Gdfr d 20t Dcbr 1802
Daß bei solchen Menschen wie wir Beide sind ein jeder Tag seine herschenden Gefühle hat die freilich auch zu manchen Stunden durch besonderes dazwischen komen wechseln – dis haben wir uns wohl kaum noch geschrieben aber wir wißen und fühlen es doch – meine heutigen herschenden sind durch meinen Anzug veranlaßt – indem ich alles um mich habe – was mich in jenen glüklichen Tagen umgab da ich des schönsten Wiedersehns mich freute nur mit dem Unterschied daß jezt lange Ermel an dem Kleide sind in welchem ich nun so lange täglich mich hüllen werde bis es ganz unbrauchbar – denn es ist schon sehr alt – übrigens auch Tuch und Schürze ganz dasselbe! Du verstehst Dich doch wohl auch in diese Gefühle? eben so hoffe ich und noch weit beßer wirst Du meine dringende Bitte gefaßt [haben] und sie auch erfüllen mir bald – bald – wieder zu schreiben – Eine mir wohl begreifliche aber doch schmerzhafte nie ganz gleichgültige Täuschung habe ich wegen der musicalischen Schwester erfahren | mitten im ersten heftigen Schmerz erhielt ich Deinen Brief – wo Du mir so lieblich zugeflüstert mir oft ganz allein was vorspielen zu laßen – weg muste ich ihn legen um nicht wieder ganz weich zu werden – noch will ichs nicht glauben daß es ganz aus ihrem innern komt diese Hartnäkigkeit oder Unschlüßigkeit mir von einem freien halben Stündchen Nachricht zu geben – um mir was vorzuspielen – indes ists auch ganz gegen ihre freiwillig gethane Äußerung „nie mehr an einer Freundin so ganz genug zu haben um nicht auch andern etwas sein zu können“ – und nun doch eben dis – im engsten Verstande zu thun – ich weiß nicht ob Du durch diese schlechte Zeichnung das ganze mir so kränkende inne hast – genug es war nicht nur Music sondern auch einige schön verlebte Stunden bei Mittheilung einiger schöner Stellen aus Jean Paul die unsre Seelen zu verschwistern schienen – und seit beinahe 4 Wochen nichts – und ich um mir nicht bei jedem begegnen welches wegen meinen Geschäften in der Anstalt täglich geschieht nicht | imer wieder in weiche Stimung zu gerathen – habe mein Herz mit einer Eisrinde wie überzogen – ob diese nun noch einmahl, wieder brechen wird – das überlaße ich dem Zufall – Freuden entbehren habe ich gelernt – und auch genießen – und brechen die Blümchen am Wege die mir so lieblich zufallen – durch ein andres recht liebliches Zusammentreffen – mit jener Tochter der Baronin – die wir bei unserm lezten Spaziergang sahen – eigentlich meine gewesne Schülerin – die sich jene Andre in der Anstalt die der armen Schlegeln Stelle eingenommen Schuhman genant – zur Freundin erkohren – mit diesen Beiden habe ich schon mehreremahle etwas gelesen – und gestern auch den Florentin der endlich erschienen ist mit ihnen angefangen leider nur der 1te Theil – wie lange werden wir auf den andern warten müßen? Die Freude der Beiden jungen Geschöpfe – über jede schöne naive Stelle – die Vergleichungen die besonders Dorchen Seidliz überall auch bei Delvils anzustellen wuste – und die ungewöhnliche Lebhaftigkeit die ihr ganzes Wesen ergrif – das sanfte jedoch schalkhafte bejahen | der Freundin – kurz unser ganzes trio hätte ich Dir anzusehn gewünscht – und dabei die gut angebrachte Versicherung der Dorchen – daß ihr jenes Viertelstündgen auf dem Glazhof immer angenehm, und unvergeßlich bleiben würde – noch dazu! weist Du wo wir stehen blieben? bei dem sonderbaren Lied was Florentin statt der gewünschten Erzählung seines Lebens – spielte – ob wir diese Woche – oder erst nach den Feiertagen weiter lesen werden –? jezt ist das Buch bei der Frau Baronin die jezt mit eingetreten in das abonnement – und mir schon die Hälfte gezahlt hat – gern will sie sich alles gefallen laßen was ich lese – aber etwas wird michs doch einengen – oder aufhalten – nun die Zeit wirds lehren – das Leben der Elisabeth auf französisch welches ich mir nebst der englischen Geschichte nach Hume auf 8 Wochen ausgebeten – ist nun auch da – und dann 2 Bücher die ich nicht gefordert Bruchstüke eines Reisenden von Baireuth nach Wien woraus ich meiner bisherigen Unbekantschaft mit der dortigen Gegend und denen treflich erhabnen Wundern der Natur völlig überzeugt bin und dann Geschichte des von Justus und seiner Freunde mitunter recht hübsch |
