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Ludwig Tieck to Sophie Bernhardi TEI-Logo

Liebe Schwester,
Heut kann ich dir nur einen sehr kurzen Brief schreiben und dir für den deinigen vom 8tn Jan. danken, der mir noch weit lieber wäre, wenn ich nicht daraus sähe, daß du immer noch nicht recht aufgeräumt bist – So früh auch Ostern fällt, so setzest du es doch immer noch zu früh, denn als du den Brief schriebest waren es nicht zwei, sondern noch drei Monath bis zu meiner Ankunft in Berlin. – Dein Brief war mir ausserordentlich erfreulich, denn ich machte mir hundert Besorgnisse warum Niemand schriebe. – In Ansehung der Stiefeln habe ich doch Ruhe, es sind die Meinigen, das ist wahr, aber weit ältere, die andern waren nicht steif, hatten auch keine solche Klappen und waren hinten mit einer Schnalle eingerichtet, daran kannt’ ich diese falschen Canaillen gleich. – Doch, ich bin gesund und munter, wenn es auch die unrechten Stiefeln sind, und sei du es nur auch, dann ist alles schon gut. – Eh’ ich es vergesse, ich glaube der Künstler wird auf Ostern einen neuen Rock brauchen, sage doch Vatern, daß er sich deshalb keine unnöthige Kosten machen soll, ich will für ihn den schwarzen Rock mitbringen, den ich mir voriges Jahr in Berlin machen ließ, er wird hoffentlich keine Einwendungen dagegen machen, denn ich habe ihn so gut wie gar nicht getragen, er ist auch noch nicht gewendet, was sich von selbst versteht. Sag’ es doch auch dem Künstler, denn ich habe noch Rökke genug.
Ich habe wieder ein grosses Werck an Rambach geschickt, Wakk. wird wohl so gut sein, es dir zu bringen, oder auch vorzulesen, es ist aufrichtig gesagt, noch schlechter als Emma. –
Ich komme so früh ich kann, und so vergnügt als möglich, und wir reisen so spät von Berlin als es nur kumpabel im Stande gewesen zu sein, ist, – du reisest auf jeden Fall mit, das will ich schon machen, du sollst Wