Landshut in Baiern, den 2. Aug. 1802.
Theuerster Freund!
Die Rede, welche der Dechant unserer Facultät in Bezug Ihrer Doctoralpromotion drucken ließ, hat hier unter Professoren wie unter Studenten mächtige Sensation gemacht. Obgleich die hiesigen Studenten meistens Inländer noch sind, so ist doch ihre Zahl schon gegen 500, und ich hoffe, sie soll sich bald beträchtlich erhöhen. So viele Köpfe, worunter viele sehr fähig sind, fühlen dabei, wie weit sie noch zurück sind, ohne zu wissen, wie. Die Professoren der Philosophie merken das nur zu sehr und ahnden manche unangenehme Folge, wenn sie nicht vorwärts schreiten. Die Geheime Universitäts-Curatel in München wird auf Sie besonders aufmerksam *, und ich hoffe, Ende nächsten Monates, zu welcher Zeit ich nach München reise, einen ziemlichen Schritt zur Erreichung meines sehnlichsten Wunsches, mit Ihnen auch persönlich vereint leben zu können, vorwärts zu thun. Ich werde aber bloß die speculative Physik überhaupt und die Physiologie für angehende Aerzte besonders zum Vorwande nehmen **
Ich glaube mich in Ihre Ideen, die Sie im vierten Stücke Ihrer Zeitschrift vorgelegt haben, ziemlich eingearbeitet, sie mir zu eigen gemacht zu haben. Wenigstens glaube ich über den dynamischen Prozess ziemlich hell geworden zu sein. Manche Widersprüche, welche ich im Anfänge ahndete, hoben sich, lösten sich in die schönste Harmonie auf. Nur Etwas muß ich bemerken.
In jedem bestimmten dynamischen Prozesse scheint mir das Moment der Electricität das erste zu sein, das Moment des Magnetismus das letzte. – Vielleicht widerlegt sich dieses bei fernerem Denken mir von selbst. Sollte ich aber darin vielmehr Bestätigung als Widerlegung erhalten, so werde ich mir erlauben, in der Folge Ihnen meine Gründe vorzulegen. Für jetzt halte ich solche noch nicht für reif genug. – Ich brauche nicht zu bemerken, daß ich nicht den dynamischen Process überhaupt, sondern wie er in bestimmten Fällen stattfinden muß, und zwar in einzelnen Theilen der Natur, hiebei verstehe.
Aber, was sagen Sie dazu? Statt daß, wie einige wähnen, durch Ihr System die Erregungstheorie (zur Errichtung eines Systems der Medicin) an innerem Werthe verlöre, erhält es dadurch, wie ich dafür halte, vielmehr höheren Werth, festere Begründung und mehr von dem, was Hufeland praktische Brauchbarkeit nennet.
Ich habe einige Aufsätze in der Arbeit, welche dahin zielen. Der eine handelt über Erregung, Assimilation, Reproduction. – Erregung halte ich gleich dem electrischem, Assimilation dem chemischen und Reproduction dem magnetischen Prozesse. Diese Aufsätze werden im nächsten Stücke des Magazins erscheinen.
Ich bin sehr begierig auf Pr. Kilians System und wünschte das, was davon gedruckt ist, möglichst bald zu erhalten. Mir wurde einiges davon erzählt, woraus ich schließen müßte, daß wir nicht so ganz einig sein werden. Jedoch was kann ich auf Erzählungen bauen?
+ Meine Vocation entstand vorzüglich daher. Studenten der Medicin hörten und lasen einiges, was ich für die Erregungstheorie arbeitete. Sie wurden unzufrieden mit dem Vortrage der Professoren, welche ihnen keine Aufschlüsse geben konnten. Dieses gelangte, sowie das Ansuchen, nach Bamberg und Wien deshalb reisen zu dürfen, zur Universitätscuratel. Diese, äußerst bestrebt, die Universität möglichst zu vervollkommnen, sah die Nothwendigkeit ein, mich oder Jos. Frank zu berufen. Für mich hatten sie mehr Gründe. Mittlerweile wurden auch einzelne Professoren für mich gestimmt, und in München einer der Medicinalräthe, der gescheiteste unter allen an dem Medicinalkollegio. Dieser nun drang mit Nachdruck in die Referendairs und den Minister, bis er endlich reussirt hatte. Ich selbst trug garnichts zu meiner Vocation bei. Wohl aber besah ich vorher die Gegend Landshuts, ehe ich den Ruf anzunehmen versprach.