Viel sehr viel habe ich Dir zu sagen mein Lieber von dem was mein inres in diesen Tagen und auch schon vorher ganz eigen berührt hat – und da ichs wohl sehr richtig ahnde – daß auch Du mein Lieber es so ergreifen würdest so laß mich Dir davon sagen – so manches habe ich schon wollen erwähnen seit unsrer Trenung von unsern schönen Vorträgen von denen beiden so verschiednen Dober und Schneider – lezterer theilt uns von dem was in ihm sich erhellet und nach und nach lieblich aufklärt – in öffentlichen Vorträgen manches mit was Dich um der Zuhörer sowohl als um sein Selbst willen freuen würde – besonders heut vor 8 Tagen war seine Predigt über die Worte freuet Euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden – ganz anders wie sonst über diese Materie – als Gegenstand der Freude aller Menschen floß so viel von der Natur von andern lieblichen Wohlthaten mit ein – und die Kinder die so rein und laut sich über alles auch die geringste Kleinigkeit freun, wurden uns zur Nachahmung hingestelt – die Ursachen der Mitfreude wurden eben so natürlich anschaulich gemacht – als das Verschließen der Menschen vor aller Theilnahme an Andern – damit sie nur recht selbstsüchtig und eigennüzig ihren Weg gehen könen | und wohl gar zur Entschuldigung anbringen daß zu vielerley Verbindungen und Theilnahme eher schädlig als nüzlich sei – so mancherley unter uns wird Dir wohl einfallen – ich aber behaupte dennoch daß ich weit weniger Pein und Nerven Schwäche hätte wenn ich andrer Wohl und Weh weniger empfände. mit dem 2ten Theil war es was ähnliches – nur war ich froh daß Pito nicht zugegen war – weil er vielleicht den Zustand der Traurigen meist auf sich angewendet hätte und sich überall mehr Theilnehmer gewünscht und zugesichert als es nötig – Gestern als am 1ten Feiertage dachte ich Deiner in der Music ganz besonders die der Predigt welche Dober hielt vorangieng – und die freilich dismahl alle Worte verdunkelte – das ganze Chor der Musicis machte den Anfang mit dem Stük: Singet dem Herrn ein neues denn unsern Gott loben usw. darauf fiel Thraen unser treflicher Sänger ein – „Er wird es gerne hören“ und sang ein langes unvergleichlich schönes recitatif welches ich mir in diesen Tagen von ihm will geben laßen ganz solo – mit dem Ausdruk der auch dem rohesten (sie saß vor mir und auch ihr Blik veränderte sich –) ins Herz dringen muß – nur durch das voltönige – doch sanfte Orgelspiel des Bruder Ries begleitet – Gott! dachte ich, nachdem das total Gefühl vorbei war – wie gern schikte ich diesen Gesang nach Stolpe – auch der gestern Abend war schön! |
den 6ten Januar
Eben bin ich mit der Hälfte des Briefes fertig – den ich gestern mit dem Deinigen erhielt – denn wie anders als daß ich mir ihn abschreibe dis wohl einzige trefliche Zeugniß wahrer kindlicher Liebe und tiefer schmerzhafter Trauer – – Dank für den herlichen Einfall mir dis köstliche Pfand ihres edlen Herzens zu leihen – so viel mir möglich will ich eilen daß diese Epistel fertig wird – damit Du ihn nicht lange entbehren darfst – Er ist freilich so geschrieben daß ihn jeder lesen kann aber auch so durchaus treflich daß ich nicht wüste wie anders (einiges ausgenomen) die sein solten die ganz eigentlich für Dich gemeint sind – ach außer meiner innigen Theilnahme an diesem Vorgang – berührt der Brief so ganz besondre Saiten der Vergangenheit, als Kind zu Hause, und auch hier so manches – vorzüglich den Verlust meiner unvergeßlichen theuren Zimermann – Gott welchen manichfaltigen Genuß wird er mir noch oftmals gewähren! – Dank – Dank mein Lieber!
