Gdfr d 29t July 1802
Seit der Abfertigung meines lezten Briefes an Dich der wahrscheinlich noch auf dem Postwagen lagert habe ich viel Stoff zur Unterhaltung zwar nicht durch Lenorens Briefe denn noch sind keine angelangt – sondern durch – Pito den ich endlich nicht nur gesehen sondern auch – freilich auf ihr Anstiften solo gesprochen – Montag früh sah mich Madame auf dem Gang bei meiner Comode, erkundigte sich sehr theilnehmend nach meiner Gesundheit – und bat mich weil das Wetter so gar schön den Abend auf den Glazhof – ich gieng gegen 6 uhr und muste den prächtigen götlichen Abend oben in der Stube auf dem Sopha mit ihm verbringen – sie führte mich herauf – und nahm dann den freundlichsten Abschied um allerley unten zu bestellen erst gegen halb 8 rief sie zu Tische – Anfangs redete er nur wie wenig Einfluß das CarlsBad dismahl auf ihn gehabt – meinte es wären sanfte Mittel durch die er von dieser Krankheit hätte gehoben werden sollen – wozu ich einstimte daß wohl eine andre Reise beßer gewesen – nach und nach aber gerieht er wieder auf alte Ideen die Er schon öfters geäußert – und vermengte daneben noch andre mit einer solchen feinen Energie worauf ich freilich mit äußerm Lachen und comischen Wesen antwortete – mit unter lachte auch Er, und wenn ich dann triumpfirte daß Er schon jezt sich selbst auslachte, meinte Pito – dis wäre mir Beweis | von NervenSchwäche wie das Weinen – er fühlte wohl was er sagte – das refrain war imer: Er könne die Quelle seines Unglüks eben so wenig vergeßen, als die möglichen Mittel es zu erleichtern – kurz nach allem war den folgenden Tag in den Zwischenzeiten meiner Schulen nichts beßer für mich als fleißig im Julius Caesar zu lesen – jezt ist mir alles wieder gewöhnlich – Du lachst wohl und möchtest gern viel mehr davon wißen – wenn mir es nur selbst recht klar wäre[;] nach Dir frug Er auch recht herzlich aber ich hatte Deinen Brief nicht bei mir und sagte es wäre auch beßer – ach! erwiederte Er – Sie lesen mir vor und laßen aus was Sie wollen ist das nicht götlich – genug von diesem Einzigen.
Beim solo als auch in ihrer Gegenwart sprach er viel vom Elisium wo Wir uns gewiß oft sehen würden – Dich bat er auch jezt bald wieder zu kommen | ich antwortete in 8 Wochen worauf ein jämerliches Gesicht erfolgte den 30ten Abends um 8 gieng ich ganz allein hin fand alles verschloßen – und genoß den schönen Abend ganz.
Den 31ten July Abend gegen 8 uhr – Einer rechten Erquikung habe ich jezt nach einem heißen Tage genoßen – beinahe 2 Stunden solo auf dem jezt warlich sehr schönen GottesAker den Du seit der schnellen Vergrößerung so nicht gesehen hast – wo man so ganz ungestört in denen Alleen wandeln kann – wenn die Bäume noch etwas stärker sein werden bekomen wir in der Nähe einen treflichen Spaziergang – Viele strichen bei mir vorbei um auf den QuestenBerg zu gehen – stöhrten mich aber nicht – und wie wäre das auch möglich – – ich las in den Monologen | ich las 119 – und einige Seiten weiter – und genoß so ganz rein die schöne Natur und mich selbst – grüßte im Geist alles was ich liebe – auch Lenore die imer noch nicht geschrieben hat – meine Sorge ist nur daß vielleicht die Herz schon verreist war als meine Epistel am 27ten vorigen Monats dort anlangte. Morgen mehr – denn ich habe Dir noch viel zu sagen – gute Nacht.
Den 1ten August Heute der Geburtstag unsrer treflichen Aulock von welcher ich aber gar nichts weiß – ach es ist doch traurig bei einer solchen Nähe in einer so langen peinlichen Ungewißheit zu bleiben! hätte ich Dir diesen festlichen Tag in meinen vorigen Briefen angezeigt Du hättest gewiß einige Zeilen für das holde Weib an mich gesendet[;] werde mir aber nur deswegen nicht böse! –
Heute ist Sontag wie magst Du denselben verleben! vielleicht schreibst Du nach Berlin nach Gnadenfrei denn ich gestehe es Dir ganz gern mich verlangt sehr wieder etwas von Dir zu hören. Jezt laß mich weiter fortfahren in meinem TageBuche – Am 26ten July war die Pito Geschichte – am 27ten lesen im Julius Caesar – und am 28ten eine längst vorgenomne Ausflucht zu Wagen mit meiner Schulzen – um ihr ein Vergnügen zu machen und auch wegen meiner Bequemlichkeit da man jeziger Zeit immer Regen fürchtet – nahm ich uns eine halb Chaise – und zwar dieselbe in der Wir weiland fuhren | und denselben Kutscher – schon dis behagliche Gefühl machte mich sehr glüklich daß Schulzen nicht unempfindlich dagegen war ist leicht zu erachten – – Sie war ganz Freude und Gefühl – Dankbarkeit darf ich nicht sagen denn es könte ihr leicht als Laster angerechnet werden – Unsre ganze Fahrt bis Bertolsdorf hinter Reichenbach – war mit meinem Lebenslauf zu vergleichen drohende Gewitter von einer Seite – blauer Himmel auf der andern – und RegenSchauer die jedoch nicht lange währten, die Zwischenzeiten erlaubten uns den Garten zu betrachten der ganz einfach – jedoch auf beiden Seiten mit alten schattigten Linden versehen, worunter Tisch und Bänke für die dahin wandernden Städter angebracht sind – und dann auf der andern Seite des Schloßes alwo der alte Obriste Bieberstein residirt – einen Hügel zu ersteigen der mit Wein bepflanzt – und auf deßen Höhe ein artiges Somerhaus von welchem man eine recht hübsche Aussicht hat – kaum waren Wir aber in der Stube des [Bräuers] angelangt und hatten eine Tasse caffe getrunken – als uns das Wetter ereilte – aber schreklicher durch Regen als Doner sich auszeichnete – gegen 4 uhr war alles wieder hell |
Wir fuhren weiter nach Albensdorf dem Baron Feher gehörig einem ganz treflichen Garten den ich zum 2ten mahle sahe – obschon es sehr naß war, so machte doch der viele Kies es möglich herum zu wandern in diesem IrrGarten mit lauter Wänden von ausländischen Kiefern und andern seltnen Gewächsen eingefaßt – [verschiedne] artige Abwechselungen durch einen Canal künstlich vertheilt der an einem Ende so komt daß man auf einer Gondel fahren kann – das oberste Gemäuer einer Eisgrube welches als Ruine schon von weiten hervorragt und ein japanisches Sommerhaus welches sehr schön gemahlt aber wegen der bunten Gläser die an den Fenstern angebracht und den Himel in verschiednen Illuminationen vorstellen – macht es mir noch werther – doch was wage ich Dir so was zu erzählen – ich schäme mich beim überlesen da ich gestehen muß daß ich bei allem dem Schreiben von Worten gar nichts gesagt – und auch wirklich hierin zu wenig geübt bin – sage mir doch recht offen Deine Meinung[.] Du hast es zwar nicht gesehen aber gewiß würdest Du es anschaulicher machen; doch so fade und platt es klingt – so bleibend wohlthuend ist doch das Gefühl meine Schulzen so froh gemacht zu haben und ich selbst genoß bei dieser Fahrt mehr Erholung – es war grade Bewegung – Geselschaft genug – und mein Kopf befand sich äußerst wohl dabei – beßer – als bei denen sehr strapazieusen Tages Reisen auf dem Leiter Wagen – welche die Zeit her fleißig nach Fürstenstein gemacht werden. |
den 8ten August
Es fehlen mir wirklich Worte Dir die Sehnsucht zu schildern nach Briefen von Leonoren oder Jetten – und unserm Freund le solitaire à Stolpe – eine Woche ein Posttag nach dem andern verstreicht und ich erfahre nichts. Dieses Sehnen und innre Jammern (denn gleichgültig kann mein eigentliches ich darüber nicht bleiben) – trägt zur Verschlimmerung meines noch imer peinigenden NervenKopfwehes gewiß viel bei – schon manche Sorge wie meine Briefe aufgenomen – und mir noch mehr seit Deinem Schweigen gemachte Besorgniße ob Leonoren irgend etwas zugestoßen – denn Du meldetest wohl von einem regen Briefwechsel unter Euch – aber seit jenem 1ten July weiß ich von Beiden nichts – diese Woche will ich noch harren – dann aber komt diese Epistel so schreklich unleserlich sie ist auf die Post! Von meiner Aulock die mir doch so nahe ist weis ich auch noch immer nichts – das erregt mir auch Kumer – zum 1ten dieses schrieb ich ihr habe aber nichts vernomen – ach es würde recht schlimm mit mir in jedem Betracht aussehen wenn ich nicht im heiligsten meines Wesens ein etwas hätte was mich noch aufrecht und heiter erhällt – – |
Gnadenfrey, den 11ten August 1802
Es ist alles Nichts – oder vielmehr es ist Alles Dein! Diese Worte zeigen Dir natürlich den Empfang eines so sehnlich gewünschten Briefes aus Stolpe an – doch nicht dis allein sondern eine halbe Stunde vorher einen aus Rattibor – und mit dem Deinen zugleich einen treflichen von Leonoren – als wenn die Liebenden Geliebten sich beredet hätten mich in einem Augenblik zu erfreuen – daß ich der Einzigen Brief zuerst las – erräthst Du ohne weiteres – aber wie schwach meine Nerven sind ist daraus zu erhellen, daß ich fast eine Stunde warten muste Deine Epistel zu beherzigen indem ich einen solchen empfindlichen Schmerz und Kälte in meinen Kopf bekam daß ich Spiritus reiben und dran riechen – kurz alles thun – und laßen muste – um mich wieder zurecht zu bringen – Morgen mehr – gute Nacht – mann spricht von einem werdenden Gewitter – Wir haben hier sehr heiße Tage, wegen der Erndte sehr gut!
Den 12ten Bis gegen 11 uhr muste mann gestern der feurigen Blize wegen aufbleiben – das heißt jezt bei mir lange, indem ich wegen meiner Schwäche im Kopf mehrentheils 10 uhr sehnsuchtsvoll entgegen harre – oft auch schon um 9 zu Bette gehe wie unausstehlich wäre mir das bei mehrerer Kraft gewesen da ich unter denen wechselnden Verhältnißen meines Lebens niemals vor 11 das Bett gesucht, und vor 6 es verlaßen habe |
Ehe ich über alle die Schäze die durch Eure Briefe mir zutheil geworden mich weiter äußere, bemerke ich zuerst das angenehme Gefühl, welches jedesmahl mein innres sanft durchweht wenn ich sehe daß wir an einem Tage geschrieben haben, wie ich aus Deinem Briefe wieder gesehen – in meinen beiden vorigen wirst Du eben die Tage im Juny usw. finden wenn ich mich nicht irre.
