
Berlin, d. 15. Jänner. 1802.
Sogleich nach Erhaltung Ihres Schreibens v. 4ten dieses, und der Lesung des ersten Heftes Ihres Journals beantworte ich das erstere.
Was zuförderst die allein an Schlegel, der mich mit Tiek besuchte, gegebne Nachricht von einer Erklärung von Ihnen gegen mich betrift, so findet meines Erachtens bei einer Nachricht dieser Natur das Prädikat Klatscherei, und alles, was Sie daraus folgern, nicht statt. Denn wenn Sie eine solche Erklärung nicht gegeben haben, so existirt sie eben nicht, und das Gerücht hebt sich von selbst auf. –
Der Verlauf der Sache ist kürzlich folgender. Ein durchaus unbedeutender Dilettant, und Kaufmann allhier, dessen Namen in Meusels gelehrten Deutschlande nicht steht, noch je darin stehen wird, der aber alle Journale, die ich theils sehr spät, theils gar nicht erhalte, mit hält, und frisch von der Post bekommt, und der schon oft mich interessirende Blätter mir mitgetheilt, sagte mir beim NachHause gehen aus einer Gesellschaft, daß Sie eine Erklärung, in der Sie sich von mir gänzlich lossagten, in der A. L. Z. hätten druken lassen, daß er dieselbe gelesen, und als ich darüber stutzte, versprach er mir das Blatt zu zu schiken. Dies hat er nun freilich nicht geleistet. Ich aber habe seitdem einige Lieferungen der A. L. Z. in meinem LeseZirkel erhalten, und vermuthe, daß der gute Mann, wenn er nicht etwa die Stuttgarder Allgemeine Zeitung (die ich gar nicht erhalte) mit der A. L. Z. verwechselt, und etwa dort die bis dahin mir unbekannte von Ihnen S. 120. gerügte Böttigerische Klatscherei gemeint, und in seinem verwirrten Kopfe zu einer Anzeige von Ihnen selbst umgewandelt, vielleicht gar den Namen Schelle mit Schelling verwechselt. [/]
Sie ersehen hieraus, daß Ihre Vermuthungen von Arglist, und Tüke, bei Anbringung dieser Nachricht bei mir, nicht statt haben. Der Mann hat gewiß nichts böses dabei gemeint, oder anzurichten befürchtet. Wenn ich nicht glaubte, daß Ihre Foderung, Ihnen den Namen zu nennen, durch diesen Hergang der Sache sich von selbst erledige, so würde ich es thun; und werde es noch sehr gern thun, wenn Sie es nun noch begehren. Nur wünsche ich, daß dieser Name nicht hier, unter unsern Freunden, bekannt werde, weil die übrigens ehrliche Haut, die sich mir, und den meinigen auf alle Weise zu empfehlen sucht, dadurch ein garstiges ridicule sich zuziehen würde.
Eine Frage anderer Natur aber ist die, wie ich dazu gekommen, dieser Nachricht Glauben beizumessen? – Zuförderst, der Einwurf, den auch Schlegel mir sogleich entgegensezte; daß Sie mit der A. L. Z. nicht so gut stünden, um pp wäre mir an sich nicht von Bedeutung gewesen, denn warum sollten Sie sich derselben nicht als bloßer Druker, was sie ja in Absicht des Intelligenzblattes sind, bedienen können; eben sowohl, als ich z. B. es dem Verleger meines Sonnenklaren Berichts nicht verboten, oder verdacht habe, daß er dieses Buch daselbst anzeigte; sodann aber vermuthete ich sogleich auch bei meinem Referenten eine Verwechselung mit der Allgemeinen Zeitung, in welcher ja wohl Ihr im Cottaischen Verlage herauskommendes Journal, von welchem ich zu gleicher Zeit durch Cotta auf eine Weise, die mich an die vor einem Jahre demselben gethanen Aeusserungen von einem gemeinschaftlichen Unternehmen von uns beiden zu erinnern schien, Nachricht erhielt – in welcher ferner meine Ankündigung einer neuen Bearbeitung der W.L. über deren eine Stelle Sie so sonderbare Bemerkungen gegen mich gemacht hatten, gestanden hatte – in welcher Zeitung, sage ich, eine Ankündi[/]gung dieses Ihres Journals, mit Aeusserungen, die Ihrem lezten Briefe an mich ähnlich wären, stehen konnte. – Kurz, wozu der vielen Worte! Ich lege Ihnen den lezten Bogen Ihres lezten Briefes an mich, von welchem Sie vermuthlich keine Abschrift behalten haben, wieder bei. Sie werden sich aus den angestrichnen Stellen, besonders aus denen mit NB. bezeichneten, sehr leicht erklären können, warum ich eine solche Nachricht zwar unwarscheinlich, aber doch nicht durchaus unmöglich finden konnte.
Zwar sagen Sie auf demselben Blatte, daß Sie sich alles entscheidenden Urtheils über mein System bis zur Erscheinung der neuen Darstellung enthalten wollten; aber ich konnte nach der unmittelbar folgenden Stelle für möglich halten, daß Sie, nach den eben nicht ehrenvollen Begriffen, die Sie daselbst über meine Denkart äussern, diesen Entschluß zurükgenommen, da ich ihn durch eine Beantwortung dieses Schreibens nicht acceptirt, und daß Sie nach einer gewöhnlichen Schriftsteller Politik (der Mann, der so von mir gedacht, wie jenes Schreiben besagt, kann es mir nicht übel nehmen, wenn ich en consequence von ihm dachte,) gegen den befürchteten Angriff von meiner Seite das praevenire spielen wollen.
