Dresden, den 20. Sept. 98.
Ja, zürnen Sie nur! – es ist unverantwortlich – über einen Monat in Dresden und nicht ein Sylbe nach Haus geschrieben! Zwar könnt´ ich Ihnen sagen, daß ich mehr als einmal Briefe angefangen und weil ich sie zu lang machen wollte – nicht vollendet habe. Keine Freude hab´ ich genießen können, ohne im Geiste sie mit Ihnen zu theilen. Das sollte dann eine recht große Reisebeschreibung werden – und darüber ist die Zeit hingegangen, und am Ende erhalten Sie doch nur diesen kahlen Brief! Aber, warum mußt ich auch gerade nach Dresden reisen – zu einer Zeit, wo ohnehin eine Menge Arbeiten auf meine Zeit Anspruch hatten! Ich habe alles, was in Dresden merkwürdig ist – die Galerie, wo die göttlichen Gemälde der Raphaels und Correggios aufbewahrt sind, die Antikensammlung, wo noch in lebendigen Statuen die alte Welt fortlebt – ich habe die ganze weite und herrliche Gegend um Dresden, die zahllosen fruchtbaren Thäler, die Felsgründe bis an die böhmische Grenze verfolgt – dieß alles und noch viel anderes gesehen und dabei doch noch so gearbeitet, daß ich wohlbeschlagen nach Jena kommen werde. Da blieb freilich keine lange Zeit, Reisebeschreibungen zu entwerfen. Ich sage Ihnen nur mit wenigen Worten, daß ich hier glücklicher, als ich es in langer Zeit nicht mehr gewohnt war, gelebt habe. Die hier angehäuften Schätze der Kunst und der Wissenschaft – die Reize einer außerordentlich mannichfaltigen Natur, herrlicher Umgang mit braven und frohen Menschen – dieß alles hat mich keinen Augenblick verdrießlich werden lassen, als jetzt, da leider! die Stunde des Abschieds bald schlagen wird. Ich werde den 1. October von hier nach Jena reisen und den 3. oder 4. dort sein. Den 29. ist der Anfang meiner Vorlesungen über Naturphilosophie. Ich werde bogenweise einen Entwurf dafür herausgeben, wovon mir der Bogen mit vier Louisd'or bezahlt wird. Ich hoffe, in Jena Nachricht von Ihnen zu finden, denn man sagt mir, daß Madame Paulus binnen Kurzem zurückkommen wird. Wie oft habe ich mich mit der Einbildungskraft zu Ihnen geschwungen! Von heute über´s Jahr bin ich, will´s Gott, bei Ihnen und erzähle Ihnen dann mündlich, wie es mir bisher ergangen. Warum soll man, wenn es übel geht, das auch schriftlich nachrecapituliren, ist es nicht genug, daß man es überstanden? Und wenn es gut geht, ach da hätte man so viel zu schreiben, daß man nicht fertig würde! Also alles auf's mündliche Gespräch! – Was ist ein Jahr? – Es sind nur 365 Tage.
Nur noch eine Frage an Sie! Ich wünschte sehr, von Zeit zu Zeit in Jena ein Glas Wein zu haben. Könnten Sie mir vom besten Remsthaler einen Eimer nach Jena besorgen, und etwa eine Gelegenheit dazu ausfindig machen? Bezahlen Sie dafür, was er kostet, ich kann es bezahlen und werde Ihnen das Geld dafür sogleich übersenden. Ich werde mich nur erst in Jena noch erkundigen, ob keine Accise zu bezahlen ist. Wäre dieß, so käm´ er mich allzu teuer.
Und nun, leben Sie wohl, liebste Eltern; ich grüße Sie alle tausendmal. Daß ich doch bald Nachrichten von Ihrem Wohlbefinden habe.
Ihr
Fritz.
Ja, zürnen Sie nur! – es ist unverantwortlich – über einen Monat in Dresden und nicht ein Sylbe nach Haus geschrieben! Zwar könnt´ ich Ihnen sagen, daß ich mehr als einmal Briefe angefangen und weil ich sie zu lang machen wollte – nicht vollendet habe. Keine Freude hab´ ich genießen können, ohne im Geiste sie mit Ihnen zu theilen. Das sollte dann eine recht große Reisebeschreibung werden – und darüber ist die Zeit hingegangen, und am Ende erhalten Sie doch nur diesen kahlen Brief! Aber, warum mußt ich auch gerade nach Dresden reisen – zu einer Zeit, wo ohnehin eine Menge Arbeiten auf meine Zeit Anspruch hatten! Ich habe alles, was in Dresden merkwürdig ist – die Galerie, wo die göttlichen Gemälde der Raphaels und Correggios aufbewahrt sind, die Antikensammlung, wo noch in lebendigen Statuen die alte Welt fortlebt – ich habe die ganze weite und herrliche Gegend um Dresden, die zahllosen fruchtbaren Thäler, die Felsgründe bis an die böhmische Grenze verfolgt – dieß alles und noch viel anderes gesehen und dabei doch noch so gearbeitet, daß ich wohlbeschlagen nach Jena kommen werde. Da blieb freilich keine lange Zeit, Reisebeschreibungen zu entwerfen. Ich sage Ihnen nur mit wenigen Worten, daß ich hier glücklicher, als ich es in langer Zeit nicht mehr gewohnt war, gelebt habe. Die hier angehäuften Schätze der Kunst und der Wissenschaft – die Reize einer außerordentlich mannichfaltigen Natur, herrlicher Umgang mit braven und frohen Menschen – dieß alles hat mich keinen Augenblick verdrießlich werden lassen, als jetzt, da leider! die Stunde des Abschieds bald schlagen wird. Ich werde den 1. October von hier nach Jena reisen und den 3. oder 4. dort sein. Den 29. ist der Anfang meiner Vorlesungen über Naturphilosophie. Ich werde bogenweise einen Entwurf dafür herausgeben, wovon mir der Bogen mit vier Louisd'or bezahlt wird. Ich hoffe, in Jena Nachricht von Ihnen zu finden, denn man sagt mir, daß Madame Paulus binnen Kurzem zurückkommen wird. Wie oft habe ich mich mit der Einbildungskraft zu Ihnen geschwungen! Von heute über´s Jahr bin ich, will´s Gott, bei Ihnen und erzähle Ihnen dann mündlich, wie es mir bisher ergangen. Warum soll man, wenn es übel geht, das auch schriftlich nachrecapituliren, ist es nicht genug, daß man es überstanden? Und wenn es gut geht, ach da hätte man so viel zu schreiben, daß man nicht fertig würde! Also alles auf's mündliche Gespräch! – Was ist ein Jahr? – Es sind nur 365 Tage.
Nur noch eine Frage an Sie! Ich wünschte sehr, von Zeit zu Zeit in Jena ein Glas Wein zu haben. Könnten Sie mir vom besten Remsthaler einen Eimer nach Jena besorgen, und etwa eine Gelegenheit dazu ausfindig machen? Bezahlen Sie dafür, was er kostet, ich kann es bezahlen und werde Ihnen das Geld dafür sogleich übersenden. Ich werde mich nur erst in Jena noch erkundigen, ob keine Accise zu bezahlen ist. Wäre dieß, so käm´ er mich allzu teuer.
Und nun, leben Sie wohl, liebste Eltern; ich grüße Sie alle tausendmal. Daß ich doch bald Nachrichten von Ihrem Wohlbefinden habe.
Ihr
Fritz.