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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Joseph Friedrich Schelling, Gottliebin Maria Schelling TEI-Logo

[...] (Anfang abgerissen).
[...] und wird damit sein Brod finden, auch wenn vielleicht keine Pfarrer u.s.w. mehr nöthig sein sollten. Doch bin ich gewiß, daß Sie ihn zu nichts zwingen. In der Jurisprudenz kann es ihm noch weniger fehlen. Aber zur Medicin halte ich ihn selbst eben nicht sehr tauglich.
Die Nachrichten von Carl haben mir die innigste Freude gemacht. Es ist ein vortrefflicher Plan, wofür er Ihnen Zeitlebens dankbar sein wird, daß Sie ihn erst wollen zwei Jahre auf Vorbereitungswissenschaften verwenden lassen. Aber – Vorbereitungswissenschaften in Tübingen! Dieß klingt eben wie Politik in Abdera studiren. Da ich nächsten Herbst, wenn ich lebe, ganz gewiß nach Würtemberg komme, hoffe ich Sie zu bewegen, daß Sie Carl mir hierher mitgeben, um die zwei Jahre Vorbereitungswissenschaften hier, und eigentliche Medicin in Tübingen zu studiren. Sie wissen wohl, daß man in Tübingen jetzt weder Philosophie, noch Chemie, noch Physik, noch Anatomie, die Grundlagen alles medicinischen Wissens studiren kann, wissen, daß die Medicin eine ganz veränderte Gestalt erhalten hat, wovon man nur in Tübingen nichts weiß. Alle Bedenklichkeiten, welche Sie dagegen haben könnten – ökonomische, moralische oder welcher Art sie seien – hoffe ich Ihnen beantworten zu können. Ich bitte Sie also nur um das Eine, Ihren Entschluß nicht unabänderlich zu fassen, ehe Sie mich darüber gehört haben. Ich habe kein eigennütziges Interesse, Carln hier zu haben. Vielmehr ist es natürlich, daß er mich Zeit, Mühe kosten wird. Aber zutrauen werden Sie mir, daß ich zur Noth weiß, wie es jetzt mit der Medicin steht, um auch zu wissen, daß man in Tübingen sich darauf gar nicht vorbereiten, obgleich, wenn man einmal die wahren Principien hat, das Mechanische daselbst lernen kann. Ich verspreche Ihnen zum voraus, wenn Sie meinen Plan genehmigen, Carl soll in 8–10 Jahren einer der ersten Mediciner in Deutschland sein. Ich hoffe, Sie werden mir nicht das Beispiel des jungen Paulus entgegenhalten, der, kopflos, noch locker gelebt hat, und über den sein Schwager keine Autorität hatte. Carl soll Sie jährlich nicht mehr als 400 Gulden, in zwei Jahren 800 kosten und viel lernen. Welch´ geringer Aufwand im Verhältniß zum Zweck.
Ich weiß in meinem eignen Beispiel, wie viel auf den Anfang ankommt, und wie schwer Lücken des früheren Unterrichts auszufüllen sind. Glauben Sie, daß Carl, wenn er nicht gleich anfangs in der Anatomie gründlichen Unterricht erhält, jemals ein gründlicher Anatom werden wird? Doch es wäre unbescheiden, Ihnen sagen zu wollen, was Sie selbst besser wissen; ich kann nicht glauben, daß Sie gegen die Wahrheit blind, im Ernste darauf denken, Carl zwei Jahre in Tübingen mit werden mir nicht das Beispiel des jungen Paulus entgegenhalten , der, kopflos, noch locker gelebt hat, und über den sein Schwager keine Autorität hatte. Carl soll Sie jährlich nicht mehr als 400 Gulden, in zwei Jahren 800 kosten und viel lernen. Weich' geringer Aufwand im Verhältniß zum Zweck.
Ich weiß in meinem eignen Beispiel, wie viel auf den Anfang ankommt, und wie schwer Lücken des früheren Unterrichts auszufüllen sind. Glauben Sie, daß Carl, wenn er nicht gleich anfangs in der Anatomie gründlichen Unterricht erhält, jemals ein gründlicher Anatom werden wird? Doch es wäre unbescheiden, Ihnen sagen zu wollen, was Sie selbst besser wissen; ich kann nicht glauben, daß Sie gegen die Wahrheit blind, im Ernste darauf denken, Carl zwei Jahre in Tübingen mit – Vorbereitungswissenschaften verderben zu lassen. Oder bitte ich Sie, mir zu schreiben, welche Vorbereitungswissenschaften Sie denn meinen, und wie und von wem er diese in Tübingen lernen soll? doch wohl Anatomie, Chemie, Physik, Philosophie, alte Literatur?
Allerdings ist Breitkopf Ihr Verleger. Sie können aus dem Titel meiner Ideen sehen, daß Härtel Breitkopf´s Associe ist. Ich habe erst kurz wieder nach Leipzig geschrieben. Sie werden überzeugt sein, daß ich alles Mögliche thue und thun werde. Nur noch kurz wegen des Bedienten. Als ich Ihnen schrieb, hofft´ ich in eines meiner Zimmer einen Ofen setzen lassen zu können. Da es drauf und dran kommt, verwehrt man es mir. Sagen Sie also dem Mann, daß ich ihn diesen Winter nicht logiren kann, daß er also, wenn eine andre Stelle sich ihm darbietet, sie nur annehmen soll. Ich habe indeß eine Magd angenommen. Hat er auf den Sommer noch keine Stelle, so will ich mich dann seiner erinnern. Und nun leben Sie wohl 1. Eltern. Ich wünsche Ihnen frohe und gesunde Feiertage und daß Sie das folgende Jahr glücklich antreten und verleben. Dieß ist der innigste Wunsch Ihres geh. Sohns
Fritz.
Eiligst postr. fest. St. Thomae.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 22. Dezember 1798
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Joseph Friedrich Schelling · , Gottliebin Maria Schelling ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 2. 1775‒1809: Zusatzband. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1973, S. 166‒168.

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