Wenn Du während Deiner Einsamkeit noch öfters den Mangel an Briefen so empfindlich gewahr wirst – oder Dir dabei gleich das Ende des geliebten Weibes vorstelst, und alles was damit verbunden so lebhaft und anschaulich Dir machtest – und so schreklich wühlst in dem Labirinth des Weges den Du alsdann gehen würdest – dann mein Lieber würde mir bange um Dich – und Sie die Traute verliehrt dabei auch – Sie „die nicht mehr so unbesorgt um sich als ehedem seitdem sie weiß daß alle Blüthen Deines Lebens gestreift sein würden mit ihrem Hinsinken – Sie die durch Deine Liebe mehr Achtung für sich selbst bekommen hat“ ach Sie fühlt es so tief was Du leidest, wie das Außenbleiben ihrer Briefe Dich die Schreken des Todes ahnden läßt – ich hoffe Du wirst Dich aus Liebe und Schonung für Dich und die Geliebte künftig mehr faßen – auch ich bitte recht herzlich darum! Daneben läugne ich gar nicht daß auch mich das Schweigen geängstigt wie Du aus dem vorigen ersehen wirst – bei Leesung Deiner | Epistel die ich gestern Abend unten im Garten erst recht beherzigt habe ich wirklich mit Dir recht gelitten und gekämpft – nicht nur mich in Dich hineingedacht sondern auch empfunden – denn schon öfters dachte ich mir während Leonorens und Friedrichs langem Schweigen Euren Verlust – und ich wuste mir wirklich nichts zu wählen – obschon ich Leonoren nie gesehen – so schien mir es doch so jämmerlich so unaussprechlich traurig ja unmöglich mir hienieden Eins oder das Andre zu denken (hier fält mir die Lucie ein – die Anfrage ist wahrlich zu spät und war schon seit jener Äußerung über welche Du Dich selbst tadeltest zu spät – doch werde ich es beantworten) – deßen ganz zu geschweigen was ich durch Dein Hinscheiden allein ohne die Verbindung mit Leonoren leiden würde – Genug hiervon!!! –
Ich gehe nun zum Anfange Deiner Epistel, und danke Dir für den schönen liebevollen Gruß der Dohnas der mir viel werth war – auch das Benehmen des Königs gegen diese Familie thut mir für Beide Theile wohl! hoffentlich wirst Du auch bald was von LouÏs hören – dem Du doch etwas von meinen Gedanken über sein individuum mitgetheilt hast – öfters schon war mir es süß durch Dein Verhältniß mit der Familie und besonders durch das zwar kurze doch schöne Anschauen derselben mit denen treflichen Leuten auch bekant zu sein – das was sie an mir finden habe ich freilich in jeder Absicht Dir zuzuschreiben – das mir anbefohlne werde ich pünktlich mit dem Umschlage besorgen –
Daß Du eine so liebliche Darstellung der Gräfin Carwinden in Deiner Nähe hast, gönne ich Dir, ich fühle das mit Dir |
den 16ten August
Eine fürchterliche lange Pause in welcher mein Kopf ja mein ganzer Cörper viel gelitten – und noch leidet – da es eben jezt erträglich benuze ich diesen Zwischenraum mit Dir zu plaudern. Also weiter zu Deinem Briefe aus welchen zu ersehen – daß Dein Aufenthalt in Stolpe wohl nicht von langer Dauer sein wird – Sonderbar wenn Du noch ganz in Preußen wohnhaft würdest – wenn Dort das was zu jenen Zeiten zuweilen Dein Ideal war – zwar in einer andern Gestalt – aber doch in einer seltenen – und durch einen ganz außerordentlichen merkwürdigen Zusamenfluß von Umständen sich eben dort realisiren müste – daß ich dabei vielleicht verliere weil Du dann nicht über ungenießbare Landfische zu klagen hast – daran will ich jezt nicht denken – sondern nur an das liebliche Wesen mit Leonoren allda – gute Nacht die Charmante ist bei mir ich will mit ihr plaudern – welches schon lange nicht geschehen ist –
den 17ten gegen Abend! In Deinem Briefe weiter zu gehen – denn die litums über Eleonorens Schweigen sind beantwortet – nun komt der Ring – ich weiß selbst nicht warum ich Dich nicht davon benachrichtigt aber nach Berlin habe ich es geschrieben daß er mir auf dem 4ten Finger viel zu weit ist – und ich ihn also sehr vernähern muste um ihn tragen zu könen – aber ach am 3ten dieses ereignete sich an meiner Hand an der unbedekten Seite das Unglük daß der eine Bund Haare losgieng – – in der | Ungewißheit in welcher ich mich Eurentwegen damals befand fürchtete ich daß ich irgend eine schrekliche Nachricht die auf jenen Tag Bezug hätte hören würde – gelesen habe ich freilich aus Deiner Epistel genug und wahrlich den völligen Vorschmak von allem trüben gehabt was sich nur ereignen könte – aber am 3ten dieses warst Du schon wieder in völligem Besiz eines Kleinods dem Du eigentlich jezt nur nachjagest – denn dem irdischen nach seid Ihr noch nicht vereint – Dein Brief wurde an jenem Tage geendigt – also hast Du Dich doch mit mir beschäftigt – – doch wieder zum Ringe – welchen ich noch nicht zum Goldschmied geschikt, da ich hoffe es mir so anzukleistern – – wilst Du mir aber auf den kleinen Finger einen Ring nach einem neuen Maaße machen laßen – so wird mir das sehr lieb sein – wenn ihn auch die nouveaux mariés erst mitbringen denn künftig Jahr im Herbst wird doch wohl Leonore abgeholt werden! Da habe ich also ganz recht geahndet daß die Herz bei der Ankunft meines Briefes schon im Bade war – denn ich konte mir das gänzliche Schweigen von einer solchen Frau gar nicht erklären – freilich hätte mir Brenna durch ein paar Zeilen manche unnüze peinigende Gedanken erspart – ich sehe einem Brief welcher das schwarze Tuch wahrscheinlich begleiten wird mit ganz eignem Gefühl entgegen – Für Deine Beantwortung meiner Briefe und Auskunft aller Art danke ich Dir recht herzlich – aber über oder wegen der Monologen von denen ich öfters erwähnt sagst Du | ja kein Wort – ist es Demuth die Dich so stum macht? oder das inre Mißbehagen daß es von sonst Niemand unsrer Lieben gelesen? – hätte ich die Aulock gesehen – so wäre sie schon mit Leonoren und den Monologen bekant – aber – nur so hinzuschiken – ohne darüber zu sprechen – das läßt mein Eigensinn nicht zu!