was man hier nicht finden darf |
den 9ten Januar
Sorge für Dich waren Deine lezten Worte am 4ten May und Du wiederholst dis in jedem Briefe so herzlich – und bist selbst so werkthätig als Du nur kanst mein Lieber – ja ich sorge, und werde nach der Abreise meiner Seidlizes die noch 8 Tage in ihrem Feiertag Quartier verbleiben noch mehr für mich sorgen – seit 3 Wochen haben es diese Lieben im engsten Verstande gethan – Mittag und Abend muß ich bei ihnen sein, und selbst wenn ich schon um 2 oder auch 1 uhr fort muß – erscheint noch für mich eine Taße Caffé alle Tage auf des Tracasseurs Befehl 2 Gläßer Wein kurz ich verwöhne mich auf alle Art – auch im Umgang und Anhänglichkeit an das Kinder Kleblatt – das gegen Ostern wohl noch mit einem vermehrt werden wird – in meinem nächsten mehr von so manchem traulichen was ich dort verlebt habe – Studentenmäßig meinst Du sei alles bei mir zugeschnitten – es sey! Doch habe ich mit Hülfe der kleinen Geschenke von Dober und Comtesse Summa 5 rthr – 12 rthr im Laden bezahlt – und alles sonst richtig gemacht was ich zu Weinachten für Alle Dienstwilligen gebraucht – auch mir warme sehr gute FilsSchuhe gekauft welches mir die Seidlizes sehr anriethen – noch über meine gefütterten Ledernen anzuziehen damit ich nicht durch Kälte von unten mir Krampff zuziehe[;] die andern 12 rthr die noch im Laden stehen – werde ich hoffentlich | gegen Ostern durch die Milde der edlen Hochberg bezahlen dis ist nehmlich die eigentliche Caffé The und Zuker Rechnung seit vorige Johany – Dank Deiner Fürsorge daß es so weit ist – |
Sonderbar! Da Du mir Deinen Plan wegen der Anchen mittheiltest erhalte ich eben durch einen jungen Brauner der jezt Kornschreiber unweit Wansen ist einen Brief von der Mutter in welchem sie wie natürlich noch des Verlustes von Fridriquen erwähnt und hinzusezt wie heilsam und angenehm ihr während dieser Krankheit die Zuhausekunft der Anchen gewesen welche einige Monate abwesend 12 Meilen von Pleß bei einer Verwandten sich aufgehalten – die Gute scheint sehr an die Töchter gewöhnt und ich glaube kaum daß Du eine bekomst – zur Anne wolte ich auch nicht rathen – das Mädchen soll wie mir schon andre Leute gesagt sehr auffallend sein wer weis ob ihr Herz noch frei! und sie nicht schon zu sehr mit dem dortigen Schlag Menschen verwebt ich weiß nicht ob Du mich verstehst – bis zu Deiner Verbindung mit der Einzigen wird sich vielleicht sonst was finden – man glaubt manchmahl mit einem muntern kraftvollen Geschöpf einem Leidenden zarten Wesen Hülfe zu leisten, und leider wird öfters statt Balsam Wermuth draus – ich rathe Dir damit recht behutsam zu gehen
Ein andres ist ein Kind woran die Liebende liebevolle ihre Sorgfalt – verwenden – ihr Wesen übertragen kann – Gott wie ich Sie auch deshalb liebe! Gott helfe Euch! grüße Sie 1000 mahl |
Womit ich diesen Brief fast angefangen will ich ihn auch enden und Dir melden – daß ich zwar meinen Schein von Kälte beibehalten – aber nur so lange bis bei dem Riesen die Eisrinde brach! da gab es köstliche Momente – und endlich auch ein solo Spiel und singen – freilich kan dis nur sehr selten geschehen – wegen Andren Wunderlichen etwas hat der geant vom Donamar nur mit mehrerer Milde – ach wie dachte ich wieder bei ihrer lieblichen ausdruksvollen Stimme und treflichen Spiel an Dich –
