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Johann Gottlieb Fichte to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling TEI-Logo

Berlin, 13.7br. 800.
In diesem Augenblike lese ich Ihren Brief v. 3ten. dieses, mein sehr verehrter Freund. Auf der Post liegen noch Briefe an Sie, u. Schlegel, die morgen abgehen.
Diesen werden Sie noch früher erhalten.
1.) Ich kann mein Ungern gegebnes Wort, für die bestimmt versprochnen Abhandlungen, nicht brechen; eben so wenig, als ich Ihnen anmuthe, das Ihrige Cotta gegebne zu brechen. Mein geheimer Wunsch, u. Hofnung ist, daß Unger u. Woltmann, die ich nun in dieser Rüksicht ganz sich selbst überlasse, keine Mitarbeiter, oder solche finden, mit denen ich geradezu erklären kann, nicht arbeiten zu wollen. Weiter, als für das erste Stük, und für die bestimmt versprochne Abhandlung (die mit der Ihrigen sogar bis auf die zu beurtheilenden Schriftsteller, Bardili, Jacobi, u.s.w. übereinstimmt) halte ich mich nicht für gebunden.
2.). Ihre Aufrichtigkeit ladet die meinige ein. – Schleyermacher hat in Rüksicht Ihrer rein gelogen. Ihren Brief erhielt ich am Morgen; u. erfuhr dadurch nichts neues. Nachmittags brachte Schleyerm. Schlegels, den ich in seiner Gegenwart las. Ich hatte Gelegenheit, besonders bei den sonderbaren Wendungen dieses Briefs, so manches zu bemerken, und meinen lang verhehlten Aerger Schleyermachern ins Angesicht zu blasen. .
a.). Ich kann nicht wissen, was ich mit jedem unter Ihnen einzeln gesprochen. Aber ich habe den Plan so wenig aufgegeben, daß ich sogar Friedrich Schlegeln, u. der Veitin bestimmt davon geredet, die hiesigen reichen jüdischen Handelshäuser als Veit, Levi, zu Unternehmern der Sache zu machen; daß die Vei[/]tin vermuthlich an Veit darüber geschrieben, wie Sie mir versprochen, daß Veit zu mir kommen solle. indem ich nicht lange vor diesen Tagen noch durch Friedrich Schl. gefragt worden, ob ich Veit noch nicht kenne. – Sie wissen, daß der von mir entworfne Plan unter uns nicht nach der Sache angegriffen, sondern nur der Art der Ausführung nach unausführbar, von mir nicht weniger, als von den Freunden befunden wurde. Es war ein Ideal, das man dann zur Wirklichkeit herabstimmt; und dagegen hatte ich nie etwas. Ich wartete nur auf äussere Gelegenheit; glaubte dazu von den Freunden mich bevollmächtigt, fand ohne mein Suchen, u.s.w.
b.) Kaum war dieser mein Plan fertig, höre ich, – noch ehe ich einem unter Ihnen schrieb, durchaus ungesucht, daß W. Schlegel einen ähnlichen, sogar bis auf den Titel übereinstimmenden Plan entwerfe, herumsende, mit dem ausdrüklichen Beding, nur Mir nichts davon zu sagen, worüber er von Friedrich, und Tiek getadelt worden sey: daß er sich dazu verleiten lasse, um an der Spitze zu stehen, auch eine Rolle zu spielen, u. dergl.
Ich erklärte das durchaus für unmöglich, für Lüge, und schrieb Ihnen, und den andern.
(Ihre Sache, mein Freund, ist durchaus eine Andere, und ich bitte sehr, daß Sie sich nicht die Ungerechtigkeit anthun, noch Mir, sich mit W. Schlegel zu vermengen. Ihr abgesonderter Plan war durchaus nicht mein allgemeiner. Ich konnte nach Erhaltung Ihres Briefes, Ihnen durchaus nicht zürnen, und habe es keinen Augenblik gethan.)