den 20ten Noch habe ich nicht weiter geschrieben – ich kan Dir also grade hier am rechten Ort die frohe Nachricht bringen die Dich mit unserer Unthätigkeit und Nachläßigkeit aussöhnen wird: ich habe sie gesehen gesprochen das trefliche Weib – ganz allein – in ihrer eignen Stube in Pangel – am 18ten nach 12 uhr – fuhr ich en quatre mit der alten Surveillante qui palit – einer jungen Schwester die auch clavecin Schulen in der Anstalt giebt die Du aber nicht kenst und der Schulzen hin – um das schöne Wäldchen ihnen zu zeigen, und meine Freundin sie sei umringt von Freunden oder im Bett doch ein Weilchen zu sehen – und ich fand es so gut wie mir es noch nie wurde. Er begrüste uns unterwegens kurz vor dem Dorfe wo Er Weizen binden lies – und Sie das holde leidende Wesen ganz allein mit Ferdinand (er und alle Kinder grüßen Dich) lange schon hat sie an den Augen gelitten – und kam eben aus dem Bette – natürlich war ich voran gegangen um ihre Erlaubniß für die Andern zu bitten – Sie bewirtete uns Alle mit ihrem Coffe in ihrer Stube worüber die Geselschaft als auch über die liebliche KinderGruppe ganz entzükt war – noch in ihrer Gegenwart frug sie nach Dir – gegen 4 giengen die Andern in Begleitung ihrer Kinder ins Wäldchen – | Nun waren die Freunde allein! Zuerst nach Entschuldigungen über ihre nicht Erscheinung am 3ten May woran die alzulange fete der sie am 2ten beiwohnte sie hinderte – Deine Sehnsucht nach ihr und alles was Du noch von ihr sagtest – stamelte ich ihr vor so gut ich konte – ein wohlwollender Blik und einziges Lächeln, was ihr so gut steht bezeigte ihre Freude – auch gab sie mir weiter hin zu verstehen – wie angenehm Dein Umgang – ja selbst Dein Schweigen etwas unbeschreiblich anziehendes hätte – – –
Daß ich meine Briefe zu mir gestekt versteht sich – wir wurden verschiedene mahl gestöhrt – doch konte ich ihr das wichtigste aus Deinem 1ten Briefe aus Stolpe mittheilen – und Leonorens Briefe da ihr der 2te beßer als der 1te behagte – den am 3ten May hier geschriebnen las ich ihr auch – und auch Sie fand ihn ganz einzig und war so gerührt, als ich es gewiß selbst bin so oft ich ihn lese – ganz ungeheuchelt wüste ich nicht leicht so was schönes und doch so einfach und natürlich geschrieben – jedesmahl zollt Dir mein inres Dank – innigen Dank für dis Kleinod – Auch meiner Freundin ist noch bange vor den Klüften die zwischen Eure Vereinigung sich zu legen scheinen – Gott helfe! hier
Was würde meine verewigte Zimerman wohl hiezu sagen – die inige zärtliche kindliche Liebe der Leonore für ihre Mutter ist der Aulock wie mir äußerst rührend. Die Trefliche grüßt Dich vielmals – Sie versprach mir | bald herzukommen – dann will ich ihr aus Deinem lezten vorlesen und ihr die Monologen geben.
Es ist mir so den Brief welchen man mit Recht zerstreute aber unleserliche Blätter nennen kan – heute abzuschiken doch nein – er bleibt doch liegen also auf den Montag – gute Nacht! Pritwizes von denen noch mehr erwähnt wird bitten Dich jezt ja alle Abend niederschlagend Pulver zu nehmen – Sie meint – in jenen litums wäre Dein Styl recht sichtlich verändert so schwärmerisch hätte sie, Dich, nicht geglaubt.
den 21ten Hurtig muß ich Dir melden daß mir der heutige Posttag einen Brief von Jetten gebracht – so nenne ich sie seit dem Empfang – jenes Papieres deßen Inhalt so herzlich ist als der Ton mit welchem Du hier oft ihrer erwähntest und durchaus eben so herzlichen Nachklang von mir fordertest – ich bin recht erfreut über alles was Sie darin sagt und werde ihr in diesen Tagen antworten – Alles wird dann auf einmahl an meine Lieben abgehn – weil ich auch eine Epistel an Leonoren mit einschließe – denn diesen Brief allein gehen zu laßen wage ich wegen dem Peiniger nicht – diese schrekliche Epistel ende ich – und fange gleich wieder eine an, welche mit Pritwizes, Pito, Anstalt, und neuem Allerley angefült sein wird – mit derselben wird Willichs Briefe zurük erscheinen – alles ohne Deine Antwort zu erwarten. Von Leonoren auch künftig mehr – mein Herz ist so voll von ihr der Leidenden daß ich jezt mit Dir gar nicht davon sprechen kann! Werde nur dort nicht krank
Lotte.