Ich lege meine Beantwortung dieses Ihres Briefes bei, die ich hernach nicht abschikte; lieber vor Ihnen verstummte, weil ich Ihre schon überreizte Empfindlichkeit nicht noch mehr reizen wollte.
So standen die Sachen, als ich jene Nachricht erhielt. Und nun beantworten Sie sich die zweite Frage selbst.
Indem ich Ihren Brief wieder durchsehe, finde ich bedeutender, daß Sie glauben, ich habe eine Erklärung von Ihnen nur erwartet; nein, ich habe gesagt, sie sey schon geschehen: ich habe es weiter verbreitet: nur W. Schlegel, in Gegenwart Tieks, u. Fr. Schlegeln, bei Gelegenheit, da ich ihn über die bekannte alte Geschichte, unsrer schriftlich genommenen Abrede gemäß, befragte, u. er von nichts zu wissen versicherte, habe ich es mitgetheilt, und ausserdem keinem Menschen. – Sie scheinen einen bedeutenden Accent auf das Wort Klatscherei zu legen, u. mir es zu verdenken, daß ich dergleichen geglaubt. – Lieber Schelling, wenn Sie wissen sollten, wie häufig mir geschrieben, und von durchreisenden Freunden versichert worden, daß Sie, seit meiner Abwesenheit von Jena auf mich, u. den ReflektirPunkt, auf welchem ich stehen geblieben, auf dem Catheder zu spotten pflegten; und nun bemerken wollten, daß ich Ihnen dies gewiß nie auf die entfernteste Weise empfinden lassen, so würden Sie ungläubiger an meinen Glauben an Klatscherei seyn. [/]
Sie wissen, wie ich schon ehemals, da Sie mir in der That mit dem gemeinsten pöbelhaftesten Klatsch auf den Leib rükten, mich benommen. Sie sehen, wie ich Ihre beigelegten Aeusserungen genommen. Sie können, und werden daraus die Tiefe des Zutrauens, der Liebe, der Achtung, der unzerstörbaren Hofnung auf das bessere in Ihnen ermessen. Sie können denken, welche Freude mir daher Ihr Schreiben vom 4ten dieses, und die ganze Art, wie ich in Ihrem Journale, durchaus Ihrer würdig, u. anständig, behandelt werde, macht. Sie haben, und werden unaufhörlich haben in mir den wärmsten anhänglichsten Freund, solange ich dies laut seyn kann, ohne niederträchtig zu erscheinen. Fällt es Ihnen über kurz, oder lang wieder ein, mich, mit aller Vergessenheit dessen, was wir beide sind, zu behandeln, wie Sie es nun schon das zweitemahl gethan haben, so werde ich Sie bedauern, ruhig seyn, und warten, bis Sie sich wieder besinnen.
Sonach wären es in der That nicht unsre wissenschaftlichen Differenzen, welche persönlich zwischen uns etwas stellen könnten, sondern nur persönliche Beleidigungen, dergleichen von mir noch nie ausgegangen sind, und deren ich Sie sich künftig zu enthalten bitte, und es nun auch festiglich hoffe.
Was Ihre vorgehabte Erklärung für mich in der bewußten Angelegenheit betrift, so erlauben Sie mir, Ihnen meine Denkart darüber zu eröfnen.
Ich verachte die Meinung des grossen Volks zu sehr, glaube zu fest, daß unser sittlicher [/] Charakter nur unsre eigne, und unsrer Freunde, wenn wir deren haben, Sache sey; glaube ferner, daß ich meinen wissenschaftlichen Zwek erreichen könne, was auch das Volk über meine Denkart glaubt, – oder, wenn ich auch auf alles dieses mehr Werth sezte, als ich thue, so glaube ich gefunden zu haben, daß mein ganzes Wesen auf die Menge nicht den Eindruk gemacht hat, daß sie so sehr interessirt schiene, mich für feig, falsch, lügenhaft, niederträchtig zu halten, als es oft diejenigen scheinen, die mich näher kennen könnten. Ich habe daher beschlossen, und bei Gelegenheit diesen Entschluß öffentlich geäussert, über jenen Punkt, wenigstens ohne dringende Veranlassung, mich nicht öffentlich zu äussern; u. dies zwar nicht aus Schonung gegen ein Individuum, von welchem ich nicht entscheiden will, ob es der Schonung würdig sey, oder nicht, das aber auf jeden Fall sich eben fügen müßte; sondern aus Achtung für mich selbst. Ich glaube mich hoch genug achten zu dürfen, um der Anklage aus jenen Punkten mich nicht einmal zu stellen.
Daß Sie und Niethammer dabei in ungerechten Verdacht kommen, ist etwas anderes. Und da halte ich denn dafür, daß Sie beide, auf die rechtlichste Weise, mit Einverständniß beider, in den Besitz des Aufschlusses gekommen sind, und daß Sie davon jeden Gebrauch zu machen berechtigt sind; u. wenn es dazu meiner Einwilligung zu bedürfen schiene, der es in der That nicht bedarf, so ertheile ich sie in jedem Maasse.
Also, dies ist zuförderst ganz Ihrem eignen Ermessen anheim gestellt, dem es ohnedies, wie ich glaube, zustand.
Sie sind ferner so gütig, meinen Rath zu begehren, wie dieser Entschluß, falls er ausgeführt werden soll, am besten ausgeführt werden könne. – Es sind nur zwei Männer in jener Gegend, an deren Meinung, besonders an der des erstem, mir etwas liegt: Göthe, und Schiller. Ich muß wissen, daß Ihnen auch ebenfalls besonders an der ersteren, liegt. Erzählen Sie [/] diesen, Göthe, wenn Sie wollen, auch in meinem Namen, und als auf meinen Auftrag, daß Sie mir über diesen Punkt so geschrieben, ich Ihnen so geantwortet, und darauf, wie sich eigentlich die Sache begeben habe; und welchen Rath Er darüber gebe.
Sind Ihnen alle Umstände genau bekannt.? Ich füge die erheblichsten, die Ihnen unbekannt geblieben, oder entfallen seyn könnten, bei.. – Der Mann trift meine Frau auf dem Spaziergange, und redet – ohne daß je zwischen uns ein Gespräch verwandten Inhalts vorgefallen – der ängstlichen, betäubten, gebohrnen Fremden, von seinem Triebe nach einem Lande der Freiheit, wie ihr Vaterland, die Schweiz, und von seinem Entschlusse, uns, wenn der schwebende Handel nicht ausfalle, wie er solle, dorthin zu begleiten. Ich besuche ihn auf diese Aeusserung den andern Morgen, und auf einem Spaziergange, auf welchem er dasselbe gegen mich wiederholt, schlage ich die vorläufige Maasregel des ersten Briefs vor. – Er billigt sie; ich schike ihm das Concept des Briefs; er sagt mir in einem Billet, dessen Original ich in den dahingehörigen Akten aufbewahrt habe, daß er damit ganz einverstanden sey. . Das bekannte Rescript kam; er wuste sich desselben zu bemächtigen, theilte es mir privatim mit, und hielt den Cirkellauf desselben auf, bis er mir, der schon längst seinen Entschluß faßte, innerhalb 24. Stunden den zweiten Brief abgenörgelt, und abgequält hatte, – der sein Werk ist, und nicht das meinige, wie jeder der meine Denkart, und Styl kennt, sogleich sehen muß – durch dessen Interpretation nur Er gedekt seyn wollte, – den ich, obgleich ich dieses alles [/] sehr genau durchsah, doch schrieb, bloß um der Quälerei, die schlechthin nicht nachließ, los zu werden – schrieb, was gedacht zu haben, ich mir nie verzeihen würde.
Ich will nicht Sie ehren, sondern ich glaube mich selbst zu ehren, indem ich Ihnen die innige Freude bezeuge, die mir Ihr Journal von Anfange bis zu Ende verschafft hat. – Der arme Zettel; ich könnte sogar Mitleid mit ihm haben, so ist er h<eim>geschikt. – Von Krug habe ich nur überhaupt gewußt, daß er ein schlechtes Subjekt sey, und Bissen seiner Philosophie aus den lobpreisenden Recensionen der N. D. Bthk. vernommen. Für so erbärmlich hätte ich doch ein Erdenkind in unsrer Zeit kaum gehalten..
Unsre wissenschaftliche Differenz in diesem Briefe zu berühren, würde mich, wenn auch nichts anderes, doch der frühere beigelegte Brief von mir, bewegen. Sie werden freilich über die in demselben angestrichne Stelle, die ich eben deswegen angestrichen habe, lächeln. Sie bezeugen es in dem ersten Hefte des Journals an vielen Stellen, daß alle Quantität, u. Relation, durchaus nicht in das Absolute fällt, – u. doch haben Sie in der That die in meinem Briefe angeführte Stelle niedergeschrieben, und Ihre ganze neue Darstellung hat wohl kräftigere der Art. – Und – setze ich hinzu – so muß es seyn – Ihr Seyn, und Ihr Wissen selbst sind auch nur in Relation, und Sie müssen, da Sie von beiden wissen, und reden, beides durch ein höheres erklären, von dem Sie eben auch wissen müssen . . und Ihr System ist in Beziehung auf das absolute nur negativ, wie Sie das meinige – so nemlich wie Sie es verstehen, – beschuldigen; und das Ihrige erhebt sich eben nicht zum GrundReflexe, und drum glauben Sie, daß das meinige, eben so, wie ich vom Kantischen gesagt, auf dem ReflexionsPunkte stehen geblieben.