Das Bedürfnis, mich als Lehrer hier zu haben, entschied meine Vocation und so muß es auch bei Ihnen werden. Ich werde dieses gewiß bald fühlbar machen. Auf nächsten Winter werde ich zu diesem Zwecke ein Collegium halten unter dem Titel: Einleitung in die Physiologie des menschlichen Organismus. Darin werde ich zuerst von Philosophie überhaupt ausgehen, die Differenz des Kant-Fichteschen Systems und des Ihrigen zu zeigen suchen u.s.f. Gegenwärtig bereite ich mich mit allen Kräften darauf vor und hoffe im November damit auftreten zu können. Hegels Schrift darüber habe ich gerade zu lesen angefangen. Ich bitte Sie, mir nächstens zu schreiben, ob Sie mit dieser gänzlich zufrieden sind? Es liegt mir an diesem Ihrem Urtheile viel.
Im September vorigen Jahres hatte ich im Sinne, Dr. Reubeln diese Wirkungssphäre hier zu verschaffen (da ich bestimmt wußte, daß ich berufen werde). Ich ließ es ihm merken. Aber der Unbesonnene hieng sich niedrig an Marcus und Döllinger, und die Proceduren dieses niederträchtigen Complottes kennen Sie nun zu sehr, als daß Sie mir rathen könnten, so was noch jetzt für ihn zu thun. – Er sollte Ihr Vorläufer hier werden. Er fabricire nun Pasquille. Ich bin geschieden von ihm und bereue nur, daß ihn je für etwas besser gehalten habe.
Den 6. August 1802.
+ + Gesetzt auch, Sie sollten als Lehrer der Naturwissenschaft, oder wie es heißen mag, die Vocation erhalten, so kömmt Ihnen eben dadurch schon das Recht zu, alle philosophischen Collegien zu lesen. Wozu jemand in seiner Vocation ernennet ist, das hat er öffentlich umsonst zu lesen. Und für ein fixes Gehalt, wie es Baiern giebt, liest man gerne ein Collegium umsonst. Ich habe, nebst Naturalien oder Vergütung derselben, 1600 fl. Gehalt. Dafür lese ich medicinische Klinik. Aber Nosologie, Therapie, allgemeine, specielle und manches noch lese ich privat. In den Baiern ist jetzt das Verlangen, Ihr System zu kennen, geweckt. Sie können denken, wie stark der Zulauf zu Ihren Vorlesungen dann sein würde. Die Vocation zur Lehrerstelle für Naturwissenschaft garantirte Ihnen dann um so mehr Honorarien für Privatvorlesungen.
Aber wenigstens ein Jahr wird noch verstreichen, bis ich diesen meinen Wunsch realisiert sehe. Denn jetzt hat die Universität, die erst seit kurzem hierher als für immer bestimmt ist, ungeheure Summen für Gebäude und Einrichtungen nöthig. Die Besitznehmungen von – (vermuthlich) Bamberg, Würzburg, Eichstädt, Ansbach, Ulm, Augsburg mit den Gebieten u.s.f. – kosten dem Lande ungeheuer viel. Die Finanzen sind durch die vorige Regierung sehr zerrüttet worden, und Baiern (die Universitätscuratel) will Männer nur dann vociren, wenn es durch ansehnliches Gehalt sie honoriren kann. Diese Gehalte werden aus Klöstern genommen. Aber da viele derselben Landstände sind, und die Landstände Gelder beischaffen müssen zum allgemeinen Bedürfnisse, so muß man zur Zeit, bis die neuen Länder in Besitz genommen sind, etwas piano zu Werke gehen.
