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Ludwig Tieck to August Wilhelm Iffland TEI-Logo

Wohlgeborner Herr Direktor!
Es ist durch Veranlassung meiner Trägheit geschehen, daß ich Ihnen nicht schon früher auf Ihr Schreiben geantwortet habe, wie ich gewissermaßen gezwungen bin, ehe ich öffentlich meine Meinung, nicht über das bewußte Lustspiel, sondern über die flache Karrikatur, wie Sie sie nennen, und ihre Darstellung auf dem Theater, dem Publikum und Ihnen mittheile. Es wird dies um so nothwendiger, da ich, so wenig ich in Gesellschaft komme, doch schon allenthalben hören muß, wie ich bei Ihnen gewesen sei und Sie um Zurücknahme und Unterdrückung dieses armen Camäleons gebeten habe, wovon Sie mir doch eingestehen müssen, das mir dies durchaus nicht ähnlich sieht, auch keiner, der mich nur einigermaßen kennt, dergleichen von mir glauben wird. Sie wissen selbst, daß ich bat, meinen Besuch nicht als Bitte und Klage anzusehn, daß ich dies in meinem Billette wiederholte, und Ihnen sogar sagte, Sie könnten meinethalben das Stück geben, der Kasse wegen. Aber ich habe die Wiederaufführung gewünscht? Hier haben Sie mich völlig mißverstanden, ich, als Person, die hiebei als solche interessirt und verwickelt ist, kann dies weder wünschen, noch kann ich mir so viel vergeben, daß ich bei Ihnen um Unterdrückung des Dinges anhielte. Erlauben Sie mir jezt, daß ich Sie an den Inhalt unsers Gesprächs erinnere. Von keiner Klage war die Rede, sondern ich trug Ihnen die Sache vor und bat um Ansicht des Manuskriptes selbst, weil an dem Abend, an welchem ich im Theater war, vieles ausgelassen und abgekürzt wurde, weil ich überdies weiß, und es bekannt genug ist, wie glücklich Sie im Extemporiren, und wie unglücklich viele andre Schauspieler hier im Memoriren sind, so daß diese dann auch aus Noth zum Extemporiren ihre Zuflucht nehmen müssen. Nichts war also natürlicher als meine Bitte, und ich sehe nicht gut ein, wie Sie jemand, der sich, sei es nun mit Recht, sei es Irrthum, persönlich angegriffen glaubte, das Lustspiel selber versagen konnten, da es doch etwa darauf ankam, zu sehn was wirklich gesprochen wurde, und was man noch unterdrückt hatte. Ich habe das Buch Niemand mitgetheilt, – aber könnten Sie es wirklich, als ein Mann, der nicht mit einem ganz Wehrlosen wird streiten wollen, Bernhardi zum Beispiel versagen, wenn er auch die Ansicht begehrte? Mich dünkt, es ist das Wenigste, was der Angegriffene erwarten kann. Im Gespräch, das ich Ihnen über mich machte, daß es nicht so allerdings ein leeres Gerede sei, daß ich selbst die Angriffe am meisten gefunden, weil ich sie am besten eingesehen, boten Sie mir freiwillig zuerst die Unterdrückung des Stücks an mit der Versicherung, daß Niemand von Ihnen unsre Unterredung wissen sollte. Ich antwortete nichts hierauf, als daß ich Sie noch einmal ersuchte, meinen Besuch nicht als Klage oder Bitte um dergleichen anzusehn, und ich fügte nichts weiter hinzu, weil ich das Rechte, was sich hierauf gehörte, nicht antworten konnte, und das Unrechte nicht antworten wollte. Sie wurden endlich mit mir einig, und ich bitte Sie recht sehr, sich dessen ja zu erinnern, und ich denke, Ihr Gedächtniß wird Ihnen so treu sein, als mir das meinige, daß Sie mir endlich zugaben, allerdings seien Schlegels damit gemeint, und auf mich könne man es allenfalls auch deuten, wenn man meine Verdienste nicht kenne, von denen Sie selber innig überzeugt wären u. s. w. Ich habe hierauf auch nichts weiter erwiedert, als daß ich meine Freunde gegen diese Behandlung, nicht gegen Kritik, Spaß, Satire, selbst Schärfen, in Schutz nahm, und nach allem