Es giebt ein relatives Wissen, Nebenglied vom Seyn. – Unter diesem relativen Wissen giebt es freilich wieder ein anderes Seyn. In dem Standpunkte dieses Wissens haben Sie nun immer meine Wissen[/]schaftslehre gefunden.. Das Nebenglied dieses Wissens ist das höchste, und eben darum absolute, Seyn, – Seyn sage ich. Zu dem Begriffe dieses Seyns glauben Sie nun über die W.L. hinweg sich erhoben zu haben; und vereinigen nun die Nebenglieder, – nicht materialiter durch Einsicht, sondern formaliter, weil das Bedürfniß des Systems Einheit ist, nicht durch Anschauung (die ja etwas positives liefern müste,) sondern durch Denken, (das nur ein Verhältniß postulirt) – in eine negative Idendität d.i. NichtVerschiedenheit des Wissens u. Seyns, in einen IndifferenzPunkt u.s.w. Aber sehen Sie vor der Hand z. B. das absoluteste Seyn, das Sie aufstellen mögen, nur darauf an, so finden Sie in ihm das deutliche Merkmal einer Zusammensetzung, die begreiflich nicht ohne Scheidung vorgegangen seyn kann; daher Sie auch ganz richtig aus diesem Seyn das (relative) Wissen und aus diesem Wissen wiederum das Seyn ableiten. Des gleichen finden Sie im relativen Wissen auch. – Ihr Punkt liegt also allerdings höher, als der im relativen Wissen, den Sie der W. L. zuschreiben, und ist N. 2. wenn jener N. 3 ist. Aber es giebt einen noch höhern, in welchem eben das Seyn, und sein Nebenglied Wissen erst, sowohl geschieden, als zusammengesezt wird; dieser Punkt ist eben auch ein Wissen (nur nicht von etwas, sondern das absolute) und in diesem hat die W. L. stets gestanden und ist eben darum transscendentaler Idealismus, und ihn unter anderm durch den Ausdruk des Ich, in welchem erst das Ich – versteht sich das relative – und das Nicht=Ich geschieden wird, angedeutet. – Dies wollte ich auch in einem frühem Briefe zu verstehen geben, in dem ich sagte, das absolute der Philosophie, versteht sich, bleibe doch immer ein Sehen. Sie erwiderten, es könne kein Sehen von Etwas seyn, was denn sehr richtig ist, ich auch nicht vermeinte; und wodurch denn die Sache auf sich beruhen muste. – So ergeht es Spinoza. Das Eine soll Alles (bestimmter, das Unendliche, denn es giebt hier keine Totalität) seyn, und umgekehrt; was denn ganz richtig ist. Aber wie das Eine zu Allem, und das All zu Einem werde – den Uebergangs= Wende= und realen IdenditätsPunkt derselben kann er uns nicht angeben, daher hat er das Eine verlohren, wenn er aus dem All greift, und das All, wenn er das Eine faßt. [/] Drum stellt er auch die beiden GrundFormen des Absoluten, Seyn, und Denken, eben ohne weiteren Beweiß hin, wie Sie eben auch, – durch die W. L. keinesweges berechtigt, thun. – Aber es scheint mir an sich klar, daß das Absolute nur eine absolute, d. h. in Beziehung auf Mannigfaltigkeit, durchaus nur Eine, einfache, sich ewig gleiche, Aeusserung haben kann; und diese ist eben das absolute Wissen. Das absolute selbst aber ist kein Seyn, noch ist es ein Wissen, noch ist es Idendität, oder Indifferenz beider: sondern es ist eben das absolute Wissen. Das absolute selbst aber ist kein Seyn, noch ist es ein Wissen, noch ist es Idendität, oder Indifferenz beider: sondern es ist eben – das absolute – und jedes zweite Wort ist vom Uebel.
Hieraus folgt nun freilich, daß ein transscendentaler Idealismus, wie Sie ihn in der W. L. gefunden, und in Ihrem Werke dargestellt haben, eigentlich nichts weiter ist, als ein Formalismus, eine Einseitigkeit, höchstens ein nach einem nicht guten Plane abgesonderter Abschnitt einer Wissenschaftslehre: – folgt, daß die NaturPhilosophie durchaus nicht ein besonderer Pol der Phil. sondern nur ein Theil derselben sey, folgt, daß, wenn sie so betrachtet wird, derselben durchaus nicht der Idealismus (denn in diesem liegt sie mitten darin) sondern nur die Ethik, die Lehre vom intelligiblen Seyn, gegenüberstehe.
Sollten diese hingeworfnen Winke Ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth scheinen; oder sollte die vortheilhafte Meinung von mir, daß ich, da Sie mir selbst zugestehen, daß ich, – dies mein Zurükbleiben abgerechnet, ehemals doch ganz erträgliche Sachen vorgebracht, jezt ein Jahr unbefangner Arbeit und Untersuchung nicht durchaus verlohren haben möchte, einiges Gewicht für Sie haben, so wünschte ich wohl, daß Sie sowohl als Hegel über diesen Streitpunkt nicht weiteres Aufheben, und dadurch, wie ich glaube, die Misverständnisse nicht zahlreicher machten; bis meine neue Darstellung erschienen ist, die zu Ostern erscheinen wird. Ich habe – nicht etwa aus Schonung gegen Sie, – ich bin nicht so kleindenkend, um zu glauben, daß Sie derselben bedürfen, – sondern um Anstoß zu vermeiden, über diesen Punkt, den ich allerdings erörtern muß, gar nicht Sie, sondern lediglich Spinoza zu meinem Gegner zu machen; und es wird dann von Ihnen abhängen, fortzufahren, oder einzulenken, wie Sie selbst es gut gethan finden.
Ich hoffe, mein theuerster verehrtester Freund, dieser ganze Brief spricht so deutlich meine Achtung und Liebe für Sie, aus, daß es keiner besondern Versicherung derselben zum Schlusse bedarf.
Ganz der Ihrige
Fichte.