Das muß ich Ihnen zur Notiz schreiben. Daraus werden Sie aber auch erkennen, daß für Landshuts Universität noch vieles zu hoffen ist, um so mehr, wenn die Professoren solche zu heben vermögen. Sie zu besitzen, ist die Hauptsache. Darin stimmt Prof. Winter (ein vortrefflicher Chirurg und Accoucheur, bei dem Loder in die Schule gehen darf) und Bertele, der für Pharmakologie und Pharmaceutik vorzüglich gut ist, auch Gönner, welcher der beste Jurist im Lande ist (er ist auch Bamberger), auch der oben gedachte Medicinalrath mit mir überein. Lassen nur die Studenten ihr Verlangen, Sie hier zu besitzen, laut werden (und dafür will ich sorgen), so müssen auch die Curatoren hiermit einig werden. Die meisten Professoren, welche Ihrer Berufung entgegen sein können, werden ohnehin nicht lange hier bleiben, und das Entgegensein von vielen ist für die Curatoren gar kein Motiv, es sei eher pro, wenn jene contra stimmen.
Sollten Sie einst hier lehren, so rechne ich die Zahl der Studenten sehr hoch. Leicht kann sie nach und nach auf 1000 steigen.
Und nun einiges auf Ihr letztes Schreiben, das ich gestern früh nebst dem trefflichen Geschenke für mich und Winter erhielt. Dieser hatte ungemeine Freude, daß Sie seiner so ehrenvoll sich erinnern, – und ich? Sie wissen, was Sie für mich sind. Die Hälfte der Schrift Bruno habe ich nun gelesen und bin darüber entzückt. Die Abhandlung von Hegel kömmt mir gerade gelegen, nach dem, was ich Ihnen oben schrieb. In der Zeitschrift für speculative Physik – (Ich bitte Sie an Cotta zu schreiben, er soll hierher nur immer ansehnliche Sendungen davon machen. Sie werden gewiß hier Abgang finden) – stimme ich in jeden Ausdruck ein, welchen Sie gegen die abscure Rotte am Ende des ersten Stücks gebrauchten, und muß Ihnen für Ihre thätige Annahme meiner Partei gegen solche Rotte danken. Was Marcus betrifft, so mag er es mit der ihm hier zugetheilten Ehre in Ernst oder Spaß nehmen. Einmal er kömmt unschuldig dazu. Er schwimmt im Geist der Zeit und zappelt sich immer oben auf, wie eine Mücke in Weingeist (Brantwein). Die Herren sollen auch von mir noch eines abkriegen, im nächsten Stücke des Magazins, das ich gerade bearbeite.
Was den Aufsatz von Windischmann, betrifft, so hoffe ich, daß Sie Ihren Vorsatz, den Sie gewiß durch den Ph. Hoffmann´schen veranlaßt schon faßten, festhalten werden, nichts in Ihre Zeitschrift mehr aufzunehmen, das Sie nicht genau überlesen haben, oder überhaupt nichts von Leuten, welche Sie nicht genau kennen und zu schätzen gewußt haben. – Dafür erhält der Leser um so mehr Ersatz durch den ersten Aufsatz, und ich rathe Ihnen, mit dem zweiten und dritten Stücke möglichst zu eilen und womöglich eigene Aufsätze nur darin drucken zu lassen.
Von Frankfurt aus erhalten Sie eine Schrift über Medicin, ihr Verhältnis zur Chirurgie und Materialien zur Polizei der Medicin. Matthäi´s Schrift wird von mir bloß im Umschläge des Magazines bemerkt. Lustig ist es, daß das von Ihnen rührende: über Hufelands Journal, worin Sie ihn als Rattenfänger von Hameln nicht nennen, sondern andeuten, eigentlich seine Galle am meisten gegen mich, den er für den Verfasser jenes Aufsatzes hält, gerühret hat.
