Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Johann Wolfgang von Goethe TEI-Logo

. . . Es hat mich ausnehmend gefreut, aus dem Brief an Schlegel zu vernehmen, daß wir vielleicht bald der Beendigung Ihrer neuen Darstellung der Farbenlehre entgegensehen können. Ich fühle es fast in allen meinen Arbeiten, wie sehr man von allen Seiten gehemmt ist, und nicht vorwärts kann, ehe dieses große und allgemeine Phänomen der Natur in´s Reine gebracht ist. Davon nichts zu sagen, daß diese Untersuchung, wenn sie vollendet seyn wird, für die gleiche oder ähnliche Behandlung aller andern allgemeinen Naturphänomene ein allgemeines Schema seyn wird. Ich habe mich bemüht, den Ideen gemäß, welche Sie mir über das Phänomen der Sonorität mitzutheilen die Gewogenheit gehabt haben, einen Entwurf zu machen, der, wenn nicht einem Musikgelehrten, doch einem Physiker, wie Chladni vorgelegt werden könnte, allein theils meine gänzliche Unwißenheit in der Musik, theils die vielen andern Arbeiten, die ich jezt zu vollenden habe, haben mich an der Ausführung gehindert. Ich hoffe, bald die Ehre zu haben, Ihnen das 1ste Heft der Zeitschrift für speculative Physik zu überschiken.
Ein andres Object, was fast allen Untersuchungen im Wege liegt, und bis jezt fast für ganz intractabel gehalten wird, ist eine wahre und eigentliche Theorie der Erde, die vielleicht eben da aufhören sollte, wo die jezige Geschichte der Erde anfängt. Jedoch ist für diesen Gegenstand wenigstens einige Aussicht vorhanden. Der dynamische Weg scheint auch hier, durch den allgemeinen Magnetismus, zum Ziel zu führen, obgleich freilich die teutschen Physiker dafür, großentheils, wenig Sinn zu haben scheinen. Der teutsche Übersezer von Vancouvers Reisen (wovon ich das Original durch Ihre Güte zu erhalten hoffe), hat alle Nachrichten über die Abweichungen der Magnetnadel in verschiednen Weltgegenden, ausgelaßen, „weil diese doch nur für Schiffer intereßant wären!"
Ich hoffe, bald entweder hier, oder, wenn diese Hoffnung nichtig seyn sollte, mit Ihrer gütigen Erlaubniß, in Weimar das allgemeine Schema der Farbenlehre von Ihnen zu erhalten, der ich mit der vollkommensten Verehrung verharre . . .
Jena den 6ten Jan. 1800.
Schelling.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 6. Januar 1800
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Johann Wolfgang von Goethe ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 2. 1775‒1809: Zusatzband. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1973, S. 215‒216.

Zur Benutzung · Zitieren