Leipzig, den 9. Juli 98.
Wenn Sie, l. Eltern, die Papiere, die hier folgen, behutsam auseinander wickeln, so finden Sie
1) ein Memorial an's Herzogliche Hochpreisliche Consistorium um Entlassung, es sieht ein wenig „verknaupt" aus, man wird aber glauben, das komme von der weiten Reise. Ob ich nicht auch in den Geheimen Rath ein dito schicken muß, bin ich zweifelhaft; ist es so, so bitte ich Sie, das Consistorial-Memorial mutatis mutandis und dann auch den Brief an Spittler abschreiben zu lassen, besonders weil ich darin von zwei Schriften spreche, da er ja doch nur Eine erhalten wird, sintemal ich kein Exemplar meiner Ideen mehr habe, und ein einzelnes hinauszuschicken unverhältnißmäßig viel Geld kostet.
2) erhalten Sie für sich das Herzogl. Sachsen-Weimarische Decret in Ansehung meiner, nebst dem Brief des Geh. Raths von Göthe. Ich bitte Sie, zu bemerken, daß mich das Ganze nicht Eine Bitte gekostet hat, daß ich mit Goethe deßhalb kein Wort geredet, auch nicht an ihn geschrieben. Sie können daraus schließen, daß es mir in Jena trefflich gehen wird. Ordinarius – darauf können Sie rechnen – bin ich binnen einiger Monate, wenn, wie so gut als gewiß ist, Professor Schmid in die theologische Fakultät versetzt wird. Überhaupt erlauben Sie mir zu bemerken, daß es meine Schuld nicht ist, wenn ich nicht Professor in Tübingen werde.
Denn 1) habe ich gemacht, daß Sie doch wenigstens sich für mich melden konnten, drei Jahre, nachdem ich das Kloster verlassen, was bei einem andern nicht so gegangen wäre. 2) In dem Augenblick, da ich in Tübingen ohne allen Zweifel durchgefallen bin, schicke ich Ihnen zum Trost, den Tübingern aber zum Aerger meine Vocation nach Jena, einer unendlich berühmteren Universität als die Tübinger in Duodez. Ernsthaft von der Sache gesprochen – freilich wär´ es schön, wenn ich so mit Ihnen leben und weben, Sie alle Halbjahr und wenn Papa Prälat in Bebenhau sen wird, alle Tage sehen könnte. Nichtsdestoweniger bitte ich Sie, von allem weitern Melden für mich zu abstrahiren, 1) weil ich in Tübingen vor Langerweile und Aerger über die dortigen Abderiten stürbe, 2) weil ich damit nichts zu essen und nichts zu beißen hätte, denn das Bibliothekariat! wie können Sie glauben, daß es mir wird? Sehen Sie denn nicht, daß man mich mit aller Gewalt nicht haben will. Ich höre, daß man das Elendeste wieder hervorsucht, z. B. den berühmten antiflattischen Brief, der in Stuttgart (wie mich jetzt doppelt freut) bei allen alten Weibern zirculirt hat.
3) erhalten Sie ein schön stylisirtes Schreiben an unseren Gnädigsten Landesvater; ich weiß nicht, ob es so recht ist, wo nicht, so bitte ich Sie, es umschreiben zu lassen. Ich spreche darin auch von zwei Büchern (´s ist zu viel an Einem), da werden Sie wohl am Ende Ihr Exemplar der Ideen daran rücken müssen, gegen das Versprechen, mit nächster Gelegenheit ein anderes zu erhalten.
4) ein pompöses Schreiben an Se. Excellenz den Herrn Staatsminister Spittler; beinahe reut es mich, denn seitdem ich weiß, daß Professor Gros aus Erlangen höheren Orts (und die armen Schächer in Tübingen haben in ihrer Noth endlich darauf gewartet, wie man mir schreibt) empfohlen worden, sehe ich wohl ein, warum Se. Excellenz Ihnen den vortrefflichen Rath gegeben, daß ich hübsch im Auslande bleiben solle. Wenn Prof. Gros durchdringt, so bin ich zufrieden, ich bitte Sie dann, alles weitere Suppliciren um so eher zu unterlassen, da ich mit Gros, der mir bei jeder Gelegenheit noch jetzt Freundschaft erzeigt und ein wackerer Mann ist, nicht in Collision kommen will und Tübingen für zwei Geister, wie Er und ich nicht Raum hat. Endlich
5) ein kurz angebundenes Schreiben an den weltlichen Oberhirten der würtembergischen Kirche, und
6) zuletzt ein Schreiben an Süskind, der mir obige Nachrichten und noch andre gegeben hat, z. B. daß man in Stuttgart sage, ich habe mich durch Schnurrer förmlich gemeldet, und dieser gebe sich alle Mühe für mich (kann sein!), und daß man überhaupt in Stuttgart noch allerhand dummes Zeug über mich ausschwatze, und daß die studirende Jugend meiner begehre, wie die jungen Raben, die nach Brod schreien, aber niemand sei, der sie höre.
Schließlich melde ich Ihnen, daß ich bereits meinen Abschied begehrt, aber bis jetzt noch nur in spe erhalten, item, daß ich, wenn er bald kommt, die letzten Monate des Sommers in Dresden zubringen werde, endlich daß ich guter Dinge bin, keine Sorgen habe und Sie bitte, auch keine zu haben, sintemal es mir wohl gehen wird.
Und so lege ich denn in diesem Briefe feierlich den miserablen Hofmeistertitel, womit Sie mich so oft regalirt haben, nieder, bin übrigens und bleibe nach wie vor, unter Anwünschung alles Heils und Segens von oben und fortdauernd guter Gesundheit
Ihr
Fritz.