Schon genug, wenn Sie nie gegen Reiner und Socher etwas ins Publicum sagen. Socher lieferte, wie Sie wissen, eine Geschichte philosophischer Systeme, schätzt Sie sehr, aber weiß noch nicht, daß Ihr System von dem Fichteschen wesentlich abweicht, glaubt nur, daß es mehr auf Naturlehre, wie das von Fichte mehr auf Ethik u.s.f. sich verbreitet. Warum er so weit zurück ist, davon besteht der Grund darin: er hat außerordentlich viel Zutrauen von der Regierung, wird in den wichtigsten Geschäften gebraucht und muß dadurch nothwendig in seinen, die ihm die wichtigsten sein sollten, zurückbleiben. Doch ich hoffe ihn bald auf dem Wege zu sehen, auf dem ich ihn wünsche.
Dr. Schad möge nur bald Manuskript schicken, wenn es noch nicht geschehen ist.
In Baiern, das groß ist, ist Ihre Zeitschrift bisher wenig gekannt gewesen. Ich mache sie gewiß bekannt. Das sollen die Verleger bald inne werden. Nächsten Dienstag sende ich auf dem Postwagen ein Exemplar der Beschreibung des Dankfestes etc. an Ihren Hrn. Vater. Mich freut dieser Auftrag sehr, und ich mache mir Vorwürfe, daß ich Ihnen nicht zuvorkam. Ich hatte zu vielerlei durcheinander zu thun, um daran zu denken.
Endlich erhalten Sie denn auch Ihr Diplom. Zwei der Unterzeichneten: Leveling jun. (Peter) und Niederhuber werden bald als Professoren abtreten und sonst wohin versetzt werden. Vielleicht auch Leveling sen. Beide Leveling sind dumm, aber – Söhne eines ehemaligen Professors zu Ingolstadt, eines erzfeinen Mannes, der zur Illuminatenjagd mit seinen Söhnen thätig mitwirkte. Um so mehr müssen sie jetzt zurückgesetzt werden. Ich habe schon die Lehrstelle des Peter Leveling.
*Zu Ende hierüber eine Bemerkung +
** Auch darüber am Ende eine Bemerkung + +
Theuerster Freund!
Die Rede, welche der Dechant unserer Facultät in Bezug Ihrer Doctoralpromotion drucken ließ, hat hier unter Professoren wie unter Studenten mächtige Sensation gemacht. Obgleich die hiesigen Studenten meistens Inländer noch sind, so ist doch ihre Zahl schon gegen 500, und ich hoffe, sie soll sich bald beträchtlich erhöhen. So viele Köpfe, worunter viele sehr fähig sind, fühlen dabei, wie weit sie noch zurück sind, ohne zu wissen, wie. Die Professoren der Philosophie merken das nur zu sehr und ahnden manche unangenehme Folge, wenn sie nicht vorwärts schreiten. Die Geheime Universitäts-Curatel in München wird auf Sie besonders aufmerksam *, und ich hoffe, Ende nächsten Monates, zu welcher Zeit ich nach München reise, einen ziemlichen Schritt zur Erreichung meines sehnlichsten Wunsches, mit Ihnen auch persönlich vereint leben zu können, vorwärts zu thun. Ich werde aber bloß die speculative Physik überhaupt und die Physiologie für angehende Aerzte besonders zum Vorwande nehmen **
Ich glaube mich in Ihre Ideen, die Sie im vierten Stücke Ihrer Zeitschrift vorgelegt haben, ziemlich eingearbeitet, sie mir zu eigen gemacht zu haben. Wenigstens glaube ich über den dynamischen Prozess ziemlich hell geworden zu sein. Manche Widersprüche, welche ich im Anfänge ahndete, hoben sich, lösten sich in die schönste Harmonie auf. Nur Etwas muß ich bemerken.