Nun erhalte ich Schlegels Brief, seine Winkelzüge, zugleich seinen [/] Plan, der meinem in Jena entworfnen bis zu einzelnen Ausdrüken, u. bis auf den Titel den ich angegeben (nur Jahrbücher statt Annalen; eine Uebersetzung, die ich späterhin so gut gemacht als er.) ähnlich ist, in welchem sogar eine polemische Stelle gegen meinen Plan vorkommt; diesen Plan, den alle Theilhaber verbunden waren, Mir zu verheimlichen; diesen Plan, in dem W. S. sich zum Redacteur macht, naiv sagt, daß die dem Redacteur anzusetzende Summe nicht klein seyn müsse: erhalte, wovon ich bis zur Erhaltung dieser Briefe gewettet hätte: es sey unmöglich. – Was konnte ich empfinden?
c.) Was konnte ich empfinden bei dem Gedanken, daß die Schlegels, die Freunde derselbenn, und leider durch einen unseeligen Zusammenhang auch Sie, würdiger Freund, der Sie von diesen Dingen entfernt seyn sollten, wie der Himmel von der Erde, bei dem grösten Theile des Publikum denn doch nur für eine Clique gälten, und daß Ihre blossen Namen dem besten für die Wissenschaft entworfnen Plane nachtheilig seyn müsten. Diese Schlegels, wovon der älteste wegen seiner mannigfaltigen Kenntnisse, und seiner beispiellosen Gewandheit in der Sprache Achtung verdient; übrigens aber – doch Sie werden noch nicht veranlaßt worden seyn, Ihre eigne Meinung über ihn zurükzunehmen – der jüngere Tiefe, Innigkeit, Fülle genug, aber eine hartnäkige Unverständlichkeit – ich schweige von den Mitläufern, Tiek allein ausgenommen, den ich verehre – diese an der Spitze der teutschen – der menschlichen – Litteratur!!
Was konnte ich empfinden, und erwarten, von der sichtbaren Tendenz dieser Männer, Aufsehen zu erregen, um Geld zu verdienen, verdienen zu müssen: eine Lage, in die sie leider gestürzt sind, und um die ich sie bedaure. [/]
d.) Der Mensch ist seiner Natur nach sehr geneigt, in andern sich selbst wieder zu finden; so, merk ich, ergeht es mir jezt von dort herüber – nicht eigentlich von Ihnen, der Sie in Ihrem lezten Briefe nur manches ausrichten, was W. S.. gemeint.
Ich bin in meinen eignen Ideen so verstrikt, daß ich zum Lesen Andrer, besonders schlechter Bücher, und zur Kritik – Gott sey mein Zeuge – nur aus Pflicht mich entschliessen kann. Ohnerachtet ich leben will, so wie andre, so ist doch, aus den angeführten Gründen, Kritik der schlechteste Verdienst für mich; und überhaupt verachte ich diese Rüksichten so ziemlich aus dem Grunde, und bin dabei, so weit als andere. Ich nahm daher Ungers Einladungen ohne eigne Neigung, theils aus Liebe für die Wissenschaft, theils in Rüksicht auf unsre in Jena genommene Verabredungen an.
Durch Ansehen sonach, an der Spitze stehen, besonderes Honorar u. dergl. bin ich nicht bestimmbar. Sie selbst, würdiger Freund, glauben dies gewiß, wenn Sie sich selbst überlassen: den übrigen machen Sie es begreiflich, wenn Sie mich ehren wollen.
Nach diesem allen steht mein Entschluß so: Wenn der Ungersche Plan entweder gar nicht zu Stande kommt, oder sein Institut zu Grunde geht, so nehme ich die von Ihnen vorgeschlagnen Bedingungen gern an: auf die Bedingung, daß Sie Redacteur des Naturwissenschaftlichen Fachs seyen. Dies hängt nun nicht von mir, sondern von den Umständen ab, und da muß <man> die Zeit erwarten. – Das Nennen würde ich, auch ganz unabhängig von mir, ohnedieß widerrathen. Durch das Werk, nicht durch die Namen – die Schlegelschen schaden überdies, und müssen erst gemacht werden – werde die Sache empfohlen.
Censeo, daß Sie diesen Brief sogleich nach der Lesung verbrennen, u. ihn schlechthin keiner Seele mittheilen. Mit reiner Liebe, u. Hochachtung der Ihrige.
F.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 13. September 1800
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Bamberg · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 306‒310.

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