Liebster Freund!
Mit grosser Freude habe ich Deinen Brief gelesen und mit noch grösserer Dein Trauerspiel. Welch ein schönes Stück hast Du aus der Fabel der Ino zusammengesetzt? Neue Charaktere, schöne Situationen, eine vortreffliche Verbindung der Scenen, kurz – alles was man nur von einem guten Stücke fordern kann. Doch mit Erstaunen und mit Lachen las ich die Stelle Deines Briefes, in der Du mich aufforderst, auch ein Stück aus der nämlichen Fabel zu machen. Ich ein Dichter? Der ich bis jetzo nur noch wenige Gedichte gelesen, noch kein einziges selbst geschrieben habe, ich sollte mich sogleich an die schwerste aller Dichtungsarten wagen? Doch gewöhnte ich mich nach und nach an den Gedanken, ich überlegte hin und her und so entstand in zweien Abenden dies Werkchen. Aber Freund wirst Du mich nicht für einen der grössten Betrüger unter der Sonne halten? Du schickst mir eine kostbare Waare und erwartest dafür eine ähnliche; Du schickst mir einen belvederischen Apoll und ich schicke Dir dagegen einen elenden Umriss von der grotesken Figur eines Sphinxes; denn Du triffst in diesem Spiel der Phantasie (– erlaube mir für dies’ Geschmiere diesen noch zu edlen Namen) weder Charaktere, weder Einleitung, Ausführung noch Verbindung der Scene. Seichte, fade witzige Einfälle, crasse ungehobelte Ideen müssen bei mir Deine schönen Schilderungen, Deine vortrefflichen empfindungsvollen Scenen ersetzen. Du hast Gozzi’s Feenmärchen gelesen. Sein schlechtestes ist gegen dies gehalten noch ein Meisterstück. Ich schicke Dir das Ungeheuer blos in der Absicht, um Dich auch beständig abzuschrecken, mir etwas ähnliches irgend einmal wieder zuzumuthen, und zugleich um Dich zu überzeugen, wie falsch Deine Behauptung sei, dass jeder Mensch wenn er nur wolle, ein Dichter sein könne. Denn wenn Du nur die ersten Seiten von diesem (ich weiss wirklich nicht, wie ich es neunen soll) wirst durchgelesen haben, wirst Du sogleich zugeben müssen, dass ich der elendeste Dichter bin, der jemals eine Feder angesetzt hat. – Das Feen-Märchen ist elend genug, denn ich habe es selbst erfunden, und es ist weit leichter ein selbst erfundenes Märchen in Handlung zu setzen, als aus mehreren, wie Gozzi gethan hat, ein dramatisches Stück zu machen.
Zwei Charactere der italiänischen Komödie habe ich beibehalten. Tartaglia und Trüffaldin, um mich völlig zu prostituieren, da ich sie auftreten lasse, ohne die komische Kunst zu haben, sie angenehm zu machen.
Bei der ganzen Sache wirst Du blos meine Aufrichtigkeit bewundern, dass ich meine Schwäche so sehr blosgebe und Dir ein Ding zuschicke, das nicht einmal des Papieres und des Postgeldes werth ist.
Ich erwarte künftig, wie Du mir versprochen hast, mehrere Deiner poetischen Arbeiten, aber zugleich Dein unwiederrufliches Urtheil, nie wieder die Feder anzusetzen und mich an der Muse der göttlichen Dichtkunst zu versündigen.
In höchster Eile
Lebe wohl
ich bleibe
Dein Freund
Schmohl.
Mit grosser Freude habe ich Deinen Brief gelesen und mit noch grösserer Dein Trauerspiel. Welch ein schönes Stück hast Du aus der Fabel der Ino zusammengesetzt? Neue Charaktere, schöne Situationen, eine vortreffliche Verbindung der Scenen, kurz – alles was man nur von einem guten Stücke fordern kann. Doch mit Erstaunen und mit Lachen las ich die Stelle Deines Briefes, in der Du mich aufforderst, auch ein Stück aus der nämlichen Fabel zu machen. Ich ein Dichter? Der ich bis jetzo nur noch wenige Gedichte gelesen, noch kein einziges selbst geschrieben habe, ich sollte mich sogleich an die schwerste aller Dichtungsarten wagen? Doch gewöhnte ich mich nach und nach an den Gedanken, ich überlegte hin und her und so entstand in zweien Abenden dies Werkchen. Aber Freund wirst Du mich nicht für einen der grössten Betrüger unter der Sonne halten? Du schickst mir eine kostbare Waare und erwartest dafür eine ähnliche; Du schickst mir einen belvederischen Apoll und ich schicke Dir dagegen einen elenden Umriss von der grotesken Figur eines Sphinxes; denn Du triffst in diesem Spiel der Phantasie (– erlaube mir für dies’ Geschmiere diesen noch zu edlen Namen) weder Charaktere, weder Einleitung, Ausführung noch Verbindung der Scene. Seichte, fade witzige Einfälle, crasse ungehobelte Ideen müssen bei mir Deine schönen Schilderungen, Deine vortrefflichen empfindungsvollen Scenen ersetzen. Du hast Gozzi’s Feenmärchen gelesen. Sein schlechtestes ist gegen dies gehalten noch ein Meisterstück. Ich schicke Dir das Ungeheuer blos in der Absicht, um Dich auch beständig abzuschrecken, mir etwas ähnliches irgend einmal wieder zuzumuthen, und zugleich um Dich zu überzeugen, wie falsch Deine Behauptung sei, dass jeder Mensch wenn er nur wolle, ein Dichter sein könne. Denn wenn Du nur die ersten Seiten von diesem (ich weiss wirklich nicht, wie ich es neunen soll) wirst durchgelesen haben, wirst Du sogleich zugeben müssen, dass ich der elendeste Dichter bin, der jemals eine Feder angesetzt hat. – Das Feen-Märchen ist elend genug, denn ich habe es selbst erfunden, und es ist weit leichter ein selbst erfundenes Märchen in Handlung zu setzen, als aus mehreren, wie Gozzi gethan hat, ein dramatisches Stück zu machen.
Zwei Charactere der italiänischen Komödie habe ich beibehalten. Tartaglia und Trüffaldin, um mich völlig zu prostituieren, da ich sie auftreten lasse, ohne die komische Kunst zu haben, sie angenehm zu machen.
Bei der ganzen Sache wirst Du blos meine Aufrichtigkeit bewundern, dass ich meine Schwäche so sehr blosgebe und Dir ein Ding zuschicke, das nicht einmal des Papieres und des Postgeldes werth ist.
Ich erwarte künftig, wie Du mir versprochen hast, mehrere Deiner poetischen Arbeiten, aber zugleich Dein unwiederrufliches Urtheil, nie wieder die Feder anzusetzen und mich an der Muse der göttlichen Dichtkunst zu versündigen.
In höchster Eile
Lebe wohl
ich bleibe
Dein Freund
Schmohl.