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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Joseph Friedrich Schelling, Gottliebin Maria Schelling TEI-Logo

den 2. März 1800.
Theuerster Vater!
Es hat mich sehr gefreut, einen Brief von Ihrer Hand zu erhalten. Ich danke Ihnen gehorsamst für die gütige Bemühung wegen des Dante, welche einen so glücklichen Erfolg gehabt hat. Es ist zwar nicht diejenige Ausgabe, welche ich eigentlich meinte, in vier großen Quartbänden mit ansehnlichen Commentarien, welche zum Verstehen dieses Dichters beinah´ unentbehrlich sind, und welche gleichfalls in Venedig bei demselben Buchhändler erschienen ist; jedoch freue ich mich sehr, diese wenigstens sehr gefällige und correcte Ausgabe zu besitzen, welche ich sonst in Deutschland wohl schwerlich aufgetrieben hätte. Ich werde den Betrag der Kosten an Carl entrichten. Dieser ist noch immer gerne hier und profitirt, soviel als es im ersten Halbjahr, wo er so vielerlei und fast lauter neue Dinge hört, möglich ist, und wenn er in den folgenden Halbjahren, wo er weniger Lectionen zu besuchen haben wird, noch vielen Privatfleiß damit verbindet, so hoffe ich, daß er hier in anderthalb Jahren (das jetzige mitgerechnet) so ziemlich ausgelernt haben wird. Nächsten Sommer soll er die übrigen Vorbereitungswissenschaften, Naturgeschichte, Mineralogie, Botanik u.s.w. hören. Es ist ein unglücklicher Umstand, daß Pathologie hier so schlecht bestellt ist, so daß sie kaum zu hören ist. Länger als noch den künftigen Winter soll er meines Bedünken nicht hier bleiben, da er alsdann hier wohl nichts weiter profitiren kann, und es kommt alsdann auf Sie an, ob Sie ihn etwa den Sommer nach Tübingen haben wollen oder lieber nach Bamberg oder Würzburg. Den Herbst 1801, wenn es entweder durch Sie selbst oder durch Unterstützung des Kirchenraths, die Sie wohl alles Recht haben sogleich zu begehren, da ich garnichts erhalten habe, geschehen kann, soll er, wenn es nach meinem Plan geht, da er ja doch reisen muß und er es je eher, je lieber thut, da für das eigentlich Praktische ebenso wie für die eigentliche Theorie hier wie in Tübingen schlecht gesorgt ist, nach Wien gehen, wo er in einem Jahr so fertig werden kann, daß er alsdann entweder gleich anfangen kann zu prakticiren, oder wenn Sie ihm das Reisegeld des Kirchenraths aufsparen, noch Reisen in andere Länder zu machen. Warum ich ihn sobald nach Wien wünsche, ist, weil ich künftigen Herbst nun ganz gewiß dahin gehe und wenigstens ein Jahr daselbst bleiben werde, wo ich ihm alsdann die Einrichtung machen und meine Bekanntschaften zurücklassen kann. – Was mich betrifft, so wird meines Bleibens hier nicht mehr sehr lange sein. Ich denke gleich nach Ostern nach Bamberg zu gehen, wo ich theils studiren, theils aber auch Privatvorlesungen über Naturphilosophie halten werde. Wie sehr wird es mich freuen, gegen Ende des Sommers Sie zu sehen. – Ohne Zweifel hat doch unser Herr Vetter Breyer bei Ihnen eingesprochen. Es scheint, daß es ihm hier recht gut gehen wird, besonders da er jetzt nicht mehr durch die große Kargheit seines Vaters zu leiden hat. Er mußte sich bis jetzt sehr behelfen. – Diesen Winter hat er ein unentgeltliches Colleg gelesen, worin er viel Zulauf hatte.
Ich muß noch Ihnen, 1. Mutter, für die überschickten Schorndorfer Delicatessen meinen Dank abstatten. Ich bedaure sehr, daß Sie mir nie melden, was sie kosten, und noch überdieß über halbwegs frankiren. Ich wünschte nur, Ihnen auch mit etwas Angenehmem aufwarten zu können, allein Sie wissen, wie arm es auf Universitäten aussieht und daß hier nichts der Art zu haben ist.
Da in der letzten Herbstmesse von Ihren Animadversiones sicher noch wenige Exemplare verkauft worden sind, und diese Schrift eigentlich erst auf die Ostermesse in Umlauf kommt, so scheint es mir, daß es hinreichend ist, daß die ERRATA noch hinten durch Cartons angehängt werden, auch werde ich sie sogleich nach Leipzig schicken und von dem Verleger begehren, daß er es so einrichtet.
Ich grüße Sie alle und bin wie immer
Ihr gehorsamer Sohn
Fritz.
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 2. März 1800
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Joseph Friedrich Schelling · , Gottliebin Maria Schelling ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 2. 1775‒1809: Zusatzband. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1973, S. 217‒219.

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