ist Schwäche!!! aber wenn mir der Junge stirbt – dann können sie mein Grab bald neben das seine machen – – ich glaube er wird den Winter über hier bleiben – – Sehr dankbar sprach er von den Hochberg in Fürstenstein wo er sich seit seiner Flucht mehrentheils aufgehalten. |
Gestern Abend las ich mir das Kleinod was mir durch Frideriquens Brief zu Theil ward – und freute mich mit süßer Wehmuth darüber. (Daß diese Vollendete so viel noch für ihren Geist bei ihrem cörperlichen Leiden genoß ist mir doppelt schäzbar –. Die Reisen durch Portugall wünschte ich um Ihrentwillen und zur Bereicherung meiner Kentniße zu lesen. War unter den Schillerschen Maria Stuardt) wenn Du mein Lieber so ganz und gar mit allen meinen Verhältnißen als Mensch als Freundin – und auch als, eure, Schwester bekant und so in mich hineinschauen köntest wie das alles auf mich wirkt – jede Freude und Entbehrung jedes höhere Gefühl – – gewiß würdest Du dann nach einigen Wochen – als Zuschauer und Menschenkenner auch ein leises Ahnden – wie bei Wenzel haben – d. h. Es ist Zeit daß diese Lotte geläutert am Geist aber auch unendlich geschwächt bald vollendet würde. Seit 4 Wochen ergrif mich eine Heiserkeit mit Fieber begleitet – die der gute junge Doctor von dem ich schon einmahl erwähnte – mit Mühe, und durch ein SenfPflaster auf dem Magen – das 1te in meinem Leben – gehoben hat – aber nun folgten meine alten Anfälle von Krampf und Schwäche – so daß ich nach einigen Tagen mir wieder Medicin geben lies – der gute Mann ist sehr theilnehmend und meint mein ganzes Nervensistem wäre äußerst erschüttert jezt könte er aber nur dem äußern helfen – aber aufs Frühjahr hofte er mir wieder Energie im innern zu verschaffen – dis that mir ordentlich gut – ich meine diese Aufrichtigkeit – denn ich weis es nur zu gut wo es fehlt – die Medicin thut ihre Wirkung – allein wie schon oben gesagt das gereizte macht alles wie vergebens. |
Es würde mir inigst leid thun mein Bester wenn Du diese aufrichtige Darstellung meines jezigen Seins – auch nur von einer Seite mißverstehen könnest – oder Wunster glauben ich wäre mißvergnügt – doch Du kenst mich ja beßer als dieser mir sehr rätselhafte Mensch – – die Comtesse Posadowsky welche meine kleinen Bemühungen in der Anstalt – mehr schäzt und mir dis auf eine sehr edle Art zu fühlen giebt – will mir aufs Frühjahr zu einer Reise nach Sachsen behülflich sein – ich hoffe wieder eine Unterstüzung von Fürstenstein – die mir dazu dienen soll – wenn Du aber mein Lieber der armen schwächlichen Lotte zu Ende dieses oder Anfang des kommenden Jahres noch 10 Thaler schiken kanst – Gott mit welcher Dankbarkeit würde ich dis annehmen –, denn noch bin ich so viel für Caffe und Zuker im Laden schuldig – dis ist alles – dann bin ich frei – und da mann doch keinen Bürgen hat – ob ich nicht einmahl ganz zu Bette liegen müste – wolte ich gerne so bald als möglich diese Last von mir wälzen. Daß meine Sehnsucht Dich dieses Jahr zu sehen nicht befriedigt worden ist – thut mir sehr leid – ach wer weis ob es jemals hienieden noch geschieht – halte dis nicht für Schimaere – ich hoffe und fürchte nicht daß Du mich verkenst – morgen mehr – gute Nacht. |
