Liebste Schwester,
Tausend, tausend Danck für deinen schönen langen Brief, er hat mir erstaunlich viel Freude gemacht, schreib mir doch ja öffter so und bleibe nur immer, so wie meine lieben Eltern, gesund, dann will ich auch hier in Göttingen, 40 Meilen von dir, recht vergnügt und froh leben. Verzeih mir, daß ich dir in so langer Zeit nicht geschrieben habe, du mußt nun schon mit meiner Faulheit ein[m]ahl Geduld haben, ich war überdies grade in einige Arbeiten hineingekommen, die ich nicht gut aufschieben konnte. – Ich bin hier ziemlich fleissig, ich benutze die Bibliotheck sehr, und studiere besonders den Shakspear – vielleicht wird dir auch Wackenroder nächstens etwas von mir vorlesen können. – Bleibe nur ja gesund, dann will ich hier auch immer recht vergnügt sein.
Daß ich dich liebe, und ewig lieben werde, davon kannst du versichert sein, du mußt mich ja auch in dieser Rücksicht schon kennen, mache dir also deshalb keine unnütze Bedencklichkeiten, sei darüber ganz ruhig, ich werde immer der bleiben, der ich izt bin. – Sei nur immer recht frölich und munter und d[e]nke recht oft an Ostern, wo wir recht sehr vergnügt sein wollen. Geh nur, wenn du kannst mit dem Künstler noch öfter in die Comödie. Grüsse ihn doch auch von mir herzlich, hörst du? –
Für deine sorgfältige Ueberschikkung des Coffers danck ich dir recht sehr, ich danke dir für deine grosse, erstaunliche Mühe, die du dir gegeben hast, ich weiß wirklich nicht, wie ich dir irgend einmahl deine Liebe vergelten kann, einige Kleinigkeiten, als den Bambus, ein Pa[a]r Stiefeln, wofür du mir ein Paar unrechte geschickt hast, Schnupftücher, habe ich vermißt. Einen bunten Tuch habe ich gefunden, der dir wahrscheinlich gehört und den du in der Zerstreuung eingepackt hast, ich werde ihn auf Ostern wieder mitbringen. – Daß du ja nicht mehr, als 3 rl. geschickt hast, soll ich nicht übel nehmen? Du liebes Kind, mußt nicht so mit mir spassen.–
Ich bin übrigens so gesund, als man es nur sein kann, ich versäume die Collegia nicht und bin immer ziemlich fleissig. –Schreibe mir nur immer hübsch ordentlich. – Mit dem Neujahr fange ich auch an, spanisch zu lernen, werd’ ich nicht ein gelehrter Kerl werden? A propos! ich gratulir dich und das ga[n]ze Haus, wenn du in der Zeit kein Brief wi[e]d[er] erhalten solltest.
In deiner Besorgniß wegen der Wellern, erkenn ich deine ganze Liebe, allein sie ist wirklich ohne Grund, liebe Schwester, denn aufrichtig gesagt, sie ist mir jezt wirklich ziemlich gleichgültig, denn ich habe gefunden, daß sie im Grunde nichts als ein gewöhnliches Frauenzimmer ist. Du siehst also wohl, daß sie mich nicht von meiner Thätigkeit abhalten wird, und daß sie dir noch weniger Eintrag thun kann, du hast überhaupt diese ganze Sache zu ernsthaft genommen, es war bloß eine Art von vorübergehender Trunkenheit, weiter nichts! Ich habe ihr zwar von hier geschrieben, allein sie kommt vielleicht nicht nach Berlin, nicht weil sie nicht hinwollte, sondern weil ich sie wirklich nicht gern mitbringen möchte, es würde im Hause viel Unruhe machen, und dann könnt’ ich deinen Umgang ja noch weniger geniessen. – Übrigens wirst du aber doch noch können nach Wörlitz reisen, das will ich hoffen, nicht wahr? Du kannst ja sagen, daß du sie besuchen willst und kannst sie ja auch im Ernst besuchen. Du [m]ußt durchaus ein bischen mit mir in die Welt herumreisen. Schreib mir doch nächstens etwas darüber.
Bleibe ja nicht zu lange auf, um mir zu schreiben, so lieb mir auch deine langen Briefe sind, so laß sie doch lieber etwas kürzer sein, wenn du darüber kranck werden solltest, du hast überdies bei meinen Sachen schon immer so lange aufgeseßen, ich fürchte im Ernst, daß es dir Schaden gethan hat, thue so etwas ja nicht wieder.