Heute ist der 13te unser Gemeinfest – noch diesen Abend muß der Brief in den Laden morgen auf die Post – den 20ten December gieng mein lezter ab – nicht den 15ten – ach Du lieber Mensch wie reich sind wir doch bei mancherley Armuth – ja reich an Liebe und Theilnahme der Liebenden! – gestern erhielt ich wieder einen kurzen aber mir sehr lieben Brief von der Herz worin sie mir zwar nicht die Hälfte beantwortet – aber wie herzlich! – ach es ist mir ein lieber Traum auf den sie freilich gar nichts sagt – auch diese Jette noch kennen zu lernen – lache mich nur aus – über meine große Veränderlichkeit! – Gott wie kann einem manches so anders werden! –
Lotte.
Noch einmahl wie komt es daß ich durchaus den 2ten eigentlichen Atlas von Gaspari nicht erhalte – ist er noch nicht gestochen – hat mann etwa bis jezt damit gewartet? bitte um Aufklärung
Da sind nun wieder Bücher angekomen – wovon nächstens mehr – aber leider der 2te Theil von Florentin nicht mit der nachdrüklichen Anzeige daß er noch nicht heraus – – bitte um Erläuterung und bald – ich kanns nicht glauben daß mann Florentin so verschwinden – und die sich intereßirenden so in Spanung läßt –
bitte alle Nachschriften recht zu beherzigen
Daß bei solchen Menschen wie wir Beide sind ein jeder Tag seine herschenden Gefühle hat die freilich auch zu manchen Stunden durch besonderes dazwischen komen wechseln – dis haben wir uns wohl kaum noch geschrieben aber wir wißen und fühlen es doch – meine heutigen herschenden sind durch meinen Anzug veranlaßt – indem ich alles um mich habe – was mich in jenen glüklichen Tagen umgab da ich des schönsten Wiedersehns mich freute nur mit dem Unterschied daß jezt lange Ermel an dem Kleide sind in welchem ich nun so lange täglich mich hüllen werde bis es ganz unbrauchbar – denn es ist schon sehr alt – übrigens auch Tuch und Schürze ganz dasselbe! Du verstehst Dich doch wohl auch in diese Gefühle? eben so hoffe ich und noch weit beßer wirst Du meine dringende Bitte gefaßt [haben] und sie auch erfüllen mir bald – bald – wieder zu schreiben – Eine mir wohl begreifliche aber doch schmerzhafte nie ganz gleichgültige Täuschung habe ich wegen der musicalischen Schwester erfahren | mitten im ersten heftigen Schmerz erhielt ich Deinen Brief – wo Du mir so lieblich zugeflüstert mir oft ganz allein was vorspielen zu laßen – weg muste ich ihn legen um nicht wieder ganz weich zu werden – noch will ichs nicht glauben daß es ganz aus ihrem innern komt diese Hartnäkigkeit oder Unschlüßigkeit mir von einem freien halben Stündchen Nachricht zu geben – um mir was vorzuspielen – indes ists auch ganz gegen ihre freiwillig gethane Äußerung „nie mehr an einer Freundin so ganz genug zu haben um nicht auch andern etwas sein zu können“ – und nun doch eben dis – im engsten Verstande zu thun – ich weiß nicht ob Du durch diese schlechte Zeichnung das ganze mir so kränkende inne hast – genug es war nicht nur Music sondern auch einige schön verlebte Stunden bei Mittheilung einiger schöner Stellen aus Jean Paul die unsre Seelen zu verschwistern schienen – und seit beinahe 4 Wochen nichts – und ich um mir nicht bei jedem begegnen welches wegen meinen Geschäften in der Anstalt täglich geschieht nicht | imer wieder in weiche Stimung zu gerathen – habe mein Herz mit einer Eisrinde wie überzogen – ob diese nun noch einmahl, wieder brechen wird – das überlaße ich dem Zufall – Freuden entbehren habe ich gelernt – und auch genießen – und brechen die Blümchen am Wege die mir so lieblich zufallen – durch ein andres recht liebliches Zusammentreffen – mit jener Tochter der Baronin – die wir bei unserm lezten Spaziergang sahen – eigentlich meine gewesne Schülerin – die sich jene Andre in der Anstalt die der armen Schlegeln Stelle eingenommen Schuhman genant – zur Freundin erkohren – mit diesen Beiden habe ich schon mehreremahle etwas gelesen – und gestern auch den Florentin der endlich erschienen ist mit ihnen angefangen leider nur der 1te Theil – wie lange werden wir auf den andern warten müßen? Die Freude der Beiden jungen Geschöpfe – über jede schöne naive Stelle – die Vergleichungen die besonders Dorchen Seidliz überall auch bei Delvils anzustellen wuste – und die ungewöhnliche Lebhaftigkeit die ihr ganzes Wesen ergrif – das sanfte jedoch schalkhafte bejahen | der Freundin – kurz unser ganzes trio hätte ich Dir anzusehn gewünscht – und dabei die gut angebrachte Versicherung der Dorchen – daß ihr jenes Viertelstündgen auf dem Glazhof immer angenehm, und unvergeßlich bleiben würde – noch dazu! weist Du wo wir stehen blieben? bei dem sonderbaren Lied was Florentin statt der gewünschten Erzählung seines Lebens – spielte – ob wir diese Woche – oder erst nach den Feiertagen weiter lesen werden –? jezt ist das Buch bei der Frau Baronin die jezt mit eingetreten in das abonnement – und mir schon die Hälfte gezahlt hat – gern will sie sich alles gefallen laßen was ich lese – aber etwas wird michs doch einengen – oder aufhalten – nun die Zeit wirds lehren – das Leben der Elisabeth auf französisch welches ich mir nebst der englischen Geschichte nach Hume auf 8 Wochen ausgebeten – ist nun auch da – und dann 2 Bücher die ich nicht gefordert Bruchstüke eines Reisenden von Baireuth nach Wien woraus ich meiner bisherigen Unbekantschaft mit der dortigen Gegend und denen treflich erhabnen Wundern der Natur völlig überzeugt bin und dann Geschichte des von Justus und seiner Freunde mitunter recht hübsch |
Viel sehr viel habe ich Dir zu sagen mein Lieber von dem was mein inres in diesen Tagen und auch schon vorher ganz eigen berührt hat – und da ichs wohl sehr richtig ahnde – daß auch Du mein Lieber es so ergreifen würdest so laß mich Dir davon sagen – so manches habe ich schon wollen erwähnen seit unsrer Trenung von unsern schönen Vorträgen von denen beiden so verschiednen Dober und Schneider – lezterer theilt uns von dem was in ihm sich erhellet und nach und nach lieblich aufklärt – in öffentlichen Vorträgen manches mit was Dich um der Zuhörer sowohl als um sein Selbst willen freuen würde – besonders heut vor 8 Tagen war seine Predigt über die Worte freuet Euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden – ganz anders wie sonst über diese Materie – als Gegenstand der Freude aller Menschen floß so viel von der Natur von andern lieblichen Wohlthaten mit ein – und die Kinder die so rein und laut sich über alles auch die geringste Kleinigkeit freun, wurden uns zur Nachahmung hingestelt – die Ursachen der Mitfreude wurden eben so natürlich anschaulich gemacht – als das Verschließen der Menschen vor aller Theilnahme an Andern – damit sie nur recht selbstsüchtig und eigennüzig ihren Weg gehen könen | und wohl gar zur Entschuldigung anbringen daß zu vielerley Verbindungen und Theilnahme eher schädlig als nüzlich sei – so mancherley unter uns wird Dir wohl einfallen – ich aber behaupte dennoch daß ich weit weniger Pein und Nerven Schwäche hätte wenn ich andrer Wohl und Weh weniger empfände. mit dem 2ten Theil war es was ähnliches – nur war ich froh daß Pito nicht zugegen war – weil er vielleicht den Zustand der Traurigen meist auf sich angewendet hätte und sich überall mehr Theilnehmer gewünscht und zugesichert als es nötig – Gestern als am 1ten Feiertage dachte ich Deiner in der Music ganz besonders die der Predigt welche Dober hielt vorangieng – und die freilich dismahl alle Worte verdunkelte – das ganze Chor der Musicis machte den Anfang mit dem Stük: Singet dem Herrn ein neues denn unsern Gott loben usw. darauf fiel Thraen unser treflicher Sänger ein – „Er wird es gerne hören“ und sang ein langes unvergleichlich schönes recitatif welches ich mir in diesen Tagen von ihm will geben laßen ganz solo – mit dem Ausdruk der auch dem rohesten (sie saß vor mir und auch ihr Blik veränderte sich –) ins Herz dringen muß – nur durch das voltönige – doch sanfte Orgelspiel des Bruder Ries begleitet – Gott! dachte ich, nachdem das total Gefühl vorbei war – wie gern schikte ich diesen Gesang nach Stolpe – auch der gestern Abend war schön! |
den 6ten Januar
Eben bin ich mit der Hälfte des Briefes fertig – den ich gestern mit dem Deinigen erhielt – denn wie anders als daß ich mir ihn abschreibe dis wohl einzige trefliche Zeugniß wahrer kindlicher Liebe und tiefer schmerzhafter Trauer – – Dank für den herlichen Einfall mir dis köstliche Pfand ihres edlen Herzens zu leihen – so viel mir möglich will ich eilen daß diese Epistel fertig wird – damit Du ihn nicht lange entbehren darfst – Er ist freilich so geschrieben daß ihn jeder lesen kann aber auch so durchaus treflich daß ich nicht wüste wie anders (einiges ausgenomen) die sein solten die ganz eigentlich für Dich gemeint sind – ach außer meiner innigen Theilnahme an diesem Vorgang – berührt der Brief so ganz besondre Saiten der Vergangenheit, als Kind zu Hause, und auch hier so manches – vorzüglich den Verlust meiner unvergeßlichen theuren Zimermann – Gott welchen manichfaltigen Genuß wird er mir noch oftmals gewähren! – Dank – Dank mein Lieber!
was man hier nicht finden darf |
den 9ten Januar
Sorge für Dich waren Deine lezten Worte am 4ten May und Du wiederholst dis in jedem Briefe so herzlich – und bist selbst so werkthätig als Du nur kanst mein Lieber – ja ich sorge, und werde nach der Abreise meiner Seidlizes die noch 8 Tage in ihrem Feiertag Quartier verbleiben noch mehr für mich sorgen – seit 3 Wochen haben es diese Lieben im engsten Verstande gethan – Mittag und Abend muß ich bei ihnen sein, und selbst wenn ich schon um 2 oder auch 1 uhr fort muß – erscheint noch für mich eine Taße Caffé alle Tage auf des Tracasseurs Befehl 2 Gläßer Wein kurz ich verwöhne mich auf alle Art – auch im Umgang und Anhänglichkeit an das Kinder Kleblatt – das gegen Ostern wohl noch mit einem vermehrt werden wird – in meinem nächsten mehr von so manchem traulichen was ich dort verlebt habe – Studentenmäßig meinst Du sei alles bei mir zugeschnitten – es sey! Doch habe ich mit Hülfe der kleinen Geschenke von Dober und Comtesse Summa 5 rthr – 12 rthr im Laden bezahlt – und alles sonst richtig gemacht was ich zu Weinachten für Alle Dienstwilligen gebraucht – auch mir warme sehr gute FilsSchuhe gekauft welches mir die Seidlizes sehr anriethen – noch über meine gefütterten Ledernen anzuziehen damit ich nicht durch Kälte von unten mir Krampff zuziehe[;] die andern 12 rthr die noch im Laden stehen – werde ich hoffentlich | gegen Ostern durch die Milde der edlen Hochberg bezahlen dis ist nehmlich die eigentliche Caffé The und Zuker Rechnung seit vorige Johany – Dank Deiner Fürsorge daß es so weit ist – |
