Leipzig, den 29. Aug. 96.
Verzeihung, beste Eltern, wenn Sie auf Briefe von mir warteten und bisher keine erhielten. Lange Zeit konnte weder über Frankfurt noch Nürnberg ein Brief gehen; nachher – ich gesteh' es – erwartete ich Nachrichten über Ihr Schicksal, ehe ich antworten wollte. Das Schicksal meines Vaterlandes kannte ich wohl, aber ich wollte wissen, wie es Ihnen ergangen wäre. Wie oft wünschte ich, Sie nicht verlassen zu haben, weil ich Ihnen doch da oder dort nützlich sein konnte. Ich bin froh, daß Sie so gut weggekommen sind, und wünsche nichts mehr, als daß es künftig eben so gehe. Sie können sich vorstellen, was ich in meiner hiesigen Unthätigkeit fühlte, und wie mir oft die Füße brannten, wenn ich dachte, daß zu Hause nun alles in Thätigkeit sei. Thätigkeit? fragte ich mich wieder. – Eine schöne Thätigkeit, wo man ruhiger Zuschauer sein – den inneren Gram und Groll tief in sich verschließen – und zusehen muß, daß sein Vaterland ein Opfer des Fürsteneigensinns ist, der nicht zu beugen war, so lange sie hoffen konnten, ihre Person zu retten, und der nun zu Angst und Schrecken geworden, alle Bedingungen eingeht, und das ganze Vaterland preisgibt, nur um – die fürstliche Person zu retten. Dann war ich froh, den Schimpf meines Vaterlandes nicht gesehen zu haben, das um jeden Preis erkaufen muß, was andre Völker um jeden Preis los sein wollten. Wer hätte vor zwei Jahren noch erwartet, daß die Fürsten Deutschlands sich mit den Franken gegen ihr eigenes Volk verschwören würden? – Was wird nun das vollends für ein Friede sein, den man so schändlich erkauft hat, und den man nur – mit innerer Scham oder wohl gar mit Furcht und Zittern – abschließen wird. – Gewiß wo möglich noch einfältiger und unbestimmter, als der Waffenstillstand! Und der despotische Ton, mit dem – nicht die Franken, nein der eigne Fürst, die Brandschatzungen eintreibt! Hat denn Würtemberg kein Recht, gegen einen Herrn von Mandelsloh etc. zu protestiren, der in W. weder Geld noch Gut hat, aber mit fremdem Geld und Gut gar trefflich zu erkaufen versteht, was man leider vorher schon besaß? – Von Stuttgart schreibt man, daß auf dem Lande überall geplündert wird, daß in Stuttgart nicht einmal Vorkehrungen gegen Plünderungen getroffen waren. So hat also der Herzog auf seiner Flucht für's Vaterland gesorgt? ? Was hätten uns die Österreicher mehr thun können, wenn wir vor einem Jahre Frieden geschlossen hätten. O sublime Politik, herrlicher Fürstenverstand! ! –
An Gottlieb hab' ich geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Die Antwort kann auch noch nicht da sein. Ich denke immer, er ist noch in Leoben. – Beate wird indeß zurückgekommen sein. Ich erschrak gleich, als ich von einem meiner Bekannten – einem Franzosen, der mit ihr in Ludwigsburg getanzt hat – hörte, sie wäre in Königsbronn – einem offnen Ort, wohin sich die Franzosen mehrmals zurückzogen.
Wegen der 500 fl. kann ich noch keine Antwort geben. Ich selbst bin nicht im Stande, es zu zahlen, denn unsre Gasse ist ziemlich klein, seitdem die Franken in Darmstadt und der dortigen Gegend sind. Vielleicht kann ich es bei einigen Würtembergischen Kaufleuten auswirken, die aber jetzt gerade eine Reise nach Hamburg gemacht haben. Ich muß also warten, bis sie zurück sind.
Sie, 1. Vater, haben Ihren vergangenen Geburtstag unter großen Unruhen gefeiert. Ich habe hier in der Ruhe ihn im Stillen gefeiert. Meine Wünsche will ich Ihnen nicht hersetzen, sie sind in meinem Herzen geschrieben. Gegenwärtig haben wir hier eine Menge fürstlicher Flüchtlinge, den Kurfürsten von Köln – Ludwig XVIII. – den Landgrafen von Darmstadt nebst Familie u.s.w Auch der Geheimrath v. Gatzert war hier, um den pflichtvergessenen Fürsten, der sein Land in der Ferne vergessen zu haben schien, zu mahnen, daß es Zeit sei, an seine Rettung zu denken. Er hat mir seine Zufriedenheit bezeigt.
Ich muß schließen, mit den besten, wärmsten Wünschen für Sie.