den 3ten December Einen recht traulichen Abend hatte ich am lezten Sontag mit der Pritwizen – und das auf meiner Stube, ich hatte die Freude sie mit einer Schocolade zu bewirthen und ihr die Berlinischen Berichte mitzutheilen – Du weist ja wie die Familie in Schlobitten sie von Anfang an durch Deine Schilderungen sie so ganz eingenommen hat – recht mit Muße hat sie alles beherzigt und mit Dir und mir empfunden – Louis der Edle behagt auch ihr besonders gut – aber gesehen – gehört hat sie ihn nicht – und da fehlt viel – an dem Ausdruk und Anblik eines guten Menschen kann man sich recht erquiken – Gott wenn ich Louis noch einmahl sehen könte welch ein köstlicher Augenblik wäre das! – – ich weis kaum eine angenehmere Empfindung als den Gruß eines warhaft Edlen übrigens ganz uneigennüzigen Menschen – – Wenn es mir möglich bekomst Du mit diesem Briefe eine Abschrift aus la Fontaine die ich erst jezt durch die Güte meiner Pritwiz gelesen und die sehr lebhaft an die Vollendete Gräfin erinert. Von der guten Pritwiz kan ich noch imer sagen daß sie mit ihrem Mann glüklich lebt – aber leider trüben | andre Verhältniße von Seiten alten Pritwiz – ihren Himmel. Sie berührt davon gegen Niemand etwas – nur gegen ihre Mutter – und nur sehr behutsam äußerte ich Ihr bei Leesung der Dohnaschen Briefe daß ich davon weiß – und ihren Mann den es mehr als Sie betrift inigst bedaure – Sie nahm es gütevoll auf. Es betrift mehrentheils das oeconomische – und den kleinen Moriz – den die GroßEltern noch imer bei sich haben – und dem Publicum dadurch Anlaß geben – als entledigte die Lisette sich nur zu gern ihrer mütterlichen Pflicht um ihrer großen ausgebreiteten Bekantschaft – die eigentlich aus denen Verwandten außer der Gemeine besteht ganz ungestöhrt nachgehen zu könen – die Gute gehört auch wie Louis in seiner Art – zu denen die von den besten Menschen die Sie kennen – geliebt und geschäzt wird – und in dem großen Kreise Mäner und Weiber die sich Ihr nahen – eine Achtung gebietende Liebenswürdigkeit einflößt – wieder ganz anders, als meine trefliche von Aulock – deren Besuch ich täglich erwarte – sie ist außerordentlich munter dismahl in ihren Wochen gewesen – das kleine Geschöpf heist Hermine |
den 8ten December Eilen muß ich mit dieser Epistel wenn sie wie ich wünsche noch so ankommen soll daß Du mir in dem noch dieses Jahr versprochnen Brief auf manches hierin antworten – und wenn Dir es möglich noch Geld schiken kanst – denn Wunster der rätselhafte Mensch hat mir nicht nur keins geschikt sondern veranlaßt mich durch sein gänzliches Schweigen ihn für einen eben so leichten Menschen als manche seiner Brüder zu halten – ach es thut wehe einem Geschöpf die Achtung zu entziehen die man Ihm geschenkt hatte[;] mit welcher lieblichen Beredsamkeit machte er mir jenen Vorschlag der freilich an und vor sich auf mich keinen Eindruk machte – da es mir nur lächerlich däucht – jemanden zu etwas zu bestimen deßen Tüchtigkeit zu dem Amt er so wenig kent als die meine – aber alles übrige was er dazu sagte konte mir nicht ganz gleichgültig sein und die Herzlichkeit mit welcher er mir mein Vertrauen so herausloken konte – so erfreut ja recht gerührt darüber war einen Theil der alten Dankbarkeit gegen den seligen Vater abtragen zu könen – mir die Termine bestimt wie Er mir helfen – und gleich nach seiner Zuhausekunft wolte er mir 10 thaler schiken – natürlich daß ich ihn nie daran erinnern, auch nicht an seine Frau schreiben werde wie ichs ihr versprochen – denn das wäre so gut wie eine Mahnung freilich solte ihm der Anblik unsers biedern Charles Vorwurf genug sein – diesem habe ich um ihm – da er dort bekant ist Aergerniß zu ersparen – nichts davon geschrieben. Eine traurige Bereicherung zu meiner Menschenkentnis wenn dieser Wunster nur schweigen könte – zu Anfang konte ich es gar nicht aus dem Gemüthe scheuchen |