In jedem bestimmten dynamischen Prozesse scheint mir das Moment der Electricität das erste zu sein, das Moment des Magnetismus das letzte. – Vielleicht widerlegt sich dieses bei fernerem Denken mir von selbst. Sollte ich aber darin vielmehr Bestätigung als Widerlegung erhalten, so werde ich mir erlauben, in der Folge Ihnen meine Gründe vorzulegen. Für jetzt halte ich solche noch nicht für reif genug. – Ich brauche nicht zu bemerken, daß ich nicht den dynamischen Process überhaupt, sondern wie er in bestimmten Fällen stattfinden muß, und zwar in einzelnen Theilen der Natur, hiebei verstehe.
Aber, was sagen Sie dazu? Statt daß, wie einige wähnen, durch Ihr System die Erregungstheorie (zur Errichtung eines Systems der Medicin) an innerem Werthe verlöre, erhält es dadurch, wie ich dafür halte, vielmehr höheren Werth, festere Begründung und mehr von dem, was Hufeland praktische Brauchbarkeit nennet.
Ich habe einige Aufsätze in der Arbeit, welche dahin zielen. Der eine handelt über Erregung, Assimilation, Reproduction. – Erregung halte ich gleich dem electrischem, Assimilation dem chemischen und Reproduction dem magnetischen Prozesse. Diese Aufsätze werden im nächsten Stücke des Magazins erscheinen.
Ich bin sehr begierig auf Pr. Kilians System und wünschte das, was davon gedruckt ist, möglichst bald zu erhalten. Mir wurde einiges davon erzählt, woraus ich schließen müßte, daß wir nicht so ganz einig sein werden. Jedoch was kann ich auf Erzählungen bauen?
+ Meine Vocation entstand vorzüglich daher. Studenten der Medicin hörten und lasen einiges, was ich für die Erregungstheorie arbeitete. Sie wurden unzufrieden mit dem Vortrage der Professoren, welche ihnen keine Aufschlüsse geben konnten. Dieses gelangte, sowie das Ansuchen, nach Bamberg und Wien deshalb reisen zu dürfen, zur Universitätscuratel. Diese, äußerst bestrebt, die Universität möglichst zu vervollkommnen, sah die Nothwendigkeit ein, mich oder Jos. Frank zu berufen. Für mich hatten sie mehr Gründe. Mittlerweile wurden auch einzelne Professoren für mich gestimmt, und in München einer der Medicinalräthe, der gescheiteste unter allen an dem Medicinalkollegio. Dieser nun drang mit Nachdruck in die Referendairs und den Minister, bis er endlich reussirt hatte. Ich selbst trug garnichts zu meiner Vocation bei. Wohl aber besah ich vorher die Gegend Landshuts, ehe ich den Ruf anzunehmen versprach.
Das Bedürfnis, mich als Lehrer hier zu haben, entschied meine Vocation und so muß es auch bei Ihnen werden. Ich werde dieses gewiß bald fühlbar machen. Auf nächsten Winter werde ich zu diesem Zwecke ein Collegium halten unter dem Titel: Einleitung in die Physiologie des menschlichen Organismus. Darin werde ich zuerst von Philosophie überhaupt ausgehen, die Differenz des Kant-Fichteschen Systems und des Ihrigen zu zeigen suchen u.s.f. Gegenwärtig bereite ich mich mit allen Kräften darauf vor und hoffe im November damit auftreten zu können. Hegels Schrift darüber habe ich gerade zu lesen angefangen. Ich bitte Sie, mir nächstens zu schreiben, ob Sie mit dieser gänzlich zufrieden sind? Es liegt mir an diesem Ihrem Urtheile viel.
Im September vorigen Jahres hatte ich im Sinne, Dr. Reubeln diese Wirkungssphäre hier zu verschaffen (da ich bestimmt wußte, daß ich berufen werde). Ich ließ es ihm merken. Aber der Unbesonnene hieng sich niedrig an Marcus und Döllinger, und die Proceduren dieses niederträchtigen Complottes kennen Sie nun zu sehr, als daß Sie mir rathen könnten, so was noch jetzt für ihn zu thun. – Er sollte Ihr Vorläufer hier werden. Er fabricire nun Pasquille. Ich bin geschieden von ihm und bereue nur, daß ihn je für etwas besser gehalten habe.