Sogleich nach Erhaltung Ihres Schreibens v. 4ten dieses, und der Lesung des ersten Heftes Ihres Journals beantworte ich das erstere.
Was zuförderst die allein an Schlegel, der mich mit Tiek besuchte, gegebne Nachricht von einer Erklärung von Ihnen gegen mich betrift, so findet meines Erachtens bei einer Nachricht dieser Natur das Prädikat Klatscherei, und alles, was Sie daraus folgern, nicht statt. Denn wenn Sie eine solche Erklärung nicht gegeben haben, so existirt sie eben nicht, und das Gerücht hebt sich von selbst auf. –
Der Verlauf der Sache ist kürzlich folgender. Ein durchaus unbedeutender Dilettant, und Kaufmann allhier, dessen Namen in Meusels gelehrten Deutschlande nicht steht, noch je darin stehen wird, der aber alle Journale, die ich theils sehr spät, theils gar nicht erhalte, mit hält, und frisch von der Post bekommt, und der schon oft mich interessirende Blätter mir mitgetheilt, sagte mir beim NachHause gehen aus einer Gesellschaft, daß Sie eine Erklärung, in der Sie sich von mir gänzlich lossagten, in der A. L. Z. hätten druken lassen, daß er dieselbe gelesen, und als ich darüber stutzte, versprach er mir das Blatt zu zu schiken. Dies hat er nun freilich nicht geleistet. Ich aber habe seitdem einige Lieferungen der A. L. Z. in meinem LeseZirkel erhalten, und vermuthe, daß der gute Mann, wenn er nicht etwa die Stuttgarder Allgemeine Zeitung (die ich gar nicht erhalte) mit der A. L. Z. verwechselt, und etwa dort die bis dahin mir unbekannte von Ihnen S. 120. gerügte Böttigerische Klatscherei gemeint, und in seinem verwirrten Kopfe zu einer Anzeige von Ihnen selbst umgewandelt, vielleicht gar den Namen Schelle mit Schelling verwechselt. [/]
Sie ersehen hieraus, daß Ihre Vermuthungen von Arglist, und Tüke, bei Anbringung dieser Nachricht bei mir, nicht statt haben. Der Mann hat gewiß nichts böses dabei gemeint, oder anzurichten befürchtet. Wenn ich nicht glaubte, daß Ihre Foderung, Ihnen den Namen zu nennen, durch diesen Hergang der Sache sich von selbst erledige, so würde ich es thun; und werde es noch sehr gern thun, wenn Sie es nun noch begehren. Nur wünsche ich, daß dieser Name nicht hier, unter unsern Freunden, bekannt werde, weil die übrigens ehrliche Haut, die sich mir, und den meinigen auf alle Weise zu empfehlen sucht, dadurch ein garstiges ridicule sich zuziehen würde.
Eine Frage anderer Natur aber ist die, wie ich dazu gekommen, dieser Nachricht Glauben beizumessen? – Zuförderst, der Einwurf, den auch Schlegel mir sogleich entgegensezte; daß Sie mit der A. L. Z. nicht so gut stünden, um pp wäre mir an sich nicht von Bedeutung gewesen, denn warum sollten Sie sich derselben nicht als bloßer Druker, was sie ja in Absicht des Intelligenzblattes sind, bedienen können; eben sowohl, als ich z. B. es dem Verleger meines Sonnenklaren Berichts nicht verboten, oder verdacht habe, daß er dieses Buch daselbst anzeigte; sodann aber vermuthete ich sogleich auch bei meinem Referenten eine Verwechselung mit der Allgemeinen Zeitung, in welcher ja wohl Ihr im Cottaischen Verlage herauskommendes Journal, von welchem ich zu gleicher Zeit durch Cotta auf eine Weise, die mich an die vor einem Jahre demselben gethanen Aeusserungen von einem gemeinschaftlichen Unternehmen von uns beiden zu erinnern schien, Nachricht erhielt – in welcher ferner meine Ankündigung einer neuen Bearbeitung der W.L. über deren eine Stelle Sie so sonderbare Bemerkungen gegen mich gemacht hatten, gestanden hatte – in welcher Zeitung, sage ich, eine Ankündi[/]gung dieses Ihres Journals, mit Aeusserungen, die Ihrem lezten Briefe an mich ähnlich wären, stehen konnte. – Kurz, wozu der vielen Worte! Ich lege Ihnen den lezten Bogen Ihres lezten Briefes an mich, von welchem Sie vermuthlich keine Abschrift behalten haben, wieder bei. Sie werden sich aus den angestrichnen Stellen, besonders aus denen mit NB. bezeichneten, sehr leicht erklären können, warum ich eine solche Nachricht zwar unwarscheinlich, aber doch nicht durchaus unmöglich finden konnte.
Zwar sagen Sie auf demselben Blatte, daß Sie sich alles entscheidenden Urtheils über mein System bis zur Erscheinung der neuen Darstellung enthalten wollten; aber ich konnte nach der unmittelbar folgenden Stelle für möglich halten, daß Sie, nach den eben nicht ehrenvollen Begriffen, die Sie daselbst über meine Denkart äussern, diesen Entschluß zurükgenommen, da ich ihn durch eine Beantwortung dieses Schreibens nicht acceptirt, und daß Sie nach einer gewöhnlichen Schriftsteller Politik (der Mann, der so von mir gedacht, wie jenes Schreiben besagt, kann es mir nicht übel nehmen, wenn ich en consequence von ihm dachte,) gegen den befürchteten Angriff von meiner Seite das praevenire spielen wollen.
