Es hat mir geahndet, meine theure Freundin, daß Ihre gute Mutter den heutigen Tag nicht mehr sehen würde. In tiefer Trauer wird er Ihnen vergehen. Fremd wird er Ihnen sein und wohl wollen wir wünschen, daß glücklichere ihm folgen mögen, als er sein kann. Selbst dieser Wunsch wird nur eine flüchtige Bewegung Ihres Herzens sein, welches noch wenig anderes thun wird, als Leichenreden halten, wie ich eine vor mir habe. Das ist einer der größten Vorzüge wirklicher Menschen, daß in allen ihren Schmerzen und Freuden, wenn sie gleich auch Vergängliches an sich haben, doch auch das Unvergängliche und Unsterbliche gleich da ist und bald die Oberhand hat. Als ich die Nachricht erhielt von dem Tode meines Vaters, machte man viel Umstände mit mir, um das Unerwartete zu mildern. Das ist so wenig gegen den wahren Schmerz, aber so viel bei den wunderlichen Empfindungen der gewöhnlichen Menschen. Ach, wohl haben Sie recht, daß man nichts so sehr fliehen muß mit einem heiligen Schmerz als die Menschengesichter. Es ist wohlthätig, daß Sie der guten K. helfen wollen sie abzuhalten, und möge heute besonders Ihnen beiden keines beschwerlich fallen und das Duo Ihrer kindlichen und schwesterlichen Herzen stören. Wie viele Augenblicke wird es noch geben in Ihrer beider Leben, wo Sie | die Vollendete zurückwünschen werden als Zeugin Ihres Friedens, Ihres Glaubens, als Zeugin der schönen Erndte, die aus der Saat der Sorgen und der Thränen heraufgewachsen ist. So wird sie oft noch in dem Kreise der ihrigen sein, oder in dem Kreise dieses und jenes davon, wenn eine Zeit kommt, wo sie nicht mehr so nahe versammelt sind in ihrem Namen. Allein immer und unter allen Umständen wird dies Andenken ein Vereinigungspunkt für Sie alle sein, die sie jeder auf seine Weise so schön und innig geliebt haben. Auch das Verschwinden der Menschen von dieser Erde stiftet noch neue Kräfte und Regungen, und wieviel reines Gold zieht ein kundiges Menschenherz aus dem Schooße der Erde herauf. [...]
Was gäbe ich dafür hin, Eine Stunde auch nur bei Ihnen sein zu können, heute an dem mir so heiligen Tage. Es würde eine wehmüthige Stunde sein, aber die Wehmuth ist ja so schön, und wie manche solche zählen wir unter die köstlichsten Augenblicke unsres Lebens. Doch sie wird noch kommen, und wenn ich Sie einst wiedersehe und wir reden von diesem Tage, so wird, ich weiß es, was rein und ewig ist in Ihrem Schmerz, noch eben so in Ihrem Herzen leben, und es wird noch ein milder Thau aus Ihren Augen auf das Grab der Mutter fallen.
Was gäbe ich dafür hin, Eine Stunde auch nur bei Ihnen sein zu können, heute an dem mir so heiligen Tage. Es würde eine wehmüthige Stunde sein, aber die Wehmuth ist ja so schön, und wie manche solche zählen wir unter die köstlichsten Augenblicke unsres Lebens. Doch sie wird noch kommen, und wenn ich Sie einst wiedersehe und wir reden von diesem Tage, so wird, ich weiß es, was rein und ewig ist in Ihrem Schmerz, noch eben so in Ihrem Herzen leben, und es wird noch ein milder Thau aus Ihren Augen auf das Grab der Mutter fallen.