Sulz a. H., den 20. October 1800.
Empfangen Sie meinen Dank für die mir zugeschickten zwei ersten Hefte Ihrer Zeitschrift; Sie trafen mich just, als ich von dem Studium Ihres transcendentalen Idealismus auszuruhen anfieng. Was soll ich Ihnen von der trefflichen Methode des letztern sagen? Ihre Verbreitung über Kunst und Geschichte, die so wahr als einzig in ihrer Art ist, giebt uns nur einen neuen Beweis, wie harmonisch die Principien aller Wissenschaften in einen einzigen Punct hin sich sammeln. Der Gedanke wird immer mehr realisirt, daß die Philosophie auf ihre eigene Zernichtung arbeite, insofern sie nämlich ihr eignes Leben ihre mannichfaltigen Glieder hinausdrängt. Sie wird am Ende nichts mehr für sich haben, als die Deduction der verschiedenen construirenden Principien, wovon jedes sich seine eigne Sphäre aus der menschlichen Erkenntnis hinwegnimmt. Würde das, was die Philosophie bereits für Naturphilosophie, Moral, Kunst und Geschichte leistete, auch für die Mathematik gethan sein, so wüßte ich nichts mehr von Wichtigkeit, was noch vermißt werden könnte. Diese allein behauptet bis jetzt noch gegen alle philosophischen Angriffe ihre innere Selbständigkeit und schützt gegen alle Probabilitäten (wie sie es gewöhnlich nennt) ihre Evidenz vor. Ich bin überzeugt, daß der Erfolg und die günstigere Aufnahme, welche die Philosophie theils für sich theils für die speculative Physik zu erzielen strebt, größtentheils noch davon abhängen wird, daß man dem Mathematiker selbst zeige, daß seine Principien eben so gut wie in andern Wissenschaften, aus den nothwendigen Handlungsweisen unsers Geistes ihren Ursprung nehmen.
Durch das viele Kühne und Neue, womit Sie in Ihrer Zeitschrift die Physik bereichert haben, haben Sie uns, wie es im ersten Anblick scheint, in ein unübersehbares Feld von Untersuchung geführt. Auch ohne sorgfältigere Prüfung ist Ihr Haupt-Gedanke, daß die drei Momente des dynamischen Processes durch die drei Dimensionen bezeichnet seien, schon durch ein gewisses Convenienz-Gefühl begleitet, daß es nur so und nicht anders in´s allgemeine System passen könne. Sie haben durch diesen Gedanken ohne Zweifel die physikalische Construction der Dimensionen der Materie vollendet, aber es fehlt jetzt noch die reine mathematische Construction der Dimensionen.
Meines Erachtens wird sich hierbei ergeben, daß in den nothwendigen und ursprünglichen Handlungen, woraus die allgemeine Arithmetik, die reine Geometrie, und die Geometrie des Körperlichen hervorgehen, auch die drei Dimensionen enthalten seien, und so dürfte sich zeigen, daß Ihr erstes Moment – der Magnetismus, durch das Princip der allgemeinen Arithmetik, Ihr zweites – die Electricität, durch das Princip der reinen Geometrie und Ihr drittes – der dynamische Proceß, durch die Verbindung der beiden vorigen oder Geometrie des Körperlichen ausgedrückt werden könnte. Ich werde in Kurzem einen Versuch der Art vornehmen.
Ich war seit einiger Zeit über Ihren Aufenthalt ungewiß und es freute mich daher sehr, Sie bei Freund Röschlaub zu wissen, dem ich mich zu empfehlen bitte.
Leben Sie wohl,
ganz der Ihrige
Eschenmayer.
Empfangen Sie meinen Dank für die mir zugeschickten zwei ersten Hefte Ihrer Zeitschrift; Sie trafen mich just, als ich von dem Studium Ihres transcendentalen Idealismus auszuruhen anfieng. Was soll ich Ihnen von der trefflichen Methode des letztern sagen? Ihre Verbreitung über Kunst und Geschichte, die so wahr als einzig in ihrer Art ist, giebt uns nur einen neuen Beweis, wie harmonisch die Principien aller Wissenschaften in einen einzigen Punct hin sich sammeln. Der Gedanke wird immer mehr realisirt, daß die Philosophie auf ihre eigene Zernichtung arbeite, insofern sie nämlich ihr eignes Leben ihre mannichfaltigen Glieder hinausdrängt. Sie wird am Ende nichts mehr für sich haben, als die Deduction der verschiedenen construirenden Principien, wovon jedes sich seine eigne Sphäre aus der menschlichen Erkenntnis hinwegnimmt. Würde das, was die Philosophie bereits für Naturphilosophie, Moral, Kunst und Geschichte leistete, auch für die Mathematik gethan sein, so wüßte ich nichts mehr von Wichtigkeit, was noch vermißt werden könnte. Diese allein behauptet bis jetzt noch gegen alle philosophischen Angriffe ihre innere Selbständigkeit und schützt gegen alle Probabilitäten (wie sie es gewöhnlich nennt) ihre Evidenz vor. Ich bin überzeugt, daß der Erfolg und die günstigere Aufnahme, welche die Philosophie theils für sich theils für die speculative Physik zu erzielen strebt, größtentheils noch davon abhängen wird, daß man dem Mathematiker selbst zeige, daß seine Principien eben so gut wie in andern Wissenschaften, aus den nothwendigen Handlungsweisen unsers Geistes ihren Ursprung nehmen.
Durch das viele Kühne und Neue, womit Sie in Ihrer Zeitschrift die Physik bereichert haben, haben Sie uns, wie es im ersten Anblick scheint, in ein unübersehbares Feld von Untersuchung geführt. Auch ohne sorgfältigere Prüfung ist Ihr Haupt-Gedanke, daß die drei Momente des dynamischen Processes durch die drei Dimensionen bezeichnet seien, schon durch ein gewisses Convenienz-Gefühl begleitet, daß es nur so und nicht anders in´s allgemeine System passen könne. Sie haben durch diesen Gedanken ohne Zweifel die physikalische Construction der Dimensionen der Materie vollendet, aber es fehlt jetzt noch die reine mathematische Construction der Dimensionen.
Meines Erachtens wird sich hierbei ergeben, daß in den nothwendigen und ursprünglichen Handlungen, woraus die allgemeine Arithmetik, die reine Geometrie, und die Geometrie des Körperlichen hervorgehen, auch die drei Dimensionen enthalten seien, und so dürfte sich zeigen, daß Ihr erstes Moment – der Magnetismus, durch das Princip der allgemeinen Arithmetik, Ihr zweites – die Electricität, durch das Princip der reinen Geometrie und Ihr drittes – der dynamische Proceß, durch die Verbindung der beiden vorigen oder Geometrie des Körperlichen ausgedrückt werden könnte. Ich werde in Kurzem einen Versuch der Art vornehmen.
Ich war seit einiger Zeit über Ihren Aufenthalt ungewiß und es freute mich daher sehr, Sie bei Freund Röschlaub zu wissen, dem ich mich zu empfehlen bitte.
Leben Sie wohl,
ganz der Ihrige
Eschenmayer.