Leipzig, den 7. Dec. 96.
Bester Vater!
Meinen kindlichsten Dank für Ihren Brief und die Nachrichten, die Sie mir mittheilen. Schon vorher war ich von Ihrem Wohlbefinden durch ein Schreiben von Herrn Castellnaut versichert, der mir nicht genug rühmen konnte, mit welcher Freundschaft Sie ihn beherbergt haben, und Ihre Güte gegen ihn auf meine Rechnung schrieb.
Sie haben nun also mit August den zweiten Schritt getan; ich wünsche Ihnen Glück, daß Sie auch dieses glücklich vollbrachten. Ich zweifle nicht, daß er allen Ihren Vaterhoffnungen entsprechen wird. Mehr fürchte ich, daß er sich im Studiren zu sehr angreift, und daß das ungesunde Klima von Maulbronn ihm allzusehr zusetzt. Auch wäre es gut, wenn er sich nun nicht mehr allein auf Sprachen, sondern auch vorzüglich auf Mathematik legte. Ich bedaure noch jetzt, daß ich die glückliche Gelegenheit, bei Ihnen in dieser Wissenschaft guten Grund zu legen, versäumt habe, und muß nun mit doppelter Mühe nachholen, was ich im Kloster und auf der Universität so leicht lernen konnte.
Von Gottlieb können unmöglich Nachrichten da sein. Er wird im Getümmel des Krieges wohl keinen ruhigen Augenblick finden, seinen Eltern zu schreiben. Um so weniger lassen Sie sich deßhalb bange sein. Das allerglücklichste für ihn wäre wohl, in französische Gefangenschaft gerathen zu sein. Auf jeden Fall aber können Sie sich trösten, da jetzt ein neuer Strahl der Hoffnung durch den Tod der russischen Kaiserin aufgegangen ist, die den Krieg wohl auf's neue – der französischen Gesandschaft in Wien und der glimpflichen Bedingungen, welche die Republik macht, unerachtet – entflammt hätte. Der Courier, der diese Nachricht nach Stuttgart bringt, ging schon vorgestern hier durch. Er war von Petersburg bis Riga auf Schlitten gereist. Die Begebenheit ist doppelt glücklich für uns, da die plumpe Grobheit des österreichischen . . .'s gegen unser unglückliches Land sich jetzt wohl ein wenig ändern wird. Oft brennen mir die Sohlen, nach Haus zu gehen, und doch man darf ja so was nicht ausschreiben. Wär's nicht ein hübsches Plänchen – jetzt nach Rußland zu gehen? Die neue Kaiserin begünstigt ihre Landsleute außerordentlich. – Daß der Landtag nicht zusammenkommen soll, ist mir, wie Sie wohl denken werden, sehr leid. Sollen wir also wieder in den alten Schlaf zurücksinken, um ein andermal wieder, wie Schafe, geschlachtet und geschoren zu werden? – Der Erbprinz reiste schon vor vier Wochen hier durch. Der Protestationen in auswärtigen Zeitungen unerachtet, weiß man doch gar wohl, was er in Wien gethan hat, und was freilich allen Glauben übersteigt.
Wenn auf K. L. B. eine Satire erschienen ist, so hat er das wohl verdient, und thut mir herzlich leid, daß ich nichts dazu beigetragen habe; denn er hat's vor allen andern – und vorzüglich an mir verdient. Ich bin nun wegen Nicolai so ziemlich im Klaren. Ein einfältiges Schaf (aus dem Repetentencollegium in Tübingen, das von Berlin kommt, und von L. B. an Nicolai empfohlen war), hat mir, ohne es zu wissen, gesagt, was ich wissen wollte. – Sie werden wissen, daß Nicolai von Schiller in seinem neuen Musenalmanach in mehr denn 20 Epigrammen jämmerlich gegeißelt worden ist. Unter anderem heißt es:
Nicolai reiset schon lange, noch lang' wird er reisen,
Aber ins Land der Vernunft findet er nimmer den Weg.
Ein andres beantwortet den witzigen Einfall mit der Zwiebel, den er aus Gelegenheit meiner gehabt hat:
Ist denn die Wahrheit nur eine Zwiebel, der man die Haut schält?
Was Du hinein nicht gelegt, ziehest du nimmer heraus.
Da ich Ihnen keine Antwort von mir schicken konnte, so sorgen Sie dafür, daß dieser Almanach in die Schorndorfer Lesegesellschaft kommt. Übrigens soll er von mir aus Gelegenheit der Recension meiner Schrift in der A. L. Z., auf die ich einiges antworten werde, auch noch was wegbekommen.