Dein aufrichtiges Urtheil über meinen Adalbert hat mir sehr gefallen und was noch mehr ist, du hast in allen Sachen Recht, den Schluß in Versen etwa ausgenommen. Du weißt ja wohl von mir, daß ich nicht zu den eiteln Schriftstellern gehöre, die gleich böse werden, wenn man sie tadelt, ich gewöhne mir auch von Tag zu Tag den Fehler immer mehr ab, wo ich ihn ja noch irgendeinm[a]hl an mir bemercke. Dein Urtheil stimmt übrigens mit dem von Wakkenroder ganz und gar überein, und ich danke dir dafür recht sehr, mache es immer so, es wird immer mir sehr lieb sein, du sollst auch dafür, wenn es möglich ist, ein gedrucktes Exemplar erhalten. In Ansehung des Charakters der Emma hast du mir eine sehr gute Anmerkung gemacht, ich wußte überhaupt schon vorher, was von dem ganzen Dinge zu halten sei, ich habe es ein wenig zu schnell geschrieben. Daß dich übrigens Wakkenroder besucht, ohne bei dir Langweile zu haben, darauf kannst du dich verlassen. – Du hast mir ja in deinem neuen Briefe nicht gesagt, wie es mit deinem neuen Zahn geht, die Nachricht von dem Absterben des Alten hatte mich ordentlich erschreckt.
Was macht denn Griese? glorreichen Andenkens?
Ob Wak. es übel nehmen wird, daß du ihm nicht nach seinem Stande begegnest? Wie kann dein sonst so gesunder Menschenverstand zu dieser närrischen Frage? das sage mir nur ein[m]ahl. – Als wenn sich nicht alle Menschen in der Welt gleich wären, nur das Herz adelt, alle ohne Ausnahme sind sich gleich. Wenn Wak. so etwas übel nehmen könnte, so könnte er auch von diesem Augenblikk an mein Freund nicht mehr sein. Ich bin überhaupt in meinem Demokratismus (dies Wort wird dir doch wohl nicht fr[e]md sein) eher eifriger als kälter geworden. – Ich glaube nicht, daß diese Idee dein Ernst war, die Welt wird überhaupt wahrscheinlich nächstens dahin kommen (wenigstens müssen es alle vernünftigen Menschen wünschen) daß man all’ das schaale Complimentenwesen abschafft, daß nur Verdienst geschäzt wird, und jeder Thor und schlechter Kerl verachtet, er mag auf dem Thron sitzen oder einen Plundermatzkarren schieben.
Ich habe vor einigen Tagen auch deinen zweiten lieben Brief erhalten.
Schmol ist ein Narr, nichts weiter. –
Böse kann ich übrigens gar nicht werden, ausser wenn du kranck wirst und gar nichts schreibst und dann könnt’ ich leicht noch etwas mehr als böse werden, dafür nimm dich also ja in Acht, wenn du mich nur noch etwas liebst.
Wenn meine Briefe dich heiter machen, so will ich dir auch künftig öffter schreiben, du erhältst wenigstens diesmahl einen ziemlich langen Brief, du wirst mir also verzeihen, wenn du böse gewesen bist, daß du so lange von mir nichts gehört, oder gesehen hast.
Auf Ostern wollen wir gewiß recht vergnügt sein, das sollst du sehen.
Wie wir unsre Comödien schrieben, das war doch wahrhaftig keine üble Zeit, jezt ist nun auch die Zeit da, wo wir oft mit einer peinigenden Ungeduld das Aufstehn des Vaters und unser Weihnachtsgeschenck erwarteten, um uns kranck zu essen, und ein bischen zu prügeln. Alles das ist freilich izt vorbei. Zum Theil ist es gut, zum Theil wieder nicht, wie man es nimmt. –
Deine Zahnschmerzen thun mir ausserordentlich leid, nimm doch die Zähne ja recht [in Acht] und wasche sie alle Tage mit Wasser, ich thue es wenigstens jezt immer.
Ich will hoffen, daß sie jezt schon vorüber sind.
Warum schreibt mir denn aber der närrische Kerl von Künstler nicht? Hat er etwa wieder Briefe an mich zerrissen, weil sie ihm nachher nicht gefallen haben, auf Ostern muß er mich auch mehr besuchen, als er diesmahl gethan hat.
Grüsse Vatern und meine liebe Mutter recht herzlich von mir, ich will wünschen, daß sie ebenso gesund bleiben mögen, als ich. Ich bin von ganzem Herzen gesund und hoffe sie auf Ostern recht munter wiederzusehn.
Wenn du auf einen Brief von mir schon lange ernstlich gehofft hast, so thut es mir sehr leid, daß dieser so spät kömmt, – indeß, ich will es künftig ordentlicher treiben, tröste dich damit, Ostern ist ja überdies nun bald. – Nächstens will ich auf ein Paar Tage nach Cassel reisen, der Kön[i]g von Preussen ist dort, – es wird Oper und Comödie sein. – Lebe du recht wohl, zu tausendm[a]hle,
Dein zärtlicher Brud.
Tieck.
Göttg
am 23tn Decbr.