Sonderbar! Da Du mir Deinen Plan wegen der Anchen mittheiltest erhalte ich eben durch einen jungen Brauner der jezt Kornschreiber unweit Wansen ist einen Brief von der Mutter in welchem sie wie natürlich noch des Verlustes von Fridriquen erwähnt und hinzusezt wie heilsam und angenehm ihr während dieser Krankheit die Zuhausekunft der Anchen gewesen welche einige Monate abwesend 12 Meilen von Pleß bei einer Verwandten sich aufgehalten – die Gute scheint sehr an die Töchter gewöhnt und ich glaube kaum daß Du eine bekomst – zur Anne wolte ich auch nicht rathen – das Mädchen soll wie mir schon andre Leute gesagt sehr auffallend sein wer weis ob ihr Herz noch frei! und sie nicht schon zu sehr mit dem dortigen Schlag Menschen verwebt ich weiß nicht ob Du mich verstehst – bis zu Deiner Verbindung mit der Einzigen wird sich vielleicht sonst was finden – man glaubt manchmahl mit einem muntern kraftvollen Geschöpf einem Leidenden zarten Wesen Hülfe zu leisten, und leider wird öfters statt Balsam Wermuth draus – ich rathe Dir damit recht behutsam zu gehen
Ein andres ist ein Kind woran die Liebende liebevolle ihre Sorgfalt – verwenden – ihr Wesen übertragen kann – Gott wie ich Sie auch deshalb liebe! Gott helfe Euch! grüße Sie 1000 mahl |
Womit ich diesen Brief fast angefangen will ich ihn auch enden und Dir melden – daß ich zwar meinen Schein von Kälte beibehalten – aber nur so lange bis bei dem Riesen die Eisrinde brach! da gab es köstliche Momente – und endlich auch ein solo Spiel und singen – freilich kan dis nur sehr selten geschehen – wegen Andren Wunderlichen etwas hat der geant vom Donamar nur mit mehrerer Milde – ach wie dachte ich wieder bei ihrer lieblichen ausdruksvollen Stimme und treflichen Spiel an Dich –
Heute ist der 13te unser Gemeinfest – noch diesen Abend muß der Brief in den Laden morgen auf die Post – den 20ten December gieng mein lezter ab – nicht den 15ten – ach Du lieber Mensch wie reich sind wir doch bei mancherley Armuth – ja reich an Liebe und Theilnahme der Liebenden! – gestern erhielt ich wieder einen kurzen aber mir sehr lieben Brief von der Herz worin sie mir zwar nicht die Hälfte beantwortet – aber wie herzlich! – ach es ist mir ein lieber Traum auf den sie freilich gar nichts sagt – auch diese Jette noch kennen zu lernen – lache mich nur aus – über meine große Veränderlichkeit! – Gott wie kann einem manches so anders werden! –
Lotte.
Noch einmahl wie komt es daß ich durchaus den 2ten eigentlichen Atlas von Gaspari nicht erhalte – ist er noch nicht gestochen – hat mann etwa bis jezt damit gewartet? bitte um Aufklärung
Da sind nun wieder Bücher angekomen – wovon nächstens mehr – aber leider der 2te Theil von Florentin nicht mit der nachdrüklichen Anzeige daß er noch nicht heraus – – bitte um Erläuterung und bald – ich kanns nicht glauben daß mann Florentin so verschwinden – und die sich intereßirenden so in Spanung läßt –
bitte alle Nachschriften recht zu beherzigen