Den 6. August 1802.
+ + Gesetzt auch, Sie sollten als Lehrer der Naturwissenschaft, oder wie es heißen mag, die Vocation erhalten, so kömmt Ihnen eben dadurch schon das Recht zu, alle philosophischen Collegien zu lesen. Wozu jemand in seiner Vocation ernennet ist, das hat er öffentlich umsonst zu lesen. Und für ein fixes Gehalt, wie es Baiern giebt, liest man gerne ein Collegium umsonst. Ich habe, nebst Naturalien oder Vergütung derselben, 1600 fl. Gehalt. Dafür lese ich medicinische Klinik. Aber Nosologie, Therapie, allgemeine, specielle und manches noch lese ich privat. In den Baiern ist jetzt das Verlangen, Ihr System zu kennen, geweckt. Sie können denken, wie stark der Zulauf zu Ihren Vorlesungen dann sein würde. Die Vocation zur Lehrerstelle für Naturwissenschaft garantirte Ihnen dann um so mehr Honorarien für Privatvorlesungen.
Aber wenigstens ein Jahr wird noch verstreichen, bis ich diesen meinen Wunsch realisiert sehe. Denn jetzt hat die Universität, die erst seit kurzem hierher als für immer bestimmt ist, ungeheure Summen für Gebäude und Einrichtungen nöthig. Die Besitznehmungen von – (vermuthlich) Bamberg, Würzburg, Eichstädt, Ansbach, Ulm, Augsburg mit den Gebieten u.s.f. – kosten dem Lande ungeheuer viel. Die Finanzen sind durch die vorige Regierung sehr zerrüttet worden, und Baiern (die Universitätscuratel) will Männer nur dann vociren, wenn es durch ansehnliches Gehalt sie honoriren kann. Diese Gehalte werden aus Klöstern genommen. Aber da viele derselben Landstände sind, und die Landstände Gelder beischaffen müssen zum allgemeinen Bedürfnisse, so muß man zur Zeit, bis die neuen Länder in Besitz genommen sind, etwas piano zu Werke gehen.
Das muß ich Ihnen zur Notiz schreiben. Daraus werden Sie aber auch erkennen, daß für Landshuts Universität noch vieles zu hoffen ist, um so mehr, wenn die Professoren solche zu heben vermögen. Sie zu besitzen, ist die Hauptsache. Darin stimmt Prof. Winter (ein vortrefflicher Chirurg und Accoucheur, bei dem Loder in die Schule gehen darf) und Bertele, der für Pharmakologie und Pharmaceutik vorzüglich gut ist, auch Gönner, welcher der beste Jurist im Lande ist (er ist auch Bamberger), auch der oben gedachte Medicinalrath mit mir überein. Lassen nur die Studenten ihr Verlangen, Sie hier zu besitzen, laut werden (und dafür will ich sorgen), so müssen auch die Curatoren hiermit einig werden. Die meisten Professoren, welche Ihrer Berufung entgegen sein können, werden ohnehin nicht lange hier bleiben, und das Entgegensein von vielen ist für die Curatoren gar kein Motiv, es sei eher pro, wenn jene contra stimmen.
Sollten Sie einst hier lehren, so rechne ich die Zahl der Studenten sehr hoch. Leicht kann sie nach und nach auf 1000 steigen.
Und nun einiges auf Ihr letztes Schreiben, das ich gestern früh nebst dem trefflichen Geschenke für mich und Winter erhielt. Dieser hatte ungemeine Freude, daß Sie seiner so ehrenvoll sich erinnern, – und ich? Sie wissen, was Sie für mich sind. Die Hälfte der Schrift Bruno habe ich nun gelesen und bin darüber entzückt. Die Abhandlung von Hegel kömmt mir gerade gelegen, nach dem, was ich Ihnen oben schrieb. In der Zeitschrift für speculative Physik – (Ich bitte Sie an Cotta zu schreiben, er soll hierher nur immer ansehnliche Sendungen davon machen. Sie werden gewiß hier Abgang finden) – stimme ich in jeden Ausdruck ein, welchen Sie gegen die abscure Rotte am Ende des ersten Stücks gebrauchten, und muß Ihnen für Ihre thätige Annahme meiner Partei gegen solche Rotte danken. Was Marcus betrifft, so mag er es mit der ihm hier zugetheilten Ehre in Ernst oder Spaß nehmen. Einmal er kömmt unschuldig dazu. Er schwimmt im Geist der Zeit und zappelt sich immer oben auf, wie eine Mücke in Weingeist (Brantwein). Die Herren sollen auch von mir noch eines abkriegen, im nächsten Stücke des Magazins, das ich gerade bearbeite.