Vom Peistel kan ich Dir noch nichts sagen – denn erst 2 mahl nach seiner Rükkunft aus dem Bade war ich dort – damals war er in einer sonderbahren Spannung – Er hatte sein ganzes sanftes Wesen verlohren – vielleicht auch wilkührlich eine gewiße ironie und Rohheit angenommen um damit mehr auszurichten – bald darauf starb seine vortrefliche Mutter in Herrnhut – er muste nach Sachsen mit seiner Schwester – der Dobern unsres jezigen GemeinHelfers Frau und ich höre Er ist nun wieder kränklich und sanft – aber ungebeten kann ich nach alle dem was diesen Sommer vorgefallen nicht hingehen – ich kan wohl sagen – daß bei Peistel mir schon zu verschiedenen Zeiten sowohl in kranken als gesunden Tagen der Wunsch – recht nahe war – ach hätte Er doch bald alles überwunden – – ja selbst in jener Periode da ich mehr – fast alle Wochen dort war – konte ich bei allem angenehmen und schmeichelhaften seiner Freundtschaft – mich des Gedankens – es wäre Zeit daß dieses so reizbare Wesen bald veredelt würde nicht erwehren – – es giebt auch um mich her manche mir recht liebe Menschen über die ich so denke. – –
Daß ich Dich hierin ganz verstanden habe, ist nun ausgemacht – auch wegen Lenoren bin ich ganz au fait – nur wie gesagt – hätte vielleicht Mittheilung und Theilnahme nicht auf einen so hohen Grad kommen sollen – und noch viel weniger Schleiermacher – der doch sonst klug ist – und die zarte Natur, solcher Laagen und Gefühle längst kent – jene Äußerung thun – die so große Folgen nach sich ziehen muste – Gott verleihe Beiden Behutsamkeit – | denn bei aller Resignation die Du nach den schönsten Plänen dennoch bezeigst und die mir gar nicht nur so gesucht sondern der Natur der Sache gemäs scheint – ist doch bei dem täglichen Umgänge der Euch Beiden gewiß Bedürfniß ist – doch Behutsamkeit nötig – die bei der guten Lenore in Deinen Augen wohl oft als Peinlichkeit betrachtet wird – Grüße Sie recht herzlich von mir die edle Dulderin – und sage daß ich bei meiner lecture in la Fontaine besonders in St. Julien recht viel und theilnehmend an Sie gedacht habe – und überhaupt wohl sagen kann daß ich täglich ihrer denke.
Nun noch etwas von Büchern – Maria Stuard von der Du in Deiner vorlezten Epistel erwähntest habe ich diesen Herbst auch gelesen, und es ganz vortreflich gefunden – jeder Caracter so treu geschildert – jede Scene so anschaulich – einiges habe ich abgeschrieben – für mich die Unterredungen der beiden Königinnen und für Donamar den Du noch kennen lernen solst – die Unterredung der Maria mit Mortimer – ich habe es einigemahl durchgelesen und es gehört unter solche piecen die ich oft wiederlesen wolte und wenn ich reich wäre in meiner Bibliothec einen Plaz erhielt. Schriften die wahre Geschichte zum Grund haben – lese ich außerordentlich gern – so wie in jener Art solche wie la Fontaine alles so wahrscheinlich schildert – daß es einem däucht als fände man alte Bekanten wieder – oder sähe abwesende Freunde – von Jean Paul habe immer noch nichts gelesen dis betrift auch Wunsters Täuschung der mir den Catalogue drüber schiken und mir dan alles was ich wünsche schiken wolte. |
Wenn Du mir also einmahl etwas von diesem seltenen Manne Paul schiken kanst wird es mich inig freuen – so auch wenn Du mir wieder oder vielmehr Andern mit solchen schönen Blätchen dienen köntest mit welchen ich viel Freude gemacht habe – von allen beiden Arten – den Zeichnern und Schreibern behagt es sehr – besonders meinem Donamar – und dieser ist meine Rikern die Du glaube ich nur als die Zeichnerin kenst – bei unsrer ersten Bekantschaft die durch Zufall bei dem Besuch einer alten Freundin entstand – hörte sie mich etwas lesen was ich mir aus Donamar (den ich anno 1796 gelesen –) ausgezogen und fand augenbliklich Aehnlichkeit mit diesem Schwärmer[;] seitdem nent sie sich selbst – so – jedoch habe ich noch ganz andre Originale