diesen schreiben Sie mir nun doch, kein Gelehrter von gutem Bewußtsein, keiner der durch die Würde sich ankündigt, welche den Gelehrten bewährt, könne diese Karrikatur auf sich deuten. Sehen Sie den Zirkel nicht ein, in dem Sie sich hier bewegen? davon ist ja eben die Frage. Sie haben mir das Stück zugesandt, und ich glaube allerdings noch mehr als zuvor die Persönlichkeiten, die bestimmten pasquillantischen Persönlichkeiten drinnen gefunden zu haben, denen es nur an Schärfe und Verstand fehlt, um eine Tendenz zu erfüllen, zu der sich Niemand, am wenigsten ein Künstler sollte gebrauchen lassen. – Ich komme auf unser Gespräch zurück, und erinnere Sie wieder, daß Sie mir noch endlich zugaben, der Verfasser sei entweder dumm, (ich werde leider wieder grob genannt werden) indem er eine Karrikatur von uns, den fünften der Parthei, den Unsinnigen u. s. w. zeichnen wollte, und sie ihm aus Unverstand zum moralischen Pasquill wurde: oder – und hierzu schweigen Sie wenigstens still – es geschah dies mit Absicht, und dann war er boshaft, und selber derjenige, den er darstellen wollte. Jezt nennen Sie ihn Ihren ältern Freund, ich habe den Verfasser nicht so gekannt, sonst hätte ich Ihnen das nicht selbst gesagt, und müßte es nicht jezt wiederholen, doch was ich mündlich gesprochen, darf ich auch wohl schreiben, wir wollen also beide zu seinem eignen Besten annehmen, er sei dumm, und das ist mir selber sehr wahrscheinlich.
Verzeihen Sie meine Umständlichkeit, ich hielt es nothwendig, Ihnen noch einmal die Sache vorzustellen, wie sie ist, und wie Sie selber bei unserm Gespräch einzusehn schienen. Sie haben bei Ihren überhäuften Arbeiten, wie Sie mir selber sagten, nicht Zeit, sich um die literarischen Vorfälle zu bekümmern, Sie haben, wie Sie mir mit ächter Künstler- und liebenswürdiger Bescheidenheit versicherten, nicht Wissenschaft genug, um zu wissen wer in dem lebhaft erregten gegenwärtigen Streite Recht, oder Unrecht habe. Nehmen Sie einmal einen Augenblick an (wie es denn doch nicht ganz unmöglich ist) wir hätten Recht! Und wenn wir nun auch Unrecht haben? Können Sie in irgend einem Falle Ihr Theater zum Tribunal machen? Jezt sind Sie nun, wie ich hoffe, überzeugt, daß das Stück allerdings eine persönliche Tendenz habe, sind Sie es aber noch nicht, so müßt ich Sie freilich noch einmal ersuchen mir das Mskpt. noch Einmal anzuvertrauen, um es gedruckt darzuthun, und zu beweisen, daß es persönlich sei. Aber Sie haben mir die Persönlichkeiten im Gespräch endlich zugegeben, – und was ich nun von Ihnen, ich nicht, jeder Angegriffene, vielleicht auch jeder Unpartheiische fordern könnte? Das ist eben das Rechte, wovon ich eben sprach, was ich Ihnen nicht gleich antworten konnte, aber wenn Sie mich jezt nur als Freund fragen, kann ich es schriftlich sagen: – das Stück liegen zu lassen, ist das Wenigste, sondern öffentlich entweder in der Zeitung, oder auf den Anschlagezetteln sich von jedem persönlichen Angriffe lossagen, und jeden der sich beleidigt halten dürfte, wegen des Pasquills um Verzeihung zu bitten, da Sie vorher das Ungeziemende davon nicht eingesehen. – Dieses wäre die Bedingung, unter der ich mit Ehre gänzlich schweigen könnte, von der ich mich aber nicht zu sprechen scheue.
L. Tieck.
Metadata Concerning Header
  • Date: [zwischen dem 14. und 22. November 1800]
  • Sender: Ludwig Tieck ·
  • Recipient: August Wilhelm Iffland ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Johann Valentin Teichmanns Literarischer Nachlaß. Hrsg. v. Franz Dingelstedt. Stuttgart 1863, S. 286–288.
Language
  • German

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