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Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to Joseph Friedrich Schelling TEI-Logo

Jena, den 6. December 1802.
Ich danke Ihnen, theuerster Vater, sehr für Ihren Brief, der mir so beruhigende Nachrichten über Ihr allseitiges Wohlbefinden giebt. Carl schreibt mir sehr wenig. Es ist mir neu zu hören, daß Sie noch zu predigen haben. Diese für Ihre Jahre doch sehr bedeutende Bürde glaubte ich Ihnen durch Ihr gegenwärtiges Amt abgenommen. Ihr Brustkrampf ist gewiß ohne alle Bedeutung, wenn Sie nur unsern Bitten nachgeben, Ihre Brust schonen und die Ihrem Gesundheitszustand gemäße Diät führen wollen, die ich Ihnen schon in meinem letzten Briefe, wenn ich nicht irre, bezeichnet habe.
Es wird sehr unterhaltend sein, wenn Sie künftigen Sommer Ihre drei Söhne bei sich haben. August soll sich nur recht üben, um uns Jenenser, die gern die Kirche besuchen, recht zu erbauen. Hoffen will ich, daß Sie nicht indeß säcularisirt werden, da dieses Loos jetzt die ganze hohe Geistlichkeit trifft. Wenn Sie indeß, wie die andern Prälaten, auch 6–10,000 fl. Entschädigung erhalten, so werden Sie sich schon darüber trösten.
Es ist ganz gegen meinen eignen Wunsch, daß ich bis jetzt keine Anstalt getroffen, die Steubelsche Uhr zu bezahlen. Der Brief, den ich schon deßhalb an Cotta geschrieben, blieb, wie es mir bisweilen geschieht, liegen, nachher behielt ich ihn zurück, da sich ein sehr wesentlicher Fehler der Uhr zu zeigen schien. Das anfängliche Retardiren kam von einem Impediment her, das in dem künstlich gearbeiteten Steigrad lag, es gieng bald so weit, daß die Uhr bei jedem Umlauf des Secundenzeigers bei einer gewissen Stelle des Zifferblatts stehen blieb. Ich schickte die Uhr an einen Würtemberger, Hofmechanikus Auch in Weimar, so für einen sehr geschickten Mann gilt, der sie mir mit beiliegendem Brief, jedoch in seiner Meinung verbessert, zurückschickte. So gieng zwei Tage lang ganz gut; ohne daß das Geringste mit ihr vorgegangen wäre und während ich sie vielmehr äußerst zart behandelte, blieb sie am dritten nicht bloß relativ, wie das erstemal, sondern absolut stehen, d. h. so, daß ich nicht anders vermuthe, als die Spiralfeder sei gelähmt oder entzwei gegangen. Das letztere ist mir wegen des sehr harten Pulses, den die Uhr beständig gezeigt hatte, und der starken Friction, die dabei stattfinden mußte, sehr wahrscheinlich. Ich werde sie nun wieder dem Herrn Auch schicken und sollte die Feder wirklich entzwei sein, sie Herrn Steubel zurückgeben. Ich bitte Sie, ihm diese Umstände etwa durch August oder unsere Schwester melden zu lassen. Er hätte die Uhr doch billig wohl prüfen sollen, ehe er sie so weit verschickte; schon der erste Fehler konnte, wenn er sie sorgfältiger gearbeitet hatte, nicht stattfinden, und er hat mich dadurch wirklich in Verlegenheit gesetzt, da ich nun doch ohne Uhr bin und auch keine andere kaufen mag, ehe ich über diese entschieden bin. Lassen Sie ihm auch den Brief von Auch mitschicken.
Es wäre wahre Sünde, von Ihnen gegenwärtig eine Verehrung annehmen zu wollen, da ich mich so vortrefflich stehe. Meine Einnahme im Ganzen beläuft sich für jedes Halbjahr auf eine Summe, die Sie vielleicht für unmöglich hielten, wenn ich es Ihnen nicht versicherte. – In zweien Collegien zusammen habe ich über 200 Zuhörer, so daß es für das eine Colleg im Auditorium an Raum gebricht und eine Anzahl Hörlustiger noch hat zurückstehen müssen.
Einem Ungarischen Magnaten, der deßhalb hergekommen, gebe ich ein Privatissimum über Philosophie, das mir allein 50 Carol, einträgt und den Beutel mit Geld, und den Keller mit Tokayer füllt. Mit einem Wort, ich bin für jetzt in meiner Art ein wohlhabender Mann. Es sind jetzt viele Fremde hier mich zu hören, Graduirte, Militair und andere Standespersonen, auch Engländer. Herrn Jäger´s Brief ist mir durch P. ohne Verzug eingehändigt worden. Der Mann setzt mich durch seine Officiosität wirklich in einige Verlegenheit. Mich soll nicht wundern, wenn die Tübinger sich einbilden, ich stecke selbst dahinter, da wirklich an dem Urtheil ihrer Zeitungen für oder wider mich nicht das allergeringste gelegen ist.
Von Carl werde ich doch auch bald hören, besonders vom Stoff seiner Disputation.
Ich grüße Sie sämmtlich bestens und wünsche, daß Sie in dem vollkommensten Wohlsein verharren mögen.
Ihr
Fr.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 6. Dezember 1802
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling ·
  • Recipient: Joseph Friedrich Schelling ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Briefe und Dokumente. Bd. 2. 1775‒1809: Zusatzband. Hrsg. v. Horst Fuhrmans. Bonn 1973, S. 473‒475.

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