1792.
Tausend, tausend Danck für deinen schönen langen Brief, er hat mir erstaunlich viel Freude gemacht, schreib mir doch ja öffter so und bleibe nur immer, so wie meine lieben Eltern, gesund, dann will ich auch hier in Göttingen, 40 Meilen von dir, recht vergnügt und froh leben. Verzeih mir, daß ich dir in so langer Zeit nicht geschrieben habe, du mußt nun schon mit meiner Faulheit ein[m]ahl Geduld haben, ich war überdies grade in einige Arbeiten hineingekommen, die ich nicht gut aufschieben konnte. – Ich bin hier ziemlich fleissig, ich benutze die Bibliotheck sehr, und studiere besonders den Shakspear – vielleicht wird dir auch Wackenroder nächstens etwas von mir vorlesen können. – Bleibe nur ja gesund, dann will ich hier auch immer recht vergnügt sein.
Daß ich dich liebe, und ewig lieben werde, davon kannst du versichert sein, du mußt mich ja auch in dieser Rücksicht schon kennen, mache dir also deshalb keine unnütze Bedencklichkeiten, sei darüber ganz ruhig, ich werde immer der bleiben, der ich izt bin. – Sei nur immer recht frölich und munter und d[e]nke recht oft an Ostern, wo wir recht sehr vergnügt sein wollen. Geh nur, wenn du kannst mit dem Künstler noch öfter in die Comödie. Grüsse ihn doch auch von mir herzlich, hörst du? –
Für deine sorgfältige Ueberschikkung des Coffers danck ich dir recht sehr, ich danke dir für deine grosse, erstaunliche Mühe, die du dir gegeben hast, ich weiß wirklich nicht, wie ich dir irgend einmahl deine Liebe vergelten kann, einige Kleinigkeiten, als den Bambus, ein Pa[a]r Stiefeln, wofür du mir ein Paar unrechte geschickt hast, Schnupftücher, habe ich vermißt. Einen bunten Tuch habe ich gefunden, der dir wahrscheinlich gehört und den du in der Zerstreuung eingepackt hast, ich werde ihn auf Ostern wieder mitbringen. – Daß du ja nicht mehr, als 3 rl. geschickt hast, soll ich nicht übel nehmen? Du liebes Kind, mußt nicht so mit mir spassen.–
Ich bin übrigens so gesund, als man es nur sein kann, ich versäume die Collegia nicht und bin immer ziemlich fleissig. –Schreibe mir nur immer hübsch ordentlich. – Mit dem Neujahr fange ich auch an, spanisch zu lernen, werd’ ich nicht ein gelehrter Kerl werden? A propos! ich gratulir dich und das ga[n]ze Haus, wenn du in der Zeit kein Brief wi[e]d[er] erhalten solltest.
In deiner Besorgniß wegen der Wellern, erkenn ich deine ganze Liebe, allein sie ist wirklich ohne Grund, liebe Schwester, denn aufrichtig gesagt, sie ist mir jezt wirklich ziemlich gleichgültig, denn ich habe gefunden, daß sie im Grunde nichts als ein gewöhnliches Frauenzimmer ist. Du siehst also wohl, daß sie mich nicht von meiner Thätigkeit abhalten wird, und daß sie dir noch weniger Eintrag thun kann, du hast überhaupt diese ganze Sache zu ernsthaft genommen, es war bloß eine Art von vorübergehender Trunkenheit, weiter nichts! Ich habe ihr zwar von hier geschrieben, allein sie kommt vielleicht nicht nach Berlin, nicht weil sie nicht hinwollte, sondern weil ich sie wirklich nicht gern mitbringen möchte, es würde im Hause viel Unruhe machen, und dann könnt’ ich deinen Umgang ja noch weniger geniessen. – Übrigens wirst du aber doch noch können nach Wörlitz reisen, das will ich hoffen, nicht wahr? Du kannst ja sagen, daß du sie besuchen willst und kannst sie ja auch im Ernst besuchen. Du [m]ußt durchaus ein bischen mit mir in die Welt herumreisen. Schreib mir doch nächstens etwas darüber.
Bleibe ja nicht zu lange auf, um mir zu schreiben, so lieb mir auch deine langen Briefe sind, so laß sie doch lieber etwas kürzer sein, wenn du darüber kranck werden solltest, du hast überdies bei meinen Sachen schon immer so lange aufgeseßen, ich fürchte im Ernst, daß es dir Schaden gethan hat, thue so etwas ja nicht wieder.