Denken Sie wohl, daß ich ganz freiwillig – mit meinen Eleven jetzt die Institutionen höre? Wenigstens habe ich den Gewinn davon, daß mir einmal als Pfarrer Amtmann und Oberamtmann nicht so leicht zu Leibe kommen. Es ist ein ganz abscheulich-geistloses Studium und die Theologie ist dagegen, wie sublimirter Weingeist gegen Leipziger Breihau!
Mich freut, daß Sie Ihre Jesajanische Arbeit so glücklich vollendet haben. Sollten Sie in Ulm nicht sogleich einen Verleger finden, so bitte ich, mir das Manuskript den nächsten Posttag hierher zu schicken. (Die Vorrede braucht nicht dabei zu sein). Da ich für meine eignen Arbeiten – (ich will zur nächsten Messe auch etwas schreiben) – Buchhändler-Bekanntschaften suchen mußte, so zweifle ich keineswegs, daß ich es hier vortheilhaft anbringen werde.
Gottlob bin ich hier immer noch gesund und gerne. Ich finde, daß es in manchem weit besser ist, als bei uns, in manchem aber auch weit schlechter. Indeß freue ich mich meiner beinahe unbeschränkten Freiheit, und suche sie so gut, wie möglich, zu benützen.
Ich werde Ihnen vor dem neuen Jahr nimmer schreiben. Aber Sie wissen, daß meine Wünsche für Ihr fortdauerndes Wohl Sie auch in der Ferne in's neue Jahr hinüber begleiten. Seien und bleiben Sie mir immer Vater, wie Sie es mir bisher gewesen sind. – Der Mama muß ich selbst schreiben.
Unveränderlich
Ihr
Fritz.
P. S. Le manchon est parti d'ici, il y a plus d'un mois. Mais comme le marchand, qui s'en est chargé, a passé plusieures sémaines à Francfort, il se peut bien, que Vous ne l'ayéz pas même encore à present. Dans ce cas là Vous ne dirès pas à Maman ce que signifient ces lignes. Vous lui dirès, que ce sont des exécrations contre les Autrichiens. – Salut et respect.
Bester Vater!
Meinen kindlichsten Dank für Ihren Brief und die Nachrichten, die Sie mir mittheilen. Schon vorher war ich von Ihrem Wohlbefinden durch ein Schreiben von Herrn Castellnaut versichert, der mir nicht genug rühmen konnte, mit welcher Freundschaft Sie ihn beherbergt haben, und Ihre Güte gegen ihn auf meine Rechnung schrieb.
Sie haben nun also mit August den zweiten Schritt getan; ich wünsche Ihnen Glück, daß Sie auch dieses glücklich vollbrachten. Ich zweifle nicht, daß er allen Ihren Vaterhoffnungen entsprechen wird. Mehr fürchte ich, daß er sich im Studiren zu sehr angreift, und daß das ungesunde Klima von Maulbronn ihm allzusehr zusetzt. Auch wäre es gut, wenn er sich nun nicht mehr allein auf Sprachen, sondern auch vorzüglich auf Mathematik legte. Ich bedaure noch jetzt, daß ich die glückliche Gelegenheit, bei Ihnen in dieser Wissenschaft guten Grund zu legen, versäumt habe, und muß nun mit doppelter Mühe nachholen, was ich im Kloster und auf der Universität so leicht lernen konnte.
Von Gottlieb können unmöglich Nachrichten da sein. Er wird im Getümmel des Krieges wohl keinen ruhigen Augenblick finden, seinen Eltern zu schreiben. Um so weniger lassen Sie sich deßhalb bange sein. Das allerglücklichste für ihn wäre wohl, in französische Gefangenschaft gerathen zu sein. Auf jeden Fall aber können Sie sich trösten, da jetzt ein neuer Strahl der Hoffnung durch den Tod der russischen Kaiserin aufgegangen ist, die den Krieg wohl auf's neue – der französischen Gesandschaft in Wien und der glimpflichen Bedingungen, welche die Republik macht, unerachtet – entflammt hätte. Der Courier, der diese Nachricht nach Stuttgart bringt, ging schon vorgestern hier durch. Er war von Petersburg bis Riga auf Schlitten gereist. Die Begebenheit ist doppelt glücklich für uns, da die plumpe Grobheit des österreichischen . . .'s gegen unser unglückliches Land sich jetzt wohl ein wenig ändern wird. Oft brennen mir die Sohlen, nach Haus zu gehen, und doch man darf ja so was nicht ausschreiben. Wär's nicht ein hübsches Plänchen – jetzt nach Rußland zu gehen? Die neue Kaiserin begünstigt ihre Landsleute außerordentlich. – Daß der Landtag nicht zusammenkommen soll, ist mir, wie Sie wohl denken werden, sehr leid. Sollen wir also wieder in den alten Schlaf zurücksinken, um ein andermal wieder, wie Schafe, geschlachtet und geschoren zu werden? – Der Erbprinz reiste schon vor vier Wochen hier durch. Der Protestationen in auswärtigen Zeitungen unerachtet, weiß man doch gar wohl, was er in Wien gethan hat, und was freilich allen Glauben übersteigt.
