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Andreas Röschlaub to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling TEI-Logo

Bamberg, den 20. März 1802
Mein letztes Schreiben an Sie war mit zu großer Eile gefertigt, als daß ich auf mehrere Puncte Ihres mir so interessanten Schreibens hätte gehörige Rücksicht dabei nehmen können. Ich hole deshalb hier nach, was dort nicht geschehen konnte. Vor allem will ich einen Punct berühren, über den ich Ihnen wohl nichts neues, aber doch viel wahres sagen kann.
Sie glauben viele Feinde zu haben, und daß eben dieser Umstand Ihren Jenaer Gegnern Grund giebt zu ihren Impertinenzen. – Ich zweifle nicht, daß Sie Feinde genug haben; aber doch sind dieser wohl kaum im Ausland (d. h. außer Jena und einigen näheren Districten) beträchlich viele, und kaum können diese Ihnen außer Jena nachtheilig sein. Was Ihnen (ich will offen meine Meinung sagen), in anderen Provinzen entgegen ist, das ist mehr die irrige Vorstellung, welche man sich von Ihrem Systeme macht, als daß man gegen Sie selbst geradezu eingenommen wäre. Man stellet sich das wunderlichste Ding darunter vor, das bloß durch den Zusammenhang von einer Geburt des Wahnsinnes sich unterscheide. Ich weiß, daß mehrere Männer, welche großen Einfluß auf verschiedener Länder Regierungen haben, diese gute Meinung haben. Was diese dazu verleitet, das sind vorzüglich – keineswegs Ihre Schriften, sondern – Ihre Zuhörer oder eigentlichen Schüler. Wer unter den gescheiteren Leuten Ihre Schriften selbst liest und zu begreifen sich bemüht, der hat Hochachtung gegen Sie. Aber wer Sie nach vielen Ihrer Schüler beurtheilt, was diese bramarbasiren, der kann kaum anders urtheilen, besonders wenn er nach dem vorigen Schlage recht gelehrt ist. Diese, ohne weder Ihren Geist noch die Extension Ihrer Kenntnisse zu besitzen, wollen sogleich über alles absprechen, alles für albern erklären, schimpfen über alles, was nicht nach ihrer Meinung ist, und wenn sie beim Worte gefasset werden, können sie nichts gutes dafür geben. Oft geben sie jämmerliche Blößen, wie natürlich, sind selbst in dem was sie erlernet haben, unbeholfen. Wie leicht muß nicht der Haarbeutel- und Perücken-Mann verleitet werden, dem Lehrer dergleichen Auftritte zu Schulden zu legen, und, ohnehin gegen jede Neuerung eingenommen, alles, was er nicht begreifen kann, für Unsinn erklären und seinen Einfluß auf Staaten wider solche Lehren gebrauchen.
Auch Baiern hat schon einigermaßen von solchen Folgen einzelne Beispiele; aber zum Glücke sind allda sehr gute Köpfe von dem besten Einflusse auf das Cabinet des Kurfürsten, bei denen sich wohl die Täuschung wird aufdecken lassen, so daß, wenn ich, wie ich glaube, noch dahin verpflanzet werde, ich die Hoffnung, mit Ihnen da zu leben, nicht aufgebe.
Was ich Ihnen eben schrieb, davon weiß ich nur zu viele Beweise. Aber das wird Ihnen dennoch für die Zukunft wenig schaden, besonders wenn Sie von Seiten der geistlichen Herren unangetastet bleiben. Einzelne treffliche Köpfe, welche Sie bildeten, werden eben so mächtige Stimme für Sie erheben, als bisher wider Sie ziemliche Stimmung war. Das beste mag sein, daß gescheite Leute in immer größerer Anzahl Sie verstehen werden.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 20. März 1802
  • Sender: Andreas Röschlaub ·
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Bamberg · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 2. 1775‒1809: Zusatzband. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1973, S. 392‒393.

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