Liebste Schwester,
Verzeih doch ja, daß ich dir in so langer Zeit nicht geschrieben habe, aber es war mir nicht eher möglich, denn ich bin erst gestern Abend in Göttingen angekommen. Wie geht es dir und meinen lieben Aeltern und dem Künstler? Alle sind doch wohl und gesund, wenn es alle so sind wie ich, so bin ich zufrieden, denn ich bin seit langer Zeit nicht so heiter gewesen als hier und während meiner Reise. – Damit ich es nur nicht vergesse, ich wohne in der Wehnder Straße. – Du und meine lieben Aeltern haben sich bei der Nachricht gewiß recht geängstigt, daß die Franzosen so nahe bei Göttingen ständen? – Diese Nachricht ist aber ungegründet gewesen und wäre sie auch wahr gewesen, nach Göttingen wären sie gewiß nicht gekommen. Wenn sie in die hiesigen Gegenden kommen sollten, so besuche ich sie sogleich.
Ich bin ganz gesund frisch und munter angekommen. Bis Nordhausen 8 Meilen von Göttingen bin ich mit der Post gefahren, von da bis hieher bin ich geritten, weil die Posten hier so dumm eingerichtet sind, daß ich vier Tage in Nordhausen darauf hätte warten müssen.
Ich befinde mich hier sehr wohl, ich wohne charmant, in der besten Straße, die Stadt ist sehr niedlich, die Seiten mit Quadren gepflastert, was man in Berlin nicht einmahl hat, auch die nächtliche Beleuchtung ist weit besser als in Berlin, des Mittags esse ich in einem schönen Gasthofe mit lauter Grafen und Herrn und trincke täglich zu vier Gerichten meinen schönen Rheinwein, einige Collegia habe ich auch schon angenommen, kurz, ich lebe hier so angenehm, als ich es nur verlangen kann. Es gefällt mir hier unendlich mehr als in Halle.
Sage meinem lieben Vater, daß er ja nicht glauben soll, daß ich Geld nöthig habe, nicht im mindesten, ich weiß, er braucht es weit mehr als ich. Ich dancke ihm noch einmal für seine zärtliche Fürsorge. – Meine Sachen schicke mir doch sobald als möglich, (wenn dafür das Postgeld bezahlt werden könnte wäre es mir sehr lieb, denn ich habe fast kein Geld mehr übrig) vorzüglich vergiß meine Papiere nicht, gar nichts daran mußt du vergessen, packe lieber etwas zuviel als zu wenig ein, denn ich möchte nichts gern vermissen, suche doch nach einem Manuscript von Rambach, es ist der Anfang eines Ritterromans, auch dies schicke mir. Noch eins, bitte doch Wackenroder, der dir diesen Brief bringen wird, daß er dir von Bernhardi den zweiten Ackt der Anna-Bolyn holt, packe auch diesen ja mit ein, auch die Briefe vergiß nicht, – kurz nichts, nichts meiner schriftlichen Sachen, – auch die nicht, die von Schmols Hand sind, wie das Reh und Abdallah.
Alle, meine theuren Eltern, du, der Künstler, alle müssen aber auch recht wohl und gesund sein, sonst ist meine ganze Freude ve[r]dorben. Küsse alle in meinem Nahmen, meinen lieben Vater und meine zärtliche Mutter, den Künstler und du selbst glaube daß ich ewig bleiben werden
Dein Dich zärtlichst liebender Bruder,
Tieck.
Göttig am 6tn Novbr. 1792.
Verzeih doch ja, daß ich dir in so langer Zeit nicht geschrieben habe, aber es war mir nicht eher möglich, denn ich bin erst gestern Abend in Göttingen angekommen. Wie geht es dir und meinen lieben Aeltern und dem Künstler? Alle sind doch wohl und gesund, wenn es alle so sind wie ich, so bin ich zufrieden, denn ich bin seit langer Zeit nicht so heiter gewesen als hier und während meiner Reise. – Damit ich es nur nicht vergesse, ich wohne in der Wehnder Straße. – Du und meine lieben Aeltern haben sich bei der Nachricht gewiß recht geängstigt, daß die Franzosen so nahe bei Göttingen ständen? – Diese Nachricht ist aber ungegründet gewesen und wäre sie auch wahr gewesen, nach Göttingen wären sie gewiß nicht gekommen. Wenn sie in die hiesigen Gegenden kommen sollten, so besuche ich sie sogleich.
Ich bin ganz gesund frisch und munter angekommen. Bis Nordhausen 8 Meilen von Göttingen bin ich mit der Post gefahren, von da bis hieher bin ich geritten, weil die Posten hier so dumm eingerichtet sind, daß ich vier Tage in Nordhausen darauf hätte warten müssen.
Ich befinde mich hier sehr wohl, ich wohne charmant, in der besten Straße, die Stadt ist sehr niedlich, die Seiten mit Quadren gepflastert, was man in Berlin nicht einmahl hat, auch die nächtliche Beleuchtung ist weit besser als in Berlin, des Mittags esse ich in einem schönen Gasthofe mit lauter Grafen und Herrn und trincke täglich zu vier Gerichten meinen schönen Rheinwein, einige Collegia habe ich auch schon angenommen, kurz, ich lebe hier so angenehm, als ich es nur verlangen kann. Es gefällt mir hier unendlich mehr als in Halle.
Sage meinem lieben Vater, daß er ja nicht glauben soll, daß ich Geld nöthig habe, nicht im mindesten, ich weiß, er braucht es weit mehr als ich. Ich dancke ihm noch einmal für seine zärtliche Fürsorge. – Meine Sachen schicke mir doch sobald als möglich, (wenn dafür das Postgeld bezahlt werden könnte wäre es mir sehr lieb, denn ich habe fast kein Geld mehr übrig) vorzüglich vergiß meine Papiere nicht, gar nichts daran mußt du vergessen, packe lieber etwas zuviel als zu wenig ein, denn ich möchte nichts gern vermissen, suche doch nach einem Manuscript von Rambach, es ist der Anfang eines Ritterromans, auch dies schicke mir. Noch eins, bitte doch Wackenroder, der dir diesen Brief bringen wird, daß er dir von Bernhardi den zweiten Ackt der Anna-Bolyn holt, packe auch diesen ja mit ein, auch die Briefe vergiß nicht, – kurz nichts, nichts meiner schriftlichen Sachen, – auch die nicht, die von Schmols Hand sind, wie das Reh und Abdallah.
Alle, meine theuren Eltern, du, der Künstler, alle müssen aber auch recht wohl und gesund sein, sonst ist meine ganze Freude ve[r]dorben. Küsse alle in meinem Nahmen, meinen lieben Vater und meine zärtliche Mutter, den Künstler und du selbst glaube daß ich ewig bleiben werden
Dein Dich zärtlichst liebender Bruder,
Tieck.
Göttig am 6tn Novbr. 1792.