Seit der Abfertigung meines lezten Briefes an Dich der wahrscheinlich noch auf dem Postwagen lagert habe ich viel Stoff zur Unterhaltung zwar nicht durch Lenorens Briefe denn noch sind keine angelangt – sondern durch – Pito den ich endlich nicht nur gesehen sondern auch – freilich auf ihr Anstiften solo gesprochen – Montag früh sah mich Madame auf dem Gang bei meiner Comode, erkundigte sich sehr theilnehmend nach meiner Gesundheit – und bat mich weil das Wetter so gar schön den Abend auf den Glazhof – ich gieng gegen 6 uhr und muste den prächtigen götlichen Abend oben in der Stube auf dem Sopha mit ihm verbringen – sie führte mich herauf – und nahm dann den freundlichsten Abschied um allerley unten zu bestellen erst gegen halb 8 rief sie zu Tische – Anfangs redete er nur wie wenig Einfluß das CarlsBad dismahl auf ihn gehabt – meinte es wären sanfte Mittel durch die er von dieser Krankheit hätte gehoben werden sollen – wozu ich einstimte daß wohl eine andre Reise beßer gewesen – nach und nach aber gerieht er wieder auf alte Ideen die Er schon öfters geäußert – und vermengte daneben noch andre mit einer solchen feinen Energie worauf ich freilich mit äußerm Lachen und comischen Wesen antwortete – mit unter lachte auch Er, und wenn ich dann triumpfirte daß Er schon jezt sich selbst auslachte, meinte Pito – dis wäre mir Beweis | von NervenSchwäche wie das Weinen – er fühlte wohl was er sagte – das refrain war imer: Er könne die Quelle seines Unglüks eben so wenig vergeßen, als die möglichen Mittel es zu erleichtern – kurz nach allem war den folgenden Tag in den Zwischenzeiten meiner Schulen nichts beßer für mich als fleißig im Julius Caesar zu lesen – jezt ist mir alles wieder gewöhnlich – Du lachst wohl und möchtest gern viel mehr davon wißen – wenn mir es nur selbst recht klar wäre[;] nach Dir frug Er auch recht herzlich aber ich hatte Deinen Brief nicht bei mir und sagte es wäre auch beßer – ach! erwiederte Er – Sie lesen mir vor und laßen aus was Sie wollen ist das nicht götlich – genug von diesem Einzigen.
Beim solo als auch in ihrer Gegenwart sprach er viel vom Elisium wo Wir uns gewiß oft sehen würden – Dich bat er auch jezt bald wieder zu kommen | ich antwortete in 8 Wochen worauf ein jämerliches Gesicht erfolgte den 30ten Abends um 8 gieng ich ganz allein hin fand alles verschloßen – und genoß den schönen Abend ganz.
Den 31ten July Abend gegen 8 uhr – Einer rechten Erquikung habe ich jezt nach einem heißen Tage genoßen – beinahe 2 Stunden solo auf dem jezt warlich sehr schönen GottesAker den Du seit der schnellen Vergrößerung so nicht gesehen hast – wo man so ganz ungestört in denen Alleen wandeln kann – wenn die Bäume noch etwas stärker sein werden bekomen wir in der Nähe einen treflichen Spaziergang – Viele strichen bei mir vorbei um auf den QuestenBerg zu gehen – stöhrten mich aber nicht – und wie wäre das auch möglich – – ich las in den Monologen | ich las 119 – und einige Seiten weiter – und genoß so ganz rein die schöne Natur und mich selbst – grüßte im Geist alles was ich liebe – auch Lenore die imer noch nicht geschrieben hat – meine Sorge ist nur daß vielleicht die Herz schon verreist war als meine Epistel am 27ten vorigen Monats dort anlangte. Morgen mehr – denn ich habe Dir noch viel zu sagen – gute Nacht.
Den 1ten August Heute der Geburtstag unsrer treflichen Aulock von welcher ich aber gar nichts weiß – ach es ist doch traurig bei einer solchen Nähe in einer so langen peinlichen Ungewißheit zu bleiben! hätte ich Dir diesen festlichen Tag in meinen vorigen Briefen angezeigt Du hättest gewiß einige Zeilen für das holde Weib an mich gesendet[;] werde mir aber nur deswegen nicht böse! –
Heute ist Sontag wie magst Du denselben verleben! vielleicht schreibst Du nach Berlin nach Gnadenfrei denn ich gestehe es Dir ganz gern mich verlangt sehr wieder etwas von Dir zu hören. Jezt laß mich weiter fortfahren in meinem TageBuche – Am 26ten July war die Pito Geschichte – am 27ten lesen im Julius Caesar – und am 28ten eine längst vorgenomne Ausflucht zu Wagen mit meiner Schulzen – um ihr ein Vergnügen zu machen und auch wegen meiner Bequemlichkeit da man jeziger Zeit immer Regen fürchtet – nahm ich uns eine halb Chaise – und zwar dieselbe in der Wir weiland fuhren | und denselben Kutscher – schon dis behagliche Gefühl machte mich sehr glüklich daß Schulzen nicht unempfindlich dagegen war ist leicht zu erachten – – Sie war ganz Freude und Gefühl – Dankbarkeit darf ich nicht sagen denn es könte ihr leicht als Laster angerechnet werden – Unsre ganze Fahrt bis Bertolsdorf hinter Reichenbach – war mit meinem Lebenslauf zu vergleichen drohende Gewitter von einer Seite – blauer Himmel auf der andern – und RegenSchauer die jedoch nicht lange währten, die Zwischenzeiten erlaubten uns den Garten zu betrachten der ganz einfach – jedoch auf beiden Seiten mit alten schattigten Linden versehen, worunter Tisch und Bänke für die dahin wandernden Städter angebracht sind – und dann auf der andern Seite des Schloßes alwo der alte Obriste Bieberstein residirt – einen Hügel zu ersteigen der mit Wein bepflanzt – und auf deßen Höhe ein artiges Somerhaus von welchem man eine recht hübsche Aussicht hat – kaum waren Wir aber in der Stube des [Bräuers] angelangt und hatten eine Tasse caffe getrunken – als uns das Wetter ereilte – aber schreklicher durch Regen als Doner sich auszeichnete – gegen 4 uhr war alles wieder hell |
