Montag den 15ten Abends.
Für heute genug mit der herkulischen Arbeit mich wieder in die verlassene Kritik der Moral und den unterbrochenen Fichte hinein zu studiren. Bin ich nicht ein recht erbärmlicher Mensch, daß mir dergleichen jedesmal so entsetzlich schwer wird? und sollte ich nicht angeschmiedet sitzen sobald etwas angefangen ist, und nicht eher davon gehen bis es fertig ist? Aber das kann ich leider auch nicht. Also kann ich ausgemachter Weise gar nichts. So weit wäre ich nun mit mir im Reinen. [...]
Warum Dich die Männer nicht mehr suchen, fragst Du? Erstlich suchen sie Dich ja, und zweitens geht das in Männer Mysterien hinein, die Du auch nicht zu wissen scheinst. Weil Du indessen fragst so will ich Dich auch gar nicht schonen, sondern Dir vorrechnen, daß Du entsetzlich viel Fehler an Dir hast, oder eigentlich nur einen, geistig und körperlich. Wenn die Männer auch nicht blos ihre Sinnlichkeit befriedigen wollen, so soll diese doch immer mit afficirt werden, das ist was ich an ihnen hasse, aber es ist doch so. Nun bist Du freilich sehr schön; aber ich mögte sagen Du bist zu schön; Du bist zu imponirend und zu wenig pikant es ist nichts an Dir was ein Bischen liederlich aussähe und das ist so nothwendig für die Asthenie der Männer. Auch Dein imposantes ist zu passiv; es frägt gar nicht: wollt Ihr nicht niederknien alle|sammt? sondern es sagt nur ganz gelassen: ich will doch sehen was Ihr mit mir machen sollt. Eben so kläglich steht es nun um Deinen Geist; Du bist nicht recht witzig, nicht recht schalkhaft nicht recht herrschsüchtig; kurz die asthenische geistliche Sinnlichkeit kommt auch zu kurz und Du wirst Dich mit all Deinem Charakter, Deinem Verstand und Deiner Schönheit mit ein Paar so treuen Hunden begnügen müssen wie Alexander und ich. Jetzt sagst Du doch nur noch im Scherz daß Du an uns zweifelst; Gott sei Dank daß wir so weit sind mit Dir Ungläubigen! – Mit dem Behandeln hast Du mich mißverstanden. Ich meine es gar nicht offensiv (wie hätte mir das einfallen können und wieviel Esel soll ich Dir bohren!) sondern nur defensiv auf welche Art Du Deinen Posten vertheidigst wenn es Jemand entweder im Ganzen auf ein Verhältniß anlegt, das Du nicht magst, oder im Einzelnen die Grenzen forciren will, die Du ihm in Dir gesteckt hast. Eine solche Taktik muß wohl auch die absichtloseste Frau haben, und gerade eine solche am meisten. Hierauf bleibst Du also mit der Antwort im Rest. Mit der Treue, liebe Jette, solltest [Du] nur auch den Anfang machen Dich zu expliciren daß ich nur erst weiß was Du darunter meinst, Du weißt ja daß mir die gewöhnlichen Worte in solchen Dingen immer zu kraus und unverständlich sind. Ich kann den Sinn Deiner Frage, ob es Grade in der Treue giebt kaum ahnden, und habe Dich fast im Verdacht daß Du schon seit Jahren eine partiale Untreue im Schilde führst, weil Dir die Sache so sehr am Herzen liegt. Diese Vermuthung soll ein Sporn sein Dich desto eher zur Explication zu bewegen – Mein Gott nun geht mir das Licht aus, und ich wollte noch an zwei oder drei andre Briefe schreiben. Gute Nacht.
Für heute genug mit der herkulischen Arbeit mich wieder in die verlassene Kritik der Moral und den unterbrochenen Fichte hinein zu studiren. Bin ich nicht ein recht erbärmlicher Mensch, daß mir dergleichen jedesmal so entsetzlich schwer wird? und sollte ich nicht angeschmiedet sitzen sobald etwas angefangen ist, und nicht eher davon gehen bis es fertig ist? Aber das kann ich leider auch nicht. Also kann ich ausgemachter Weise gar nichts. So weit wäre ich nun mit mir im Reinen. [...]
Warum Dich die Männer nicht mehr suchen, fragst Du? Erstlich suchen sie Dich ja, und zweitens geht das in Männer Mysterien hinein, die Du auch nicht zu wissen scheinst. Weil Du indessen fragst so will ich Dich auch gar nicht schonen, sondern Dir vorrechnen, daß Du entsetzlich viel Fehler an Dir hast, oder eigentlich nur einen, geistig und körperlich. Wenn die Männer auch nicht blos ihre Sinnlichkeit befriedigen wollen, so soll diese doch immer mit afficirt werden, das ist was ich an ihnen hasse, aber es ist doch so. Nun bist Du freilich sehr schön; aber ich mögte sagen Du bist zu schön; Du bist zu imponirend und zu wenig pikant es ist nichts an Dir was ein Bischen liederlich aussähe und das ist so nothwendig für die Asthenie der Männer. Auch Dein imposantes ist zu passiv; es frägt gar nicht: wollt Ihr nicht niederknien alle|sammt? sondern es sagt nur ganz gelassen: ich will doch sehen was Ihr mit mir machen sollt. Eben so kläglich steht es nun um Deinen Geist; Du bist nicht recht witzig, nicht recht schalkhaft nicht recht herrschsüchtig; kurz die asthenische geistliche Sinnlichkeit kommt auch zu kurz und Du wirst Dich mit all Deinem Charakter, Deinem Verstand und Deiner Schönheit mit ein Paar so treuen Hunden begnügen müssen wie Alexander und ich. Jetzt sagst Du doch nur noch im Scherz daß Du an uns zweifelst; Gott sei Dank daß wir so weit sind mit Dir Ungläubigen! – Mit dem Behandeln hast Du mich mißverstanden. Ich meine es gar nicht offensiv (wie hätte mir das einfallen können und wieviel Esel soll ich Dir bohren!) sondern nur defensiv auf welche Art Du Deinen Posten vertheidigst wenn es Jemand entweder im Ganzen auf ein Verhältniß anlegt, das Du nicht magst, oder im Einzelnen die Grenzen forciren will, die Du ihm in Dir gesteckt hast. Eine solche Taktik muß wohl auch die absichtloseste Frau haben, und gerade eine solche am meisten. Hierauf bleibst Du also mit der Antwort im Rest. Mit der Treue, liebe Jette, solltest [Du] nur auch den Anfang machen Dich zu expliciren daß ich nur erst weiß was Du darunter meinst, Du weißt ja daß mir die gewöhnlichen Worte in solchen Dingen immer zu kraus und unverständlich sind. Ich kann den Sinn Deiner Frage, ob es Grade in der Treue giebt kaum ahnden, und habe Dich fast im Verdacht daß Du schon seit Jahren eine partiale Untreue im Schilde führst, weil Dir die Sache so sehr am Herzen liegt. Diese Vermuthung soll ein Sporn sein Dich desto eher zur Explication zu bewegen – Mein Gott nun geht mir das Licht aus, und ich wollte noch an zwei oder drei andre Briefe schreiben. Gute Nacht.