Ich lege meine Beantwortung dieses Ihres Briefes bei, die ich hernach nicht abschikte; lieber vor Ihnen verstummte, weil ich Ihre schon überreizte Empfindlichkeit nicht noch mehr reizen wollte.
So standen die Sachen, als ich jene Nachricht erhielt. Und nun beantworten Sie sich die zweite Frage selbst.
Indem ich Ihren Brief wieder durchsehe, finde ich bedeutender, daß Sie glauben, ich habe eine Erklärung von Ihnen nur erwartet; nein, ich habe gesagt, sie sey schon geschehen: ich habe es weiter verbreitet: nur W. Schlegel, in Gegenwart Tieks, u. Fr. Schlegeln, bei Gelegenheit, da ich ihn über die bekannte alte Geschichte, unsrer schriftlich genommenen Abrede gemäß, befragte, u. er von nichts zu wissen versicherte, habe ich es mitgetheilt, und ausserdem keinem Menschen. – Sie scheinen einen bedeutenden Accent auf das Wort Klatscherei zu legen, u. mir es zu verdenken, daß ich dergleichen geglaubt. – Lieber Schelling, wenn Sie wissen sollten, wie häufig mir geschrieben, und von durchreisenden Freunden versichert worden, daß Sie, seit meiner Abwesenheit von Jena auf mich, u. den ReflektirPunkt, auf welchem ich stehen geblieben, auf dem Catheder zu spotten pflegten; und nun bemerken wollten, daß ich Ihnen dies gewiß nie auf die entfernteste Weise empfinden lassen, so würden Sie ungläubiger an meinen Glauben an Klatscherei seyn. [/]
Sie wissen, wie ich schon ehemals, da Sie mir in der That mit dem gemeinsten pöbelhaftesten Klatsch auf den Leib rükten, mich benommen. Sie sehen, wie ich Ihre beigelegten Aeusserungen genommen. Sie können, und werden daraus die Tiefe des Zutrauens, der Liebe, der Achtung, der unzerstörbaren Hofnung auf das bessere in Ihnen ermessen. Sie können denken, welche Freude mir daher Ihr Schreiben vom 4ten dieses, und die ganze Art, wie ich in Ihrem Journale, durchaus Ihrer würdig, u. anständig, behandelt werde, macht. Sie haben, und werden unaufhörlich haben in mir den wärmsten anhänglichsten Freund, solange ich dies laut seyn kann, ohne niederträchtig zu erscheinen. Fällt es Ihnen über kurz, oder lang wieder ein, mich, mit aller Vergessenheit dessen, was wir beide sind, zu behandeln, wie Sie es nun schon das zweitemahl gethan haben, so werde ich Sie bedauern, ruhig seyn, und warten, bis Sie sich wieder besinnen.
Sonach wären es in der That nicht unsre wissenschaftlichen Differenzen, welche persönlich zwischen uns etwas stellen könnten, sondern nur persönliche Beleidigungen, dergleichen von mir noch nie ausgegangen sind, und deren ich Sie sich künftig zu enthalten bitte, und es nun auch festiglich hoffe.
Was Ihre vorgehabte Erklärung für mich in der bewußten Angelegenheit betrift, so erlauben Sie mir, Ihnen meine Denkart darüber zu eröfnen.
Ich verachte die Meinung des grossen Volks zu sehr, glaube zu fest, daß unser sittlicher [/] Charakter nur unsre eigne, und unsrer Freunde, wenn wir deren haben, Sache sey; glaube ferner, daß ich meinen wissenschaftlichen Zwek erreichen könne, was auch das Volk über meine Denkart glaubt, – oder, wenn ich auch auf alles dieses mehr Werth sezte, als ich thue, so glaube ich gefunden zu haben, daß mein ganzes Wesen auf die Menge nicht den Eindruk gemacht hat, daß sie so sehr interessirt schiene, mich für feig, falsch, lügenhaft, niederträchtig zu halten, als es oft diejenigen scheinen, die mich näher kennen könnten. Ich habe daher beschlossen, und bei Gelegenheit diesen Entschluß öffentlich geäussert, über jenen Punkt, wenigstens ohne dringende Veranlassung, mich nicht öffentlich zu äussern; u. dies zwar nicht aus Schonung gegen ein Individuum, von welchem ich nicht entscheiden will, ob es der Schonung würdig sey, oder nicht, das aber auf jeden Fall sich eben fügen müßte; sondern aus Achtung für mich selbst. Ich glaube mich hoch genug achten zu dürfen, um der Anklage aus jenen Punkten mich nicht einmal zu stellen.
Daß Sie und Niethammer dabei in ungerechten Verdacht kommen, ist etwas anderes. Und da halte ich denn dafür, daß Sie beide, auf die rechtlichste Weise, mit Einverständniß beider, in den Besitz des Aufschlusses gekommen sind, und daß Sie davon jeden Gebrauch zu machen berechtigt sind; u. wenn es dazu meiner Einwilligung zu bedürfen schiene, der es in der That nicht bedarf, so ertheile ich sie in jedem Maasse.