Wir fuhren weiter nach Albensdorf dem Baron Feher gehörig einem ganz treflichen Garten den ich zum 2ten mahle sahe – obschon es sehr naß war, so machte doch der viele Kies es möglich herum zu wandern in diesem IrrGarten mit lauter Wänden von ausländischen Kiefern und andern seltnen Gewächsen eingefaßt – [verschiedne] artige Abwechselungen durch einen Canal künstlich vertheilt der an einem Ende so komt daß man auf einer Gondel fahren kann – das oberste Gemäuer einer Eisgrube welches als Ruine schon von weiten hervorragt und ein japanisches Sommerhaus welches sehr schön gemahlt aber wegen der bunten Gläser die an den Fenstern angebracht und den Himel in verschiednen Illuminationen vorstellen – macht es mir noch werther – doch was wage ich Dir so was zu erzählen – ich schäme mich beim überlesen da ich gestehen muß daß ich bei allem dem Schreiben von Worten gar nichts gesagt – und auch wirklich hierin zu wenig geübt bin – sage mir doch recht offen Deine Meinung[.] Du hast es zwar nicht gesehen aber gewiß würdest Du es anschaulicher machen; doch so fade und platt es klingt – so bleibend wohlthuend ist doch das Gefühl meine Schulzen so froh gemacht zu haben und ich selbst genoß bei dieser Fahrt mehr Erholung – es war grade Bewegung – Geselschaft genug – und mein Kopf befand sich äußerst wohl dabei – beßer – als bei denen sehr strapazieusen Tages Reisen auf dem Leiter Wagen – welche die Zeit her fleißig nach Fürstenstein gemacht werden. |
den 8ten August
Es fehlen mir wirklich Worte Dir die Sehnsucht zu schildern nach Briefen von Leonoren oder Jetten – und unserm Freund le solitaire à Stolpe – eine Woche ein Posttag nach dem andern verstreicht und ich erfahre nichts. Dieses Sehnen und innre Jammern (denn gleichgültig kann mein eigentliches ich darüber nicht bleiben) – trägt zur Verschlimmerung meines noch imer peinigenden NervenKopfwehes gewiß viel bei – schon manche Sorge wie meine Briefe aufgenomen – und mir noch mehr seit Deinem Schweigen gemachte Besorgniße ob Leonoren irgend etwas zugestoßen – denn Du meldetest wohl von einem regen Briefwechsel unter Euch – aber seit jenem 1ten July weiß ich von Beiden nichts – diese Woche will ich noch harren – dann aber komt diese Epistel so schreklich unleserlich sie ist auf die Post! Von meiner Aulock die mir doch so nahe ist weis ich auch noch immer nichts – das erregt mir auch Kumer – zum 1ten dieses schrieb ich ihr habe aber nichts vernomen – ach es würde recht schlimm mit mir in jedem Betracht aussehen wenn ich nicht im heiligsten meines Wesens ein etwas hätte was mich noch aufrecht und heiter erhällt – – |
Gnadenfrey, den 11ten August 1802
Es ist alles Nichts – oder vielmehr es ist Alles Dein! Diese Worte zeigen Dir natürlich den Empfang eines so sehnlich gewünschten Briefes aus Stolpe an – doch nicht dis allein sondern eine halbe Stunde vorher einen aus Rattibor – und mit dem Deinen zugleich einen treflichen von Leonoren – als wenn die Liebenden Geliebten sich beredet hätten mich in einem Augenblik zu erfreuen – daß ich der Einzigen Brief zuerst las – erräthst Du ohne weiteres – aber wie schwach meine Nerven sind ist daraus zu erhellen, daß ich fast eine Stunde warten muste Deine Epistel zu beherzigen indem ich einen solchen empfindlichen Schmerz und Kälte in meinen Kopf bekam daß ich Spiritus reiben und dran riechen – kurz alles thun – und laßen muste – um mich wieder zurecht zu bringen – Morgen mehr – gute Nacht – mann spricht von einem werdenden Gewitter – Wir haben hier sehr heiße Tage, wegen der Erndte sehr gut!
Den 12ten Bis gegen 11 uhr muste mann gestern der feurigen Blize wegen aufbleiben – das heißt jezt bei mir lange, indem ich wegen meiner Schwäche im Kopf mehrentheils 10 uhr sehnsuchtsvoll entgegen harre – oft auch schon um 9 zu Bette gehe wie unausstehlich wäre mir das bei mehrerer Kraft gewesen da ich unter denen wechselnden Verhältnißen meines Lebens niemals vor 11 das Bett gesucht, und vor 6 es verlaßen habe |
Ehe ich über alle die Schäze die durch Eure Briefe mir zutheil geworden mich weiter äußere, bemerke ich zuerst das angenehme Gefühl, welches jedesmahl mein innres sanft durchweht wenn ich sehe daß wir an einem Tage geschrieben haben, wie ich aus Deinem Briefe wieder gesehen – in meinen beiden vorigen wirst Du eben die Tage im Juny usw. finden wenn ich mich nicht irre.
