Freiberg, den 14. October 1799.
Eilig.
Ihr letzter Brief hat mich überrascht. Ich freue mich, daß Sie den gewaltigen papiemen Riesen auf die Art zurückgeschreckt haben, und wollte, und wäre es auch bloß um die Allg. Lit. Zeit, zu demüthigen, mit Freuden die Recension übernehmen. Doch hier denke ich wahrlich nicht daran. Das Geschäft ist zu wichtig, als daß es mit Leichtsinn übernommen oder aus Nebenabsichten ausgeführt werden sollte. Es ist wohl einmal Zeit, daß man die Physiker, die wenigen deutschen, die uns der Tod noch übrig ließ, womöglich zwingt, sich mit Ihren Ideen bekannt zu machen. Ich hatte schon längst daran gedacht ein Wort mit den Physikern über die neuere dynamische Naturphilosophie zu sprechen, und hatte eben angefangen aufs neue das Ganze durchzugehen. Insofern war also Ihr Anerbieten mir sogar willkommen; aber jetzt, da die Ausführung so nahe vor mir liegt, erschrecke ich fast. – Doch – Sie haben allerdings Recht – es ist nothwendig, und was ich, mit der größten Anstrengung, vermag, werde ich thun. Sagen Sie also Schützen, daß ich die Recension über mich nehme, daß ich unverzüglich anfangen und die Recension so bald liefern werde, als meine Geschäfte, meine Kräfte und vor allen die Wichtigkeit der Sache erlauben. Wahrlich, die Sache ist mir zu heilig, als daß ich an etwas anderes als an sie denken sollte. Freilich – wenn ich daran denke, daß ich als Schüler meinen Meister meistern soll! – Vielleicht könnte aber eben diese Recension uns einander näher bringen. Ich werde genöthigt, die wenigen Zweifel die ich habe, und die Art wie ich einige unter diesen selbst zu heben suchte, so deutlich wie möglich darzustellen, und Sie erhalten eine Gelegenheit, diese, wenigstens mit Rücksicht auf mich, bündiger als ich es vermag zu heben. – Darf ich wohl, wo es nöthig oder nützlich wäre, ein Wort mit dem Recensenten Ihrer Ideen sprechen? Noch habe ich die Recension nicht gelesen, und weiß also nicht ob es der Mühe werth ist sich mit ihm einzulassen, noch weniger ob es gegen die Gesetze des Instituts streitet, sich mit seinen Herrn Collegen herumzuzanken. Man wird mir doch wohl nichts in Rücksicht der Länge der Recension vorschreiben? Unter 4–5 Blätter kann ich doch unmöglich fertig werden, vielleicht brauche ich sogar mehrere.
Es ist allerdings wahr, daß man mir es vorgeschlagen hat, wenigstens halb und halb, Ihre Schriften zu recensiren. Ich nahm es an. J. Hufeland suchte mich nachher auf eine höchst plumpe Weise auszuholen – und muß micht nicht so gefunden haben wie er wünschte, denn er zog sich wohlbedächtig und stillschweigend zurück. – Ihnen wollte ich damals nichts davon sagen.
Nach den Resultaten der Zusammenkunft mit Goethe sehne ich mich, ich möchte sagen mit Unruhe. In aller Eile melde ich Ihnen nur noch, daß, außer dem magnetischen Tag und dem magnetischen Jahr, welches, wie Sie vielleicht wissen, Cassini entdeckte, ich noch eine größere magnetische Naturepoche gefunden habe. Das ganze Phänomen der Veränderlichkeit der magnetischen Variation ist nichts anderes als eine Wiederholung der jährlichen Oscillation, so wie diese eine Wiederholung der täglichen, in immer größeren Perioden. Es folgt geradezu aus der Vergleichung der Zahlen. Um die Gesetze, nach welchen sich die Variation selbst auf den verschiedenen Stellen des Erdbodens richtet, zu finden, und die Art, wie die gezogenen Linien, unter gewissen bestimmt gegebenen Bedingungen immer nach Vulcanität hinzeigen (wovon ich jetzt durchaus überzeugt bin) evidenter zeigen zu können, bin ich damit beschäftigt, selbst eine Variations- und Inclinations-Karte aus den bekannten neuesten Observationen zu entwerfen. Mir fehlt vorzüglich Vancouver, der, da er meist als Seemann und Geograph reiste, gewiß eine Abweichungs-, vielleicht auch eine Inclinations-Karte über die Südsee und die nordwestliche Passage geliefert. Diese müßte nothwendig ein großes Licht verbreiten. Die Allg. Litt. Z. hat eben die Original-Ausgabe, und wenn es möglich wäre, daß man wenigstens eine auf geöltes Papier genau verfertigte Copie von dieser Karte, wenn sie da ist, oder einen kleinen Auszug diese Materie betreffend etwa durch einen armen Studenten verschaffen könnte, so geschähe mir dadurch ein wesentlicher Gefallen. Rennels Karte in Zach ist mir sehr wichtig gewesen. Ich habe selbst eine Copie davon, wie von mehreren Karten, genommen. – Ich hoffe noch immer den Magnetismus mit anderen Phänomenen durch Experimentiren in Verbindung zu bringen. Ich habe mir dazu eine Menge noch nie versuchte Experimente ersonnen, ich gebe sogar noch nicht die Hoffnung auf, den Magnetismus beim Galvanismus in Thätigkeit zu setzen. Davon ein Mehreres. –
Ihr letzter Brief hat mich wahrlich sehr froh gemacht. Was ich thun kann um Ihr Zutrauen, wie Ihre Freundschaft zu verdienen, thue ich gewiß. Leben Sie wohl, innigst geliebter Freund!