Was den Aufsatz von Windischmann, betrifft, so hoffe ich, daß Sie Ihren Vorsatz, den Sie gewiß durch den Ph. Hoffmann´schen veranlaßt schon faßten, festhalten werden, nichts in Ihre Zeitschrift mehr aufzunehmen, das Sie nicht genau überlesen haben, oder überhaupt nichts von Leuten, welche Sie nicht genau kennen und zu schätzen gewußt haben. – Dafür erhält der Leser um so mehr Ersatz durch den ersten Aufsatz, und ich rathe Ihnen, mit dem zweiten und dritten Stücke möglichst zu eilen und womöglich eigene Aufsätze nur darin drucken zu lassen.
Von Frankfurt aus erhalten Sie eine Schrift über Medicin, ihr Verhältnis zur Chirurgie und Materialien zur Polizei der Medicin. Matthäi´s Schrift wird von mir bloß im Umschläge des Magazines bemerkt. Lustig ist es, daß das von Ihnen rührende: über Hufelands Journal, worin Sie ihn als Rattenfänger von Hameln nicht nennen, sondern andeuten, eigentlich seine Galle am meisten gegen mich, den er für den Verfasser jenes Aufsatzes hält, gerühret hat.
Schon genug, wenn Sie nie gegen Reiner und Socher etwas ins Publicum sagen. Socher lieferte, wie Sie wissen, eine Geschichte philosophischer Systeme, schätzt Sie sehr, aber weiß noch nicht, daß Ihr System von dem Fichteschen wesentlich abweicht, glaubt nur, daß es mehr auf Naturlehre, wie das von Fichte mehr auf Ethik u.s.f. sich verbreitet. Warum er so weit zurück ist, davon besteht der Grund darin: er hat außerordentlich viel Zutrauen von der Regierung, wird in den wichtigsten Geschäften gebraucht und muß dadurch nothwendig in seinen, die ihm die wichtigsten sein sollten, zurückbleiben. Doch ich hoffe ihn bald auf dem Wege zu sehen, auf dem ich ihn wünsche.
Dr. Schad möge nur bald Manuskript schicken, wenn es noch nicht geschehen ist.
In Baiern, das groß ist, ist Ihre Zeitschrift bisher wenig gekannt gewesen. Ich mache sie gewiß bekannt. Das sollen die Verleger bald inne werden. Nächsten Dienstag sende ich auf dem Postwagen ein Exemplar der Beschreibung des Dankfestes etc. an Ihren Hrn. Vater. Mich freut dieser Auftrag sehr, und ich mache mir Vorwürfe, daß ich Ihnen nicht zuvorkam. Ich hatte zu vielerlei durcheinander zu thun, um daran zu denken.
Endlich erhalten Sie denn auch Ihr Diplom. Zwei der Unterzeichneten: Leveling jun. (Peter) und Niederhuber werden bald als Professoren abtreten und sonst wohin versetzt werden. Vielleicht auch Leveling sen. Beide Leveling sind dumm, aber – Söhne eines ehemaligen Professors zu Ingolstadt, eines erzfeinen Mannes, der zur Illuminatenjagd mit seinen Söhnen thätig mitwirkte. Um so mehr müssen sie jetzt zurückgesetzt werden. Ich habe schon die Lehrstelle des Peter Leveling.
*Zu Ende hierüber eine Bemerkung +
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