Wenn auf K. L. B. eine Satire erschienen ist, so hat er das wohl verdient, und thut mir herzlich leid, daß ich nichts dazu beigetragen habe; denn er hat's vor allen andern – und vorzüglich an mir verdient. Ich bin nun wegen Nicolai so ziemlich im Klaren. Ein einfältiges Schaf (aus dem Repetentencollegium in Tübingen, das von Berlin kommt, und von L. B. an Nicolai empfohlen war), hat mir, ohne es zu wissen, gesagt, was ich wissen wollte. – Sie werden wissen, daß Nicolai von Schiller in seinem neuen Musenalmanach in mehr denn 20 Epigrammen jämmerlich gegeißelt worden ist. Unter anderem heißt es:
Nicolai reiset schon lange, noch lang' wird er reisen,
Aber ins Land der Vernunft findet er nimmer den Weg.
Ein andres beantwortet den witzigen Einfall mit der Zwiebel, den er aus Gelegenheit meiner gehabt hat:
Ist denn die Wahrheit nur eine Zwiebel, der man die Haut schält?
Was Du hinein nicht gelegt, ziehest du nimmer heraus.
Da ich Ihnen keine Antwort von mir schicken konnte, so sorgen Sie dafür, daß dieser Almanach in die Schorndorfer Lesegesellschaft kommt. Übrigens soll er von mir aus Gelegenheit der Recension meiner Schrift in der A. L. Z., auf die ich einiges antworten werde, auch noch was wegbekommen.
Denken Sie wohl, daß ich ganz freiwillig – mit meinen Eleven jetzt die Institutionen höre? Wenigstens habe ich den Gewinn davon, daß mir einmal als Pfarrer Amtmann und Oberamtmann nicht so leicht zu Leibe kommen. Es ist ein ganz abscheulich-geistloses Studium und die Theologie ist dagegen, wie sublimirter Weingeist gegen Leipziger Breihau!
Mich freut, daß Sie Ihre Jesajanische Arbeit so glücklich vollendet haben. Sollten Sie in Ulm nicht sogleich einen Verleger finden, so bitte ich, mir das Manuskript den nächsten Posttag hierher zu schicken. (Die Vorrede braucht nicht dabei zu sein). Da ich für meine eignen Arbeiten – (ich will zur nächsten Messe auch etwas schreiben) – Buchhändler-Bekanntschaften suchen mußte, so zweifle ich keineswegs, daß ich es hier vortheilhaft anbringen werde.
Gottlob bin ich hier immer noch gesund und gerne. Ich finde, daß es in manchem weit besser ist, als bei uns, in manchem aber auch weit schlechter. Indeß freue ich mich meiner beinahe unbeschränkten Freiheit, und suche sie so gut, wie möglich, zu benützen.
Ich werde Ihnen vor dem neuen Jahr nimmer schreiben. Aber Sie wissen, daß meine Wünsche für Ihr fortdauerndes Wohl Sie auch in der Ferne in's neue Jahr hinüber begleiten. Seien und bleiben Sie mir immer Vater, wie Sie es mir bisher gewesen sind. – Der Mama muß ich selbst schreiben.
Unveränderlich
Ihr
Fritz.
P. S. Le manchon est parti d'ici, il y a plus d'un mois. Mais comme le marchand, qui s'en est chargé, a passé plusieures sémaines à Francfort, il se peut bien, que Vous ne l'ayéz pas même encore à present. Dans ce cas là Vous ne dirès pas à Maman ce que signifient ces lignes. Vous lui dirès, que ce sont des exécrations contre les Autrichiens. – Salut et respect.