Ihr Steffens.
Eilig.
Ihr letzter Brief hat mich überrascht. Ich freue mich, daß Sie den gewaltigen papiemen Riesen auf die Art zurückgeschreckt haben, und wollte, und wäre es auch bloß um die Allg. Lit. Zeit, zu demüthigen, mit Freuden die Recension übernehmen. Doch hier denke ich wahrlich nicht daran. Das Geschäft ist zu wichtig, als daß es mit Leichtsinn übernommen oder aus Nebenabsichten ausgeführt werden sollte. Es ist wohl einmal Zeit, daß man die Physiker, die wenigen deutschen, die uns der Tod noch übrig ließ, womöglich zwingt, sich mit Ihren Ideen bekannt zu machen. Ich hatte schon längst daran gedacht ein Wort mit den Physikern über die neuere dynamische Naturphilosophie zu sprechen, und hatte eben angefangen aufs neue das Ganze durchzugehen. Insofern war also Ihr Anerbieten mir sogar willkommen; aber jetzt, da die Ausführung so nahe vor mir liegt, erschrecke ich fast. – Doch – Sie haben allerdings Recht – es ist nothwendig, und was ich, mit der größten Anstrengung, vermag, werde ich thun. Sagen Sie also Schützen, daß ich die Recension über mich nehme, daß ich unverzüglich anfangen und die Recension so bald liefern werde, als meine Geschäfte, meine Kräfte und vor allen die Wichtigkeit der Sache erlauben. Wahrlich, die Sache ist mir zu heilig, als daß ich an etwas anderes als an sie denken sollte. Freilich – wenn ich daran denke, daß ich als Schüler meinen Meister meistern soll! – Vielleicht könnte aber eben diese Recension uns einander näher bringen. Ich werde genöthigt, die wenigen Zweifel die ich habe, und die Art wie ich einige unter diesen selbst zu heben suchte, so deutlich wie möglich darzustellen, und Sie erhalten eine Gelegenheit, diese, wenigstens mit Rücksicht auf mich, bündiger als ich es vermag zu heben. – Darf ich wohl, wo es nöthig oder nützlich wäre, ein Wort mit dem Recensenten Ihrer Ideen sprechen? Noch habe ich die Recension nicht gelesen, und weiß also nicht ob es der Mühe werth ist sich mit ihm einzulassen, noch weniger ob es gegen die Gesetze des Instituts streitet, sich mit seinen Herrn Collegen herumzuzanken. Man wird mir doch wohl nichts in Rücksicht der Länge der Recension vorschreiben? Unter 4–5 Blätter kann ich doch unmöglich fertig werden, vielleicht brauche ich sogar mehrere.
Es ist allerdings wahr, daß man mir es vorgeschlagen hat, wenigstens halb und halb, Ihre Schriften zu recensiren. Ich nahm es an. J. Hufeland suchte mich nachher auf eine höchst plumpe Weise auszuholen – und muß micht nicht so gefunden haben wie er wünschte, denn er zog sich wohlbedächtig und stillschweigend zurück. – Ihnen wollte ich damals nichts davon sagen.
Nach den Resultaten der Zusammenkunft mit Goethe sehne ich mich, ich möchte sagen mit Unruhe. In aller Eile melde ich Ihnen nur noch, daß, außer dem magnetischen Tag und dem magnetischen Jahr, welches, wie Sie vielleicht wissen, Cassini entdeckte, ich noch eine größere magnetische Naturepoche gefunden habe. Das ganze Phänomen der Veränderlichkeit der magnetischen Variation ist nichts anderes als eine Wiederholung der jährlichen Oscillation, so wie diese eine Wiederholung der täglichen, in immer größeren Perioden. Es folgt geradezu aus der Vergleichung der Zahlen. Um die Gesetze, nach welchen sich die Variation selbst auf den verschiedenen Stellen des Erdbodens richtet, zu finden, und die Art, wie die gezogenen Linien, unter gewissen bestimmt gegebenen Bedingungen immer nach Vulcanität hinzeigen (wovon ich jetzt durchaus überzeugt bin) evidenter zeigen zu können, bin ich damit beschäftigt, selbst eine Variations- und Inclinations-Karte aus den bekannten neuesten Observationen zu entwerfen. Mir fehlt vorzüglich Vancouver, der, da er meist als Seemann und Geograph reiste, gewiß eine Abweichungs-, vielleicht auch eine Inclinations-Karte über die Südsee und die nordwestliche Passage geliefert. Diese müßte nothwendig ein großes Licht verbreiten. Die Allg. Litt. Z. hat eben die Original-Ausgabe, und wenn es möglich wäre, daß man wenigstens eine auf geöltes Papier genau verfertigte Copie von dieser Karte, wenn sie da ist, oder einen kleinen Auszug diese Materie betreffend etwa durch einen armen Studenten verschaffen könnte, so geschähe mir dadurch ein wesentlicher Gefallen. Rennels Karte in Zach ist mir sehr wichtig gewesen. Ich habe selbst eine Copie davon, wie von mehreren Karten, genommen. – Ich hoffe noch immer den Magnetismus mit anderen Phänomenen durch Experimentiren in Verbindung zu bringen. Ich habe mir dazu eine Menge noch nie versuchte Experimente ersonnen, ich gebe sogar noch nicht die Hoffnung auf, den Magnetismus beim Galvanismus in Thätigkeit zu setzen. Davon ein Mehreres. –
Ihr letzter Brief hat mich wahrlich sehr froh gemacht. Was ich thun kann um Ihr Zutrauen, wie Ihre Freundschaft zu verdienen, thue ich gewiß. Leben Sie wohl, innigst geliebter Freund!
Ihr Steffens.