Also, dies ist zuförderst ganz Ihrem eignen Ermessen anheim gestellt, dem es ohnedies, wie ich glaube, zustand.
Sie sind ferner so gütig, meinen Rath zu begehren, wie dieser Entschluß, falls er ausgeführt werden soll, am besten ausgeführt werden könne. – Es sind nur zwei Männer in jener Gegend, an deren Meinung, besonders an der des erstem, mir etwas liegt: Göthe, und Schiller. Ich muß wissen, daß Ihnen auch ebenfalls besonders an der ersteren, liegt. Erzählen Sie [/] diesen, Göthe, wenn Sie wollen, auch in meinem Namen, und als auf meinen Auftrag, daß Sie mir über diesen Punkt so geschrieben, ich Ihnen so geantwortet, und darauf, wie sich eigentlich die Sache begeben habe; und welchen Rath Er darüber gebe.
Sind Ihnen alle Umstände genau bekannt.? Ich füge die erheblichsten, die Ihnen unbekannt geblieben, oder entfallen seyn könnten, bei.. – Der Mann trift meine Frau auf dem Spaziergange, und redet – ohne daß je zwischen uns ein Gespräch verwandten Inhalts vorgefallen – der ängstlichen, betäubten, gebohrnen Fremden, von seinem Triebe nach einem Lande der Freiheit, wie ihr Vaterland, die Schweiz, und von seinem Entschlusse, uns, wenn der schwebende Handel nicht ausfalle, wie er solle, dorthin zu begleiten. Ich besuche ihn auf diese Aeusserung den andern Morgen, und auf einem Spaziergange, auf welchem er dasselbe gegen mich wiederholt, schlage ich die vorläufige Maasregel des ersten Briefs vor. – Er billigt sie; ich schike ihm das Concept des Briefs; er sagt mir in einem Billet, dessen Original ich in den dahingehörigen Akten aufbewahrt habe, daß er damit ganz einverstanden sey. . Das bekannte Rescript kam; er wuste sich desselben zu bemächtigen, theilte es mir privatim mit, und hielt den Cirkellauf desselben auf, bis er mir, der schon längst seinen Entschluß faßte, innerhalb 24. Stunden den zweiten Brief abgenörgelt, und abgequält hatte, – der sein Werk ist, und nicht das meinige, wie jeder der meine Denkart, und Styl kennt, sogleich sehen muß – durch dessen Interpretation nur Er gedekt seyn wollte, – den ich, obgleich ich dieses alles [/] sehr genau durchsah, doch schrieb, bloß um der Quälerei, die schlechthin nicht nachließ, los zu werden – schrieb, was gedacht zu haben, ich mir nie verzeihen würde.
Ich will nicht Sie ehren, sondern ich glaube mich selbst zu ehren, indem ich Ihnen die innige Freude bezeuge, die mir Ihr Journal von Anfange bis zu Ende verschafft hat. – Der arme Zettel; ich könnte sogar Mitleid mit ihm haben, so ist er h<eim>geschikt. – Von Krug habe ich nur überhaupt gewußt, daß er ein schlechtes Subjekt sey, und Bissen seiner Philosophie aus den lobpreisenden Recensionen der N. D. Bthk. vernommen. Für so erbärmlich hätte ich doch ein Erdenkind in unsrer Zeit kaum gehalten..
Unsre wissenschaftliche Differenz in diesem Briefe zu berühren, würde mich, wenn auch nichts anderes, doch der frühere beigelegte Brief von mir, bewegen. Sie werden freilich über die in demselben angestrichne Stelle, die ich eben deswegen angestrichen habe, lächeln. Sie bezeugen es in dem ersten Hefte des Journals an vielen Stellen, daß alle Quantität, u. Relation, durchaus nicht in das Absolute fällt, – u. doch haben Sie in der That die in meinem Briefe angeführte Stelle niedergeschrieben, und Ihre ganze neue Darstellung hat wohl kräftigere der Art. – Und – setze ich hinzu – so muß es seyn – Ihr Seyn, und Ihr Wissen selbst sind auch nur in Relation, und Sie müssen, da Sie von beiden wissen, und reden, beides durch ein höheres erklären, von dem Sie eben auch wissen müssen . . und Ihr System ist in Beziehung auf das absolute nur negativ, wie Sie das meinige – so nemlich wie Sie es verstehen, – beschuldigen; und das Ihrige erhebt sich eben nicht zum GrundReflexe, und drum glauben Sie, daß das meinige, eben so, wie ich vom Kantischen gesagt, auf dem ReflexionsPunkte stehen geblieben.