Wenn Du während Deiner Einsamkeit noch öfters den Mangel an Briefen so empfindlich gewahr wirst – oder Dir dabei gleich das Ende des geliebten Weibes vorstelst, und alles was damit verbunden so lebhaft und anschaulich Dir machtest – und so schreklich wühlst in dem Labirinth des Weges den Du alsdann gehen würdest – dann mein Lieber würde mir bange um Dich – und Sie die Traute verliehrt dabei auch – Sie „die nicht mehr so unbesorgt um sich als ehedem seitdem sie weiß daß alle Blüthen Deines Lebens gestreift sein würden mit ihrem Hinsinken – Sie die durch Deine Liebe mehr Achtung für sich selbst bekommen hat“ ach Sie fühlt es so tief was Du leidest, wie das Außenbleiben ihrer Briefe Dich die Schreken des Todes ahnden läßt – ich hoffe Du wirst Dich aus Liebe und Schonung für Dich und die Geliebte künftig mehr faßen – auch ich bitte recht herzlich darum! Daneben läugne ich gar nicht daß auch mich das Schweigen geängstigt wie Du aus dem vorigen ersehen wirst – bei Leesung Deiner | Epistel die ich gestern Abend unten im Garten erst recht beherzigt habe ich wirklich mit Dir recht gelitten und gekämpft – nicht nur mich in Dich hineingedacht sondern auch empfunden – denn schon öfters dachte ich mir während Leonorens und Friedrichs langem Schweigen Euren Verlust – und ich wuste mir wirklich nichts zu wählen – obschon ich Leonoren nie gesehen – so schien mir es doch so jämmerlich so unaussprechlich traurig ja unmöglich mir hienieden Eins oder das Andre zu denken (hier fält mir die Lucie ein – die Anfrage ist wahrlich zu spät und war schon seit jener Äußerung über welche Du Dich selbst tadeltest zu spät – doch werde ich es beantworten) – deßen ganz zu geschweigen was ich durch Dein Hinscheiden allein ohne die Verbindung mit Leonoren leiden würde – Genug hiervon!!! –
Ich gehe nun zum Anfange Deiner Epistel, und danke Dir für den schönen liebevollen Gruß der Dohnas der mir viel werth war – auch das Benehmen des Königs gegen diese Familie thut mir für Beide Theile wohl! hoffentlich wirst Du auch bald was von LouÏs hören – dem Du doch etwas von meinen Gedanken über sein individuum mitgetheilt hast – öfters schon war mir es süß durch Dein Verhältniß mit der Familie und besonders durch das zwar kurze doch schöne Anschauen derselben mit denen treflichen Leuten auch bekant zu sein – das was sie an mir finden habe ich freilich in jeder Absicht Dir zuzuschreiben – das mir anbefohlne werde ich pünktlich mit dem Umschlage besorgen –
Daß Du eine so liebliche Darstellung der Gräfin Carwinden in Deiner Nähe hast, gönne ich Dir, ich fühle das mit Dir |
den 16ten August
Eine fürchterliche lange Pause in welcher mein Kopf ja mein ganzer Cörper viel gelitten – und noch leidet – da es eben jezt erträglich benuze ich diesen Zwischenraum mit Dir zu plaudern. Also weiter zu Deinem Briefe aus welchen zu ersehen – daß Dein Aufenthalt in Stolpe wohl nicht von langer Dauer sein wird – Sonderbar wenn Du noch ganz in Preußen wohnhaft würdest – wenn Dort das was zu jenen Zeiten zuweilen Dein Ideal war – zwar in einer andern Gestalt – aber doch in einer seltenen – und durch einen ganz außerordentlichen merkwürdigen Zusamenfluß von Umständen sich eben dort realisiren müste – daß ich dabei vielleicht verliere weil Du dann nicht über ungenießbare Landfische zu klagen hast – daran will ich jezt nicht denken – sondern nur an das liebliche Wesen mit Leonoren allda – gute Nacht die Charmante ist bei mir ich will mit ihr plaudern – welches schon lange nicht geschehen ist –
den 17ten gegen Abend! In Deinem Briefe weiter zu gehen – denn die litums über Eleonorens Schweigen sind beantwortet – nun komt der Ring – ich weiß selbst nicht warum ich Dich nicht davon benachrichtigt aber nach Berlin habe ich es geschrieben daß er mir auf dem 4ten Finger viel zu weit ist – und ich ihn also sehr vernähern muste um ihn tragen zu könen – aber ach am 3ten dieses ereignete sich an meiner Hand an der unbedekten Seite das Unglük daß der eine Bund Haare losgieng – – in der | Ungewißheit in welcher ich mich Eurentwegen damals befand fürchtete ich daß ich irgend eine schrekliche Nachricht die auf jenen Tag Bezug hätte hören würde – gelesen habe ich freilich aus Deiner Epistel genug und wahrlich den völligen Vorschmak von allem trüben gehabt was sich nur ereignen könte – aber am 3ten dieses warst Du schon wieder in völligem Besiz eines Kleinods dem Du eigentlich jezt nur nachjagest – denn dem irdischen nach seid Ihr noch nicht vereint – Dein Brief wurde an jenem Tage geendigt – also hast Du Dich doch mit mir beschäftigt – – doch wieder zum Ringe – welchen ich noch nicht zum Goldschmied geschikt, da ich hoffe es mir so anzukleistern – – wilst Du mir aber auf den kleinen Finger einen Ring nach einem neuen Maaße machen laßen – so wird mir das sehr lieb sein – wenn ihn auch die nouveaux mariés erst mitbringen denn künftig Jahr im Herbst wird doch wohl Leonore abgeholt werden! Da habe ich also ganz recht geahndet daß die Herz bei der Ankunft meines Briefes schon im Bade war – denn ich konte mir das gänzliche Schweigen von einer solchen Frau gar nicht erklären – freilich hätte mir Brenna durch ein paar Zeilen manche unnüze peinigende Gedanken erspart – ich sehe einem Brief welcher das schwarze Tuch wahrscheinlich begleiten wird mit ganz eignem Gefühl entgegen – Für Deine Beantwortung meiner Briefe und Auskunft aller Art danke ich Dir recht herzlich – aber über oder wegen der Monologen von denen ich öfters erwähnt sagst Du | ja kein Wort – ist es Demuth die Dich so stum macht? oder das inre Mißbehagen daß es von sonst Niemand unsrer Lieben gelesen? – hätte ich die Aulock gesehen – so wäre sie schon mit Leonoren und den Monologen bekant – aber – nur so hinzuschiken – ohne darüber zu sprechen – das läßt mein Eigensinn nicht zu!
