Freyenwalde.
Donnerstag Nachmittags.
Lieber Tieck,
Es thut mir leid, daß ich Dich zuletzt nicht einmal noch habe sehen können. Am Montag Vormittag, (hörte ich) würdest Du nicht zu Hause seyn; am Nachmittag war ich einige Stunden da, und fand weder Dich noch Deine Schwester.
Ich befinde mich hier ganz wohl, und genieße die Natur auf eine recht gute Art, und ganz ohne Prätension. Es ist noch wenig Gesellschaft hier; ich gehe allein umher, und setze mich hin, und gebe mich allen Eindrücken preis, – und glaube, von den Einwirkungen der ganzen lebendigen Natur um mich her, befruchtet, selbst mitunter manche guten Gedanken, und manche gute – Empfindung zu produciren. Wie prekair doch die Sprichwörter sind! Statt: Müßiggang ist aller Laster Anfang, könnte man eben so gut: aller Tugend und aller Weisheit, sagen. Denn es lebt sich unter Bäumen, Gras, Kräutern, Bergen, und summenden Insekten, und fließenden Bächen wahrhaftig besser als unter regelmäßigen Häusern, und eben so regelmäßigen Menschen u. Geschäften. Zwischen 4 KalkWänden schämt man sich nicht, das unsinnigste Zeug zu lesen u. zu schreiben; und unter freyem Himmel, wenn das Laub rauscht, und die Vögel singen, kommt man wahrlich gar nicht einmal darauf, es nur zu denken. Vielleicht wäre das Langweilige aller Wissenschaften nicht da, wenn Heyne, &c. immer unter freyem Himmel geschrieben hätten. Man schämt sich da ein bischen vor dem lieben Gott.
Aber nein, – wahrhaftig die Botaniker u. Consorten schämen sich ja doch nicht, sondern nehmen mit freyer Stirn ein Inventarium von allem was lebt u. grünt, auf, als wenn sie’s nachma<chen> wollten; notiren sich die kauderwelschen Namen ins Portefeuille; spüren gebückt auf der Erde herum, so daß man nicht einmal recht weiß, ob man sie zu der Klasse von Geschöpfen rechnen soll, quibus Deus os sublime dedit; und genießen mit einem Wort die Natur auf eine Art, wie der schaffende Geist sich wohl weder in der Zeit noch in der Ewigkeit je träumen ließ, daß ein Geschöpf sie genießen würde.
Wie gern hätt’ ich Dich zuweilen hier. – Wie wär’s wenn Du mir einmal schriebst? – Oder ist Dir das etwa eben so viel, als wenn ich sagte: wie wär’s wenn ich einmal das Unmögliche, möglich, haben wollte.
Die Gegend ist immer recht artig. Nur ists ein verdammter Betrug, daß die Berge anstatt von Felsen, von purem Sande aufgebaut sind.
Ich habe Dir den Untersatz der Kaffeekanne, – mehrere Exemplare des Abdallah, – und für Deine Schwester Schulzens Lieder, u 2 Theile v. Witthauers Sachen geschikt. Von letzteren sind blos die Lieder für sie, weil die Klavierstücke in Violinschlüssel stehen. Von diesen, und den Schulzischen Liedern wird sie die leichtesten bald spielen können. Meinen Gruß an sie, – so wie an Bernh. u. Wess. –
Leb’ wohl, lieber Tieck.
Dein
W. H. W.
Donnerstag Nachmittags.
Lieber Tieck,
Es thut mir leid, daß ich Dich zuletzt nicht einmal noch habe sehen können. Am Montag Vormittag, (hörte ich) würdest Du nicht zu Hause seyn; am Nachmittag war ich einige Stunden da, und fand weder Dich noch Deine Schwester.
Ich befinde mich hier ganz wohl, und genieße die Natur auf eine recht gute Art, und ganz ohne Prätension. Es ist noch wenig Gesellschaft hier; ich gehe allein umher, und setze mich hin, und gebe mich allen Eindrücken preis, – und glaube, von den Einwirkungen der ganzen lebendigen Natur um mich her, befruchtet, selbst mitunter manche guten Gedanken, und manche gute – Empfindung zu produciren. Wie prekair doch die Sprichwörter sind! Statt: Müßiggang ist aller Laster Anfang, könnte man eben so gut: aller Tugend und aller Weisheit, sagen. Denn es lebt sich unter Bäumen, Gras, Kräutern, Bergen, und summenden Insekten, und fließenden Bächen wahrhaftig besser als unter regelmäßigen Häusern, und eben so regelmäßigen Menschen u. Geschäften. Zwischen 4 KalkWänden schämt man sich nicht, das unsinnigste Zeug zu lesen u. zu schreiben; und unter freyem Himmel, wenn das Laub rauscht, und die Vögel singen, kommt man wahrlich gar nicht einmal darauf, es nur zu denken. Vielleicht wäre das Langweilige aller Wissenschaften nicht da, wenn Heyne, &c. immer unter freyem Himmel geschrieben hätten. Man schämt sich da ein bischen vor dem lieben Gott.
Aber nein, – wahrhaftig die Botaniker u. Consorten schämen sich ja doch nicht, sondern nehmen mit freyer Stirn ein Inventarium von allem was lebt u. grünt, auf, als wenn sie’s nachma<chen> wollten; notiren sich die kauderwelschen Namen ins Portefeuille; spüren gebückt auf der Erde herum, so daß man nicht einmal recht weiß, ob man sie zu der Klasse von Geschöpfen rechnen soll, quibus Deus os sublime dedit; und genießen mit einem Wort die Natur auf eine Art, wie der schaffende Geist sich wohl weder in der Zeit noch in der Ewigkeit je träumen ließ, daß ein Geschöpf sie genießen würde.
Wie gern hätt’ ich Dich zuweilen hier. – Wie wär’s wenn Du mir einmal schriebst? – Oder ist Dir das etwa eben so viel, als wenn ich sagte: wie wär’s wenn ich einmal das Unmögliche, möglich, haben wollte.
Die Gegend ist immer recht artig. Nur ists ein verdammter Betrug, daß die Berge anstatt von Felsen, von purem Sande aufgebaut sind.
Ich habe Dir den Untersatz der Kaffeekanne, – mehrere Exemplare des Abdallah, – und für Deine Schwester Schulzens Lieder, u 2 Theile v. Witthauers Sachen geschikt. Von letzteren sind blos die Lieder für sie, weil die Klavierstücke in Violinschlüssel stehen. Von diesen, und den Schulzischen Liedern wird sie die leichtesten bald spielen können. Meinen Gruß an sie, – so wie an Bernh. u. Wess. –
Leb’ wohl, lieber Tieck.
Dein
W. H. W.