Wenn Sie, l. Eltern, die Papiere, die hier folgen, behutsam auseinander wickeln, so finden Sie
1) ein Memorial an's Herzogliche Hochpreisliche Consistorium um Entlassung, es sieht ein wenig „verknaupt" aus, man wird aber glauben, das komme von der weiten Reise. Ob ich nicht auch in den Geheimen Rath ein dito schicken muß, bin ich zweifelhaft; ist es so, so bitte ich Sie, das Consistorial-Memorial mutatis mutandis und dann auch den Brief an Spittler abschreiben zu lassen, besonders weil ich darin von zwei Schriften spreche, da er ja doch nur Eine erhalten wird, sintemal ich kein Exemplar meiner Ideen mehr habe, und ein einzelnes hinauszuschicken unverhältnißmäßig viel Geld kostet.
2) erhalten Sie für sich das Herzogl. Sachsen-Weimarische Decret in Ansehung meiner, nebst dem Brief des Geh. Raths von Göthe. Ich bitte Sie, zu bemerken, daß mich das Ganze nicht Eine Bitte gekostet hat, daß ich mit Goethe deßhalb kein Wort geredet, auch nicht an ihn geschrieben. Sie können daraus schließen, daß es mir in Jena trefflich gehen wird. Ordinarius – darauf können Sie rechnen – bin ich binnen einiger Monate, wenn, wie so gut als gewiß ist, Professor Schmid in die theologische Fakultät versetzt wird. Überhaupt erlauben Sie mir zu bemerken, daß es meine Schuld nicht ist, wenn ich nicht Professor in Tübingen werde.
Denn 1) habe ich gemacht, daß Sie doch wenigstens sich für mich melden konnten, drei Jahre, nachdem ich das Kloster verlassen, was bei einem andern nicht so gegangen wäre. 2) In dem Augenblick, da ich in Tübingen ohne allen Zweifel durchgefallen bin, schicke ich Ihnen zum Trost, den Tübingern aber zum Aerger meine Vocation nach Jena, einer unendlich berühmteren Universität als die Tübinger in Duodez. Ernsthaft von der Sache gesprochen – freilich wär´ es schön, wenn ich so mit Ihnen leben und weben, Sie alle Halbjahr und wenn Papa Prälat in Bebenhau sen wird, alle Tage sehen könnte. Nichtsdestoweniger bitte ich Sie, von allem weitern Melden für mich zu abstrahiren, 1) weil ich in Tübingen vor Langerweile und Aerger über die dortigen Abderiten stürbe, 2) weil ich damit nichts zu essen und nichts zu beißen hätte, denn das Bibliothekariat! wie können Sie glauben, daß es mir wird? Sehen Sie denn nicht, daß man mich mit aller Gewalt nicht haben will. Ich höre, daß man das Elendeste wieder hervorsucht, z. B. den berühmten antiflattischen Brief, der in Stuttgart (wie mich jetzt doppelt freut) bei allen alten Weibern zirculirt hat.
3) erhalten Sie ein schön stylisirtes Schreiben an unseren Gnädigsten Landesvater; ich weiß nicht, ob es so recht ist, wo nicht, so bitte ich Sie, es umschreiben zu lassen. Ich spreche darin auch von zwei Büchern (´s ist zu viel an Einem), da werden Sie wohl am Ende Ihr Exemplar der Ideen daran rücken müssen, gegen das Versprechen, mit nächster Gelegenheit ein anderes zu erhalten.
4) ein pompöses Schreiben an Se. Excellenz den Herrn Staatsminister Spittler; beinahe reut es mich, denn seitdem ich weiß, daß Professor Gros aus Erlangen höheren Orts (und die armen Schächer in Tübingen haben in ihrer Noth endlich darauf gewartet, wie man mir schreibt) empfohlen worden, sehe ich wohl ein, warum Se. Excellenz Ihnen den vortrefflichen Rath gegeben, daß ich hübsch im Auslande bleiben solle. Wenn Prof. Gros durchdringt, so bin ich zufrieden, ich bitte Sie dann, alles weitere Suppliciren um so eher zu unterlassen, da ich mit Gros, der mir bei jeder Gelegenheit noch jetzt Freundschaft erzeigt und ein wackerer Mann ist, nicht in Collision kommen will und Tübingen für zwei Geister, wie Er und ich nicht Raum hat. Endlich
5) ein kurz angebundenes Schreiben an den weltlichen Oberhirten der würtembergischen Kirche, und
6) zuletzt ein Schreiben an Süskind, der mir obige Nachrichten und noch andre gegeben hat, z. B. daß man in Stuttgart sage, ich habe mich durch Schnurrer förmlich gemeldet, und dieser gebe sich alle Mühe für mich (kann sein!), und daß man überhaupt in Stuttgart noch allerhand dummes Zeug über mich ausschwatze, und daß die studirende Jugend meiner begehre, wie die jungen Raben, die nach Brod schreien, aber niemand sei, der sie höre.
Schließlich melde ich Ihnen, daß ich bereits meinen Abschied begehrt, aber bis jetzt noch nur in spe erhalten, item, daß ich, wenn er bald kommt, die letzten Monate des Sommers in Dresden zubringen werde, endlich daß ich guter Dinge bin, keine Sorgen habe und Sie bitte, auch keine zu haben, sintemal es mir wohl gehen wird.
Und so lege ich denn in diesem Briefe feierlich den miserablen Hofmeistertitel, womit Sie mich so oft regalirt haben, nieder, bin übrigens und bleibe nach wie vor, unter Anwünschung alles Heils und Segens von oben und fortdauernd guter Gesundheit
Ihr
Fritz.