zu ihr gefunden – wenn Du manches in la Fontaine gelesen – wolte ich Dich hinweisen – eigentlich aber wolte ich Dir sagen daß mein Umgang mit diesem Geschöpf nun auch aufhört da sie in einigen Tagen wieder nach Sachsen zu ihren Eltern geht – es wird also künftig von ihrer Standthaftigkeit abhängen – ob sie mich durch schriftliche Nachrichten schadlos halten wird – Du sagst – das klingt ja wieder so peinigend und zweifelhaft – es ist aber auch so – denn Sie hängt sehr an der Gegenwart und hält wenig – vom aufsuchen – außer in der Noth – und noch weniger vom Schreiben – und doch hat Sie mir der Leiden und Freuden so viele durch ihren Umgang geschaffen[.] Alles ist so in einander verwebt – daß ich nichts ungenoßen haben möchte – bitte schreibe bald
Deiner
Lotte. |
Aus St Julien von la Fontaine
Eine Schilderung der Anne
Die Ursache ihres Grams hatten wir nicht erfahren weil Sie über diesen Punkt unbeweglich verschwiegen war; indes mochte ihr Unglük nun sein welches es wolte – es hatte sie veredelt – verschönert sogar möchte ich sagen – so wie eine schöne Gegend noch schöner wird wenn sie nur hie und da eine Masse Sonnenlicht hat, und das übrige von dunklen GewitterWolken beschattet wird. Der Gram in ihrem weißen Gesicht – die Stille die Dunkelheit in ihrem funkelnden Auge, das matte in ihren Bewegungen, das melodische in der klagenden Stimme, und die sanfte Güte, zu der bei guten Menschen der Schmerz allemahl wird: machten sie interressanter – als ehemals die volle Heiterkeit, der Glanz der fröhlichen Jugend. Sie schien ihre eigne Existenz aufgegeben zu haben, und fand sie nur in dem Glük andrer Menschen wieder. Der Keim der Glükseeligkeit war in ihrem Herzen vertroknet; die Freudenthränen der Unglüklichen, denen Sie wohlthat, erfrischten ihr Herz aufs neue. (Lotte Schleiermacher.) Sie behalf sich mit fremden Freuden da sie keine eignen hatte. Ihr Dasein war in dem Dasein der Unglüklichen gleichsam vervielfacht, und sie würde erst unglüklich gewesen sein wenn Sie keinen zu beglüken gefunden hätte. Das Unglük das den Boshaften noch unmenschlicher macht hatte ihr Herz gehoben; Sie lebte unter Uns wie eine Unsterbliche, wie ein höherer Geist der nur Glükliche macht, ohne an ihrem Glüke Theil nehmen zu könen, weil seine Freude in einer andern Welt liegt. | So betrachteten und so behandelten wir Sie auch. Das Unglük macht freilich den Unglüklichen ehrwürdig – aber hier war es mehr als das. Meine Frau die gegen Niemand ihre Heftigkeit mäßigen konte war gegen Annen sanft wie ein Lamm. Ich selbst gerieth nie in Versuchung über Annen ein bon mot zu sagen, ja ich scherzte nicht einmahl mit Ihr und war feierlich wenn sie zu mir kam. Am liebsten beschäftigte Sie sich mit Adelaidens Erziehung – nicht einen Augenblik war Sie ohne diese jüngre Schwester, und goß in die heitre frohe Seele des Kindes die Erhabenheit den überirdischen Ernst, den edlen Stolz den heiligen Muth den sie selbst durch ihr Unglük bekommen hatte – fast möchte ich sagen sie breitete die schauervolle Dunkelheit das heilige Grauen einer andern Welt, über die frohen lachenden Rosen dieses Lebens in Adelaidens heitre Seele aus. Ich hatte viel gegen eine solche Bildung aber freilich sahe ich auch ein daß Adelaiden dieser hohe Schwung in den dunkelsten Wellen des menschlichen Elends nie ganz würde sinken laßen; denn sie hatte eine Welt – sie hatte die Ewigkeit in ihrer Brust wenn diese Welt sie ausstieß.
ich meine nur daß diese Schilderung gut auf die Vollendete – seit der werdenden Bekantschaft mit jenem Dönhof – paßt – Diese Heldin war beredet worden sie hätte ihre Liebe einem Leichtsinigen geschenkt.