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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Friedrich Immanuel Niethammer TEI-Logo

<Den 15t Nov. 97>
Theuerster Freund!
Ihr leztes Schreiben war mir doppelt u. dreifach angenehm, da ich nach einer langen Unterbrechung unsers Briefwechsels im ersten Briefe von Ihnen erfahre, daß Sie sich eben jezt ganz nahe dem Ziel eines Wunsches befinden, an dem ich bisher in der Stille den wärmsten Anteil genommen habe. Daß Sie auch mich an Ihrem Glük, – (ich wünsche Ihnen nicht Glük, weil ich das in Ihrem Falle für ganz unnötig halte; ich begreife nicht, warum die Glükwünschungen nicht längst abgeschafft sind) – einigen Antheil nehmen lassen wollen, indem Sie mich zu Ihrem Hausgenossen bestimmen, – daran erkenne ich Ihre ganze Gesinnung; glükl., wenn das Schiksal nur eben so wohl will, als Sie. Meine Krankheit hat mir eine Verändrung meiner Lage auf's Neue wünschenswerth gemacht, weil ich meinen ganz heterogenen Arbeiten, (die bekanntl. mehr anstrengen, als die peniblesten, wenn sie nur homogen sind) am Ende doch meine Krankheit, oder doch wenigstens ihre Heftigkeit Schuld gebe. Nur müßte die Sache einige Zeit vor Ostern entschieden werden, teils weil ich die Verbindung mit meinem Eleven nicht plözl. aufheben kann, teils weil die vaterländischen Verhältnisse Aufschub verursachen. Ich weiß nicht, ob meine Eltern sogleich einwilligen, auch würde ich die Sache sonst bestmögl. benuzen, da nun auch an Ihnen wieder eine Hoffnung für die Philos, im Vaterlande untergegangen ist. – Die Hauptsache zulezt: wieviel in Jena dazu gehört, um in aurea mediocritate (denn mehr verlange ich niemals) zu leben? Ich wünschte von Ihnen Auskunft darüber zu erhalten, da Sie alles auf's genaueste kennen gelernt haben.
Für die Übersendung Ihrer Inaug. Disputation meinen herzlichsten Dank! Ich hoffe, Ihr Zutrauen mit der Recension verdienen zu können, nur werden Sie verzeihen, wenn ich vorjezt noch aufschiebe. Doch verspreche ich, sie in Zeit eines Monats auszuarbeiten. Bin ich zum Rec. an der L. Z. ersehen, so ist jezt, ehe ich meine abgebrochnen Arbeiten wieder vornehme, die beste Zeit, etwas in diesem Fache wegzuarbeiten, da ich philos. Schriften, wie die gewöhnln. sind, jezt ohne alle Anstrengung lesen kann.
Die Fordrung des Verlegers ist an sich betrachtet sehr billig, daß er aber die ganze Kosten bezahlt haben will, finde ich sehr unbillig, weil ich mit dieser Vorausezung an Hn. Tittmann wahrlich nicht 4. Thlr. gerükt u. die Antwort wenigstens um die Hälfte kürzer gefaßt hätte. Will er von der Fordrung nicht abstehen, so schlage ich einen Vergleich vor; ich würde die Kleinigkeit nicht in Anschlag bringen, wenn ich nicht ebenjezo, da ich die ansehnl. Kosten meiner Krankheit selbst tragen will, um mir keine Verbindlichkeit gegen meinen Eleven aufzuladen, an jede Kleinigkeit sehen müßte.
Wenn das 9. Heft nicht eher, als in 14. Tagen –3. Wochen erscheint, so kann ich einen Beitrag zusagen. Auf jeden Fall bitte ich um Raum im 10ten u. ff. Heften. Unverändert ganz der Ihrige
Schelling.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 15. November 1797
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Friedrich Immanuel Niethammer ·
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 1. 1775‒1809. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1962, S. 114‒115.

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