Es giebt ein relatives Wissen, Nebenglied vom Seyn. – Unter diesem relativen Wissen giebt es freilich wieder ein anderes Seyn. In dem Standpunkte dieses Wissens haben Sie nun immer meine Wissen[/]schaftslehre gefunden.. Das Nebenglied dieses Wissens ist das höchste, und eben darum absolute, Seyn, – Seyn sage ich. Zu dem Begriffe dieses Seyns glauben Sie nun über die W.L. hinweg sich erhoben zu haben; und vereinigen nun die Nebenglieder, – nicht materialiter durch Einsicht, sondern formaliter, weil das Bedürfniß des Systems Einheit ist, nicht durch Anschauung (die ja etwas positives liefern müste,) sondern durch Denken, (das nur ein Verhältniß postulirt) – in eine negative Idendität d.i. NichtVerschiedenheit des Wissens u. Seyns, in einen IndifferenzPunkt u.s.w. Aber sehen Sie vor der Hand z. B. das absoluteste Seyn, das Sie aufstellen mögen, nur darauf an, so finden Sie in ihm das deutliche Merkmal einer Zusammensetzung, die begreiflich nicht ohne Scheidung vorgegangen seyn kann; daher Sie auch ganz richtig aus diesem Seyn das (relative) Wissen und aus diesem Wissen wiederum das Seyn ableiten. Des gleichen finden Sie im relativen Wissen auch. – Ihr Punkt liegt also allerdings höher, als der im relativen Wissen, den Sie der W. L. zuschreiben, und ist N. 2. wenn jener N. 3 ist. Aber es giebt einen noch höhern, in welchem eben das Seyn, und sein Nebenglied Wissen erst, sowohl geschieden, als zusammengesezt wird; dieser Punkt ist eben auch ein Wissen (nur nicht von etwas, sondern das absolute) und in diesem hat die W. L. stets gestanden und ist eben darum transscendentaler Idealismus, und ihn unter anderm durch den Ausdruk des Ich, in welchem erst das Ich – versteht sich das relative – und das Nicht=Ich geschieden wird, angedeutet. – Dies wollte ich auch in einem frühem Briefe zu verstehen geben, in dem ich sagte, das absolute der Philosophie, versteht sich, bleibe doch immer ein Sehen. Sie erwiderten, es könne kein Sehen von Etwas seyn, was denn sehr richtig ist, ich auch nicht vermeinte; und wodurch denn die Sache auf sich beruhen muste. – So ergeht es Spinoza. Das Eine soll Alles (bestimmter, das Unendliche, denn es giebt hier keine Totalität) seyn, und umgekehrt; was denn ganz richtig ist. Aber wie das Eine zu Allem, und das All zu Einem werde – den Uebergangs= Wende= und realen IdenditätsPunkt derselben kann er uns nicht angeben, daher hat er das Eine verlohren, wenn er aus dem All greift, und das All, wenn er das Eine faßt. [/] Drum stellt er auch die beiden GrundFormen des Absoluten, Seyn, und Denken, eben ohne weiteren Beweiß hin, wie Sie eben auch, – durch die W. L. keinesweges berechtigt, thun. – Aber es scheint mir an sich klar, daß das Absolute nur eine absolute, d. h. in Beziehung auf Mannigfaltigkeit, durchaus nur Eine, einfache, sich ewig gleiche, Aeusserung haben kann; und diese ist eben das absolute Wissen. Das absolute selbst aber ist kein Seyn, noch ist es ein Wissen, noch ist es Idendität, oder Indifferenz beider: sondern es ist eben das absolute Wissen. Das absolute selbst aber ist kein Seyn, noch ist es ein Wissen, noch ist es Idendität, oder Indifferenz beider: sondern es ist eben – das absolute – und jedes zweite Wort ist vom Uebel.
Hieraus folgt nun freilich, daß ein transscendentaler Idealismus, wie Sie ihn in der W. L. gefunden, und in Ihrem Werke dargestellt haben, eigentlich nichts weiter ist, als ein Formalismus, eine Einseitigkeit, höchstens ein nach einem nicht guten Plane abgesonderter Abschnitt einer Wissenschaftslehre: – folgt, daß die NaturPhilosophie durchaus nicht ein besonderer Pol der Phil. sondern nur ein Theil derselben sey, folgt, daß, wenn sie so betrachtet wird, derselben durchaus nicht der Idealismus (denn in diesem liegt sie mitten darin) sondern nur die Ethik, die Lehre vom intelligiblen Seyn, gegenüberstehe.
Sollten diese hingeworfnen Winke Ihrer Aufmerksamkeit nicht ganz unwerth scheinen; oder sollte die vortheilhafte Meinung von mir, daß ich, da Sie mir selbst zugestehen, daß ich, – dies mein Zurükbleiben abgerechnet, ehemals doch ganz erträgliche Sachen vorgebracht, jezt ein Jahr unbefangner Arbeit und Untersuchung nicht durchaus verlohren haben möchte, einiges Gewicht für Sie haben, so wünschte ich wohl, daß Sie sowohl als Hegel über diesen Streitpunkt nicht weiteres Aufheben, und dadurch, wie ich glaube, die Misverständnisse nicht zahlreicher machten; bis meine neue Darstellung erschienen ist, die zu Ostern erscheinen wird. Ich habe – nicht etwa aus Schonung gegen Sie, – ich bin nicht so kleindenkend, um zu glauben, daß Sie derselben bedürfen, – sondern um Anstoß zu vermeiden, über diesen Punkt, den ich allerdings erörtern muß, gar nicht Sie, sondern lediglich Spinoza zu meinem Gegner zu machen; und es wird dann von Ihnen abhängen, fortzufahren, oder einzulenken, wie Sie selbst es gut gethan finden.
Ich hoffe, mein theuerster verehrtester Freund, dieser ganze Brief spricht so deutlich meine Achtung und Liebe für Sie, aus, daß es keiner besondern Versicherung derselben zum Schlusse bedarf.
Ganz der Ihrige
Fichte.