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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Johann Wolfgang von Goethe TEI-Logo

. . . Die erhaltne Erlaubniß, Ihnen zu schreiben, würde ich eher benuzt haben, wenn nicht so vieles mich daran verhindert hätte. Ich wünschte einen Brief mit einigen interessanten Wissenschaftlichen Nachrichten, oder auch mit einer eignen Arbeit begleiten zu können, das Leztere ist mir erst jezt möglich geworden.
In der sichern Überzeugung von dem gütigen Antheil, den Sie an den Fortschritten meiner naturphilosophischen Untersuchungen nehmen, werde ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen die Bogen vom zweiten Heft meiner Zeitschrift zuschiken zu laßen, so wie sie fertig gedrukt sind. Einige Ideen über die dynamische Construction des Farbenbilds habe ich darinn mehr angedeutet als ausgeführt, und muß deßhalb besonders um Ihre Nachsicht bitten.
Das neue System der Medicin wird hier theoretisch sowohl als practisch mit einer Consequenz und Genauigkeit ausgeführt, die bis jezt wohl sonst nirgends beobachtet wird. Der schwierige Punct der Ausübung, im einzelnen Fall den Grad der gegenwärtigen Schwäche oder Stärke, und den ihm proportionalen Reiz auszumitteln, ist gerade der Punct, worauf man hier am meisten aufmerksam gemacht wird, und schon jezt existirt darüber ein aus Theorie und Erfahrung abstrahirtes Ganzes von Kunstregeln, was sehr interessant ist. Da ich auch mehrere Freunde meiner naturphilosophischen Untersuchungen gefunden habe, die mich um einige Vorlesungen darüber ersucht haben, so setzt mich dieß in eine angenehme und lehrreiche Wechselwirkung.
Eine andre literarische Merkwürdigkeit von hier ist ein Bürger, der einen Schaz von alten deutschen Schriften aller Art besizt. Schlegel, der durch den höchst schmerzlichen Unfall seiner Tochter hierher gerufen worden ist, hat mehreres Interessante bei ihm gefunden. Unter andern hat er ein aus Holz geschnittnes sehr feines Bild von Hanns Sachs, (die Umschrift ist Meyesteer Hanns), welches ich Ihnen gern zuschikte, wenn ich wüßte, daß es Sie intereßirte.
Schlegel trägt mir auf, Ihnen seine Empfehlung zu machen. – Noch weiß ich nicht, ob ich den Plan, nach Wien zu gehen, auf den Herbst werde ausführen können, und ob ich ihn nicht auf künftigen Sommer werde ersparen müßen. In diesem Fall wäre es möglich, wenn ich nämlich hier nicht länger zu verweilen Lust bekäm, daß ich den Winter wiederum in Jena zubrächte. Ich empfehle mich Ihrer Gewogenheit, die ich über alles hochschäze, auch aufs Künftige . . .
Bamberg den 8ten Aug. 1800.
Schelling.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 8. August 1800
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Johann Wolfgang von Goethe ·
  • Place of Dispatch: Bamberg · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 2. 1775‒1809: Zusatzband. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1973, S. 232‒233.

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