Ihr
Fr.
Verzeihung, beste Eltern, wenn Sie auf Briefe von mir warteten und bisher keine erhielten. Lange Zeit konnte weder über Frankfurt noch Nürnberg ein Brief gehen; nachher – ich gesteh' es – erwartete ich Nachrichten über Ihr Schicksal, ehe ich antworten wollte. Das Schicksal meines Vaterlandes kannte ich wohl, aber ich wollte wissen, wie es Ihnen ergangen wäre. Wie oft wünschte ich, Sie nicht verlassen zu haben, weil ich Ihnen doch da oder dort nützlich sein konnte. Ich bin froh, daß Sie so gut weggekommen sind, und wünsche nichts mehr, als daß es künftig eben so gehe. Sie können sich vorstellen, was ich in meiner hiesigen Unthätigkeit fühlte, und wie mir oft die Füße brannten, wenn ich dachte, daß zu Hause nun alles in Thätigkeit sei. Thätigkeit? fragte ich mich wieder. – Eine schöne Thätigkeit, wo man ruhiger Zuschauer sein – den inneren Gram und Groll tief in sich verschließen – und zusehen muß, daß sein Vaterland ein Opfer des Fürsteneigensinns ist, der nicht zu beugen war, so lange sie hoffen konnten, ihre Person zu retten, und der nun zu Angst und Schrecken geworden, alle Bedingungen eingeht, und das ganze Vaterland preisgibt, nur um – die fürstliche Person zu retten. Dann war ich froh, den Schimpf meines Vaterlandes nicht gesehen zu haben, das um jeden Preis erkaufen muß, was andre Völker um jeden Preis los sein wollten. Wer hätte vor zwei Jahren noch erwartet, daß die Fürsten Deutschlands sich mit den Franken gegen ihr eigenes Volk verschwören würden? – Was wird nun das vollends für ein Friede sein, den man so schändlich erkauft hat, und den man nur – mit innerer Scham oder wohl gar mit Furcht und Zittern – abschließen wird. – Gewiß wo möglich noch einfältiger und unbestimmter, als der Waffenstillstand! Und der despotische Ton, mit dem – nicht die Franken, nein der eigne Fürst, die Brandschatzungen eintreibt! Hat denn Würtemberg kein Recht, gegen einen Herrn von Mandelsloh etc. zu protestiren, der in W. weder Geld noch Gut hat, aber mit fremdem Geld und Gut gar trefflich zu erkaufen versteht, was man leider vorher schon besaß? – Von Stuttgart schreibt man, daß auf dem Lande überall geplündert wird, daß in Stuttgart nicht einmal Vorkehrungen gegen Plünderungen getroffen waren. So hat also der Herzog auf seiner Flucht für's Vaterland gesorgt? ? Was hätten uns die Österreicher mehr thun können, wenn wir vor einem Jahre Frieden geschlossen hätten. O sublime Politik, herrlicher Fürstenverstand! ! –
An Gottlieb hab' ich geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Die Antwort kann auch noch nicht da sein. Ich denke immer, er ist noch in Leoben. – Beate wird indeß zurückgekommen sein. Ich erschrak gleich, als ich von einem meiner Bekannten – einem Franzosen, der mit ihr in Ludwigsburg getanzt hat – hörte, sie wäre in Königsbronn – einem offnen Ort, wohin sich die Franzosen mehrmals zurückzogen.
Wegen der 500 fl. kann ich noch keine Antwort geben. Ich selbst bin nicht im Stande, es zu zahlen, denn unsre Gasse ist ziemlich klein, seitdem die Franken in Darmstadt und der dortigen Gegend sind. Vielleicht kann ich es bei einigen Würtembergischen Kaufleuten auswirken, die aber jetzt gerade eine Reise nach Hamburg gemacht haben. Ich muß also warten, bis sie zurück sind.
Sie, 1. Vater, haben Ihren vergangenen Geburtstag unter großen Unruhen gefeiert. Ich habe hier in der Ruhe ihn im Stillen gefeiert. Meine Wünsche will ich Ihnen nicht hersetzen, sie sind in meinem Herzen geschrieben. Gegenwärtig haben wir hier eine Menge fürstlicher Flüchtlinge, den Kurfürsten von Köln – Ludwig XVIII. – den Landgrafen von Darmstadt nebst Familie u.s.w Auch der Geheimrath v. Gatzert war hier, um den pflichtvergessenen Fürsten, der sein Land in der Ferne vergessen zu haben schien, zu mahnen, daß es Zeit sei, an seine Rettung zu denken. Er hat mir seine Zufriedenheit bezeigt.
Ich muß schließen, mit den besten, wärmsten Wünschen für Sie.
Ihr
Fr.