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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Christoph Heinrich Pfaff TEI-Logo

Leipzig, 6ten März 98
Seitdem Du uns verlassen hast, liebster Freund, finde ich mich ganz einsam; ich eile Dir zu schreiben, um so wenigstens in der Ferne mit Dir zu reden. Die kurze Zeit, die wir zusammengelebt haben, wird mir unvergeßlich sein. Die Galvanischen Experimente, die Du mir gezeigt hast, haben mir einige schlaflose Nächte gemacht. Die Kraft, die ich darin erblicke, sezt mich immer mehr in Verwunderung, je mehr ich darüber nachdenke. Du hast hier manche meiner Einfälle mit so vieler Güte aufgenommen, daß ich Dich um Erlaubnis bitte, Dir ferner einige mitzuteilen und Deine Meinung darüber zu hören. Was auch künftige Versuche finden werden, über die Idee zweyer entgegengesezter Kräfte (als gemeinschaftlicher Factoren der tierischen Bewegung) wird keine Erfahrung hinauskommen; mit dieser Idee hast Du a priori gleichsam die Gränze gezogen, innerhalb welcher unsre Begriffe stehen bleiben müssen. Ich betrachte alle weitere Versuche als bloße Bestätigungen dieses Dualismus der Principien in Nerven und Muskeln; es bleibt nichts übrig, als die Natur dieser Principien näher zu erforschen! Du kannst dafür nichts entscheidenderes unternehmen als Versuche über den Ursprung und die Bestandtheile der elektrischen Materie. – Ich hoffe, daß wir uns, nachdem unsere Freundschaft so jugendlich angefangen niemals fremd werden, und daß ich bisweilen etwas von Deinen Entdeckungen erfahre. Ich bin überzeugt, daß Du bestimmt bist, mit dem Galvanismus ins Reine zu kommen. – Wie vieles wollt ich Dir noch mündlich sagen, wozu Zeit und Gelegenheit fehlten. Auch mehr zu schreiben verstattet jetzt die Zeit nicht. –
Nicht einmal das Versprechen, Dir einen Brief für Jacobi zu schicken, kann ich erfüllen. Es war ganz unmöglich. Du erhältst aber einen Brief an Perthes, der Dich mit J. sogleich bekanntmachen wird. Ich bitte Dich, ihm zu sagen, welche Hochachtung ich für ihn empfinde, und wie glücklich ich mich schätze, ihm bekannt zu seyn. Schreiben konnte ich nicht; aber ich werde es thun, sobald ich Muße finde. Ich hoffe, daß dieser Brief Dich noch in Helmstedt findet u. bitte Dich, mir bald – recht bald Nachricht von Deiner Reise und insbesondere dem Aufenthalt in Hamburg zu geben. Du wirst mich so wegen Deiner Abreise am ehesten noch trösten können.
Lebe wohl, bester, unvergeßlicher Freund, und erhalte mir Dein Andenken.
Schelling
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 6. März 1798
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Christoph Heinrich Pfaff ·
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Helmstedt ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 1. 1775‒1809. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1962, S. 119‒121.

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