Dein aufrichtiges Urtheil über meinen Adalbert hat mir sehr gefallen und was noch mehr ist, du hast in allen Sachen Recht, den Schluß in Versen etwa ausgenommen. Du weißt ja wohl von mir, daß ich nicht zu den eiteln Schriftstellern gehöre, die gleich böse werden, wenn man sie tadelt, ich gewöhne mir auch von Tag zu Tag den Fehler immer mehr ab, wo ich ihn ja noch irgendeinm[a]hl an mir bemercke. Dein Urtheil stimmt übrigens mit dem von Wakkenroder ganz und gar überein, und ich danke dir dafür recht sehr, mache es immer so, es wird immer mir sehr lieb sein, du sollst auch dafür, wenn es möglich ist, ein gedrucktes Exemplar erhalten. In Ansehung des Charakters der Emma hast du mir eine sehr gute Anmerkung gemacht, ich wußte überhaupt schon vorher, was von dem ganzen Dinge zu halten sei, ich habe es ein wenig zu schnell geschrieben. Daß dich übrigens Wakkenroder besucht, ohne bei dir Langweile zu haben, darauf kannst du dich verlassen. – Du hast mir ja in deinem neuen Briefe nicht gesagt, wie es mit deinem neuen Zahn geht, die Nachricht von dem Absterben des Alten hatte mich ordentlich erschreckt.
Was macht denn Griese? glorreichen Andenkens?
Ob Wak. es übel nehmen wird, daß du ihm nicht nach seinem Stande begegnest? Wie kann dein sonst so gesunder Menschenverstand zu dieser närrischen Frage? das sage mir nur ein[m]ahl. – Als wenn sich nicht alle Menschen in der Welt gleich wären, nur das Herz adelt, alle ohne Ausnahme sind sich gleich. Wenn Wak. so etwas übel nehmen könnte, so könnte er auch von diesem Augenblikk an mein Freund nicht mehr sein. Ich bin überhaupt in meinem Demokratismus (dies Wort wird dir doch wohl nicht fr[e]md sein) eher eifriger als kälter geworden. – Ich glaube nicht, daß diese Idee dein Ernst war, die Welt wird überhaupt wahrscheinlich nächstens dahin kommen (wenigstens müssen es alle vernünftigen Menschen wünschen) daß man all’ das schaale Complimentenwesen abschafft, daß nur Verdienst geschäzt wird, und jeder Thor und schlechter Kerl verachtet, er mag auf dem Thron sitzen oder einen Plundermatzkarren schieben.
Ich habe vor einigen Tagen auch deinen zweiten lieben Brief erhalten.
Schmol ist ein Narr, nichts weiter. –
Böse kann ich übrigens gar nicht werden, ausser wenn du kranck wirst und gar nichts schreibst und dann könnt’ ich leicht noch etwas mehr als böse werden, dafür nimm dich also ja in Acht, wenn du mich nur noch etwas liebst.
Wenn meine Briefe dich heiter machen, so will ich dir auch künftig öffter schreiben, du erhältst wenigstens diesmahl einen ziemlich langen Brief, du wirst mir also verzeihen, wenn du böse gewesen bist, daß du so lange von mir nichts gehört, oder gesehen hast.
Auf Ostern wollen wir gewiß recht vergnügt sein, das sollst du sehen.
Wie wir unsre Comödien schrieben, das war doch wahrhaftig keine üble Zeit, jezt ist nun auch die Zeit da, wo wir oft mit einer peinigenden Ungeduld das Aufstehn des Vaters und unser Weihnachtsgeschenck erwarteten, um uns kranck zu essen, und ein bischen zu prügeln. Alles das ist freilich izt vorbei. Zum Theil ist es gut, zum Theil wieder nicht, wie man es nimmt. –
Deine Zahnschmerzen thun mir ausserordentlich leid, nimm doch die Zähne ja recht [in Acht] und wasche sie alle Tage mit Wasser, ich thue es wenigstens jezt immer.
Ich will hoffen, daß sie jezt schon vorüber sind.
Warum schreibt mir denn aber der närrische Kerl von Künstler nicht? Hat er etwa wieder Briefe an mich zerrissen, weil sie ihm nachher nicht gefallen haben, auf Ostern muß er mich auch mehr besuchen, als er diesmahl gethan hat.
Grüsse Vatern und meine liebe Mutter recht herzlich von mir, ich will wünschen, daß sie ebenso gesund bleiben mögen, als ich. Ich bin von ganzem Herzen gesund und hoffe sie auf Ostern recht munter wiederzusehn.
Wenn du auf einen Brief von mir schon lange ernstlich gehofft hast, so thut es mir sehr leid, daß dieser so spät kömmt, – indeß, ich will es künftig ordentlicher treiben, tröste dich damit, Ostern ist ja überdies nun bald. – Nächstens will ich auf ein Paar Tage nach Cassel reisen, der Kön[i]g von Preussen ist dort, – es wird Oper und Comödie sein. – Lebe du recht wohl, zu tausendm[a]hle,
Dein zärtlicher Brud.
Tieck.
Göttg
am 23tn Decbr.
1792.