den 20ten Noch habe ich nicht weiter geschrieben – ich kan Dir also grade hier am rechten Ort die frohe Nachricht bringen die Dich mit unserer Unthätigkeit und Nachläßigkeit aussöhnen wird: ich habe sie gesehen gesprochen das trefliche Weib – ganz allein – in ihrer eignen Stube in Pangel – am 18ten nach 12 uhr – fuhr ich en quatre mit der alten Surveillante qui palit – einer jungen Schwester die auch clavecin Schulen in der Anstalt giebt die Du aber nicht kenst und der Schulzen hin – um das schöne Wäldchen ihnen zu zeigen, und meine Freundin sie sei umringt von Freunden oder im Bett doch ein Weilchen zu sehen – und ich fand es so gut wie mir es noch nie wurde. Er begrüste uns unterwegens kurz vor dem Dorfe wo Er Weizen binden lies – und Sie das holde leidende Wesen ganz allein mit Ferdinand (er und alle Kinder grüßen Dich) lange schon hat sie an den Augen gelitten – und kam eben aus dem Bette – natürlich war ich voran gegangen um ihre Erlaubniß für die Andern zu bitten – Sie bewirtete uns Alle mit ihrem Coffe in ihrer Stube worüber die Geselschaft als auch über die liebliche KinderGruppe ganz entzükt war – noch in ihrer Gegenwart frug sie nach Dir – gegen 4 giengen die Andern in Begleitung ihrer Kinder ins Wäldchen – | Nun waren die Freunde allein! Zuerst nach Entschuldigungen über ihre nicht Erscheinung am 3ten May woran die alzulange fete der sie am 2ten beiwohnte sie hinderte – Deine Sehnsucht nach ihr und alles was Du noch von ihr sagtest – stamelte ich ihr vor so gut ich konte – ein wohlwollender Blik und einziges Lächeln, was ihr so gut steht bezeigte ihre Freude – auch gab sie mir weiter hin zu verstehen – wie angenehm Dein Umgang – ja selbst Dein Schweigen etwas unbeschreiblich anziehendes hätte – – –
Daß ich meine Briefe zu mir gestekt versteht sich – wir wurden verschiedene mahl gestöhrt – doch konte ich ihr das wichtigste aus Deinem 1ten Briefe aus Stolpe mittheilen – und Leonorens Briefe da ihr der 2te beßer als der 1te behagte – den am 3ten May hier geschriebnen las ich ihr auch – und auch Sie fand ihn ganz einzig und war so gerührt, als ich es gewiß selbst bin so oft ich ihn lese – ganz ungeheuchelt wüste ich nicht leicht so was schönes und doch so einfach und natürlich geschrieben – jedesmahl zollt Dir mein inres Dank – innigen Dank für dis Kleinod – Auch meiner Freundin ist noch bange vor den Klüften die zwischen Eure Vereinigung sich zu legen scheinen – Gott helfe! hier
Was würde meine verewigte Zimerman wohl hiezu sagen – die inige zärtliche kindliche Liebe der Leonore für ihre Mutter ist der Aulock wie mir äußerst rührend. Die Trefliche grüßt Dich vielmals – Sie versprach mir | bald herzukommen – dann will ich ihr aus Deinem lezten vorlesen und ihr die Monologen geben.
Es ist mir so den Brief welchen man mit Recht zerstreute aber unleserliche Blätter nennen kan – heute abzuschiken doch nein – er bleibt doch liegen also auf den Montag – gute Nacht! Pritwizes von denen noch mehr erwähnt wird bitten Dich jezt ja alle Abend niederschlagend Pulver zu nehmen – Sie meint – in jenen litums wäre Dein Styl recht sichtlich verändert so schwärmerisch hätte sie, Dich, nicht geglaubt.
den 21ten Hurtig muß ich Dir melden daß mir der heutige Posttag einen Brief von Jetten gebracht – so nenne ich sie seit dem Empfang – jenes Papieres deßen Inhalt so herzlich ist als der Ton mit welchem Du hier oft ihrer erwähntest und durchaus eben so herzlichen Nachklang von mir fordertest – ich bin recht erfreut über alles was Sie darin sagt und werde ihr in diesen Tagen antworten – Alles wird dann auf einmahl an meine Lieben abgehn – weil ich auch eine Epistel an Leonoren mit einschließe – denn diesen Brief allein gehen zu laßen wage ich wegen dem Peiniger nicht – diese schrekliche Epistel ende ich – und fange gleich wieder eine an, welche mit Pritwizes, Pito, Anstalt, und neuem Allerley angefült sein wird – mit derselben wird Willichs Briefe zurük erscheinen – alles ohne Deine Antwort zu erwarten. Von Leonoren auch künftig mehr – mein Herz ist so voll von ihr der Leidenden daß ich jezt mit Dir gar nicht davon sprechen kann! Werde nur dort nicht krank
Lotte.