Stolpe den 3ten Juni 1802.
Sehr angenehm hat mich Ihr Brief überrascht, liebe Jette, ich hatte so zeitig auf keinen gehofft. Aber ehe ich etwas weiteres schreibe, nur ein Wörtchen. Ich kann mir nicht helfen es geht mir wie Salm, hier in der Entfernung ist es mir ganz unmöglich Sie zu sagen, ich weiß nicht wie wunderlich es auf mich wirkt, und noch kann ich nicht dahinter kommen warum es mir hier so unerträglich ist, als es mir dort nicht war. Ich denke dort sagte meine ganze Art mit Euch zu sein immer Du, wenn auch die Lippen Sie sagten und so mag vielleicht noch etwas pikantes im Contrast gelegen haben, was die Unerträglichkeit versüßte. Hier fällt jene Auxiliärsprache weg, und es bleibt nur der leidige Schein von Fremdheit, die doch zwischen uns nie sein kann. Laß mich also. Wer unsre Briefe lesen kann, kann immer das Du auch lesen. Du kannst es halten wie Du willst; aber es sollte mich wundern, wenn es Dir nicht auch so gemüthlicher wäre. Zuerst, liebe gute Freundinn, sei doch so heiter, als es Dir möglich ist. Du weißt wie wenig ich jemanden zumuthe, seine Natur zu ändern. Deine besteht eben von dieser Seite betrachtet darin, daß Du nur in der Zukunft lebst; darum machst Du so gern Plane, darum denkst Du so ungern an den Tod. Zu dieser Natur gehört aber unumgänglich nothwendig, wenn nicht das ganze ein leerer Zirkel sein soll, auch dieses als die andre Hälfte, daß Du eine Prophetinn sein mußt, und also die Zukunft auch in der Gegenwart sehen und fühlen. Genieße also jetzt schon die Freude an allem Guten was Du durch Deine seltene, wohlwollende Thätigkeit noch um Dich her stiften wirst; genieße also schon jetzt die | Ruhe, die es Dir geben wird eine Menge von schwierigen Verhältnißen so richtig behandelt zu haben und unter tausend Entbehrungen Dir selbst immer treu geblieben zu sein; genieße endlich schon jetzt die späte Zukunft, die Deine Freunde Dir bereiten werden. Du brauchst es nicht zu bereuen, daß Du mich nicht an die goldnen Worte erinnert hast: ich habe sie nie vergessen. [...]
Sehr angenehm hat mich Ihr Brief überrascht, liebe Jette, ich hatte so zeitig auf keinen gehofft. Aber ehe ich etwas weiteres schreibe, nur ein Wörtchen. Ich kann mir nicht helfen es geht mir wie Salm, hier in der Entfernung ist es mir ganz unmöglich Sie zu sagen, ich weiß nicht wie wunderlich es auf mich wirkt, und noch kann ich nicht dahinter kommen warum es mir hier so unerträglich ist, als es mir dort nicht war. Ich denke dort sagte meine ganze Art mit Euch zu sein immer Du, wenn auch die Lippen Sie sagten und so mag vielleicht noch etwas pikantes im Contrast gelegen haben, was die Unerträglichkeit versüßte. Hier fällt jene Auxiliärsprache weg, und es bleibt nur der leidige Schein von Fremdheit, die doch zwischen uns nie sein kann. Laß mich also. Wer unsre Briefe lesen kann, kann immer das Du auch lesen. Du kannst es halten wie Du willst; aber es sollte mich wundern, wenn es Dir nicht auch so gemüthlicher wäre. Zuerst, liebe gute Freundinn, sei doch so heiter, als es Dir möglich ist. Du weißt wie wenig ich jemanden zumuthe, seine Natur zu ändern. Deine besteht eben von dieser Seite betrachtet darin, daß Du nur in der Zukunft lebst; darum machst Du so gern Plane, darum denkst Du so ungern an den Tod. Zu dieser Natur gehört aber unumgänglich nothwendig, wenn nicht das ganze ein leerer Zirkel sein soll, auch dieses als die andre Hälfte, daß Du eine Prophetinn sein mußt, und also die Zukunft auch in der Gegenwart sehen und fühlen. Genieße also jetzt schon die Freude an allem Guten was Du durch Deine seltene, wohlwollende Thätigkeit noch um Dich her stiften wirst; genieße also schon jetzt die | Ruhe, die es Dir geben wird eine Menge von schwierigen Verhältnißen so richtig behandelt zu haben und unter tausend Entbehrungen Dir selbst immer treu geblieben zu sein; genieße endlich schon jetzt die späte Zukunft, die Deine Freunde Dir bereiten werden. Du brauchst es nicht zu bereuen, daß Du mich nicht an die goldnen Worte erinnert hast: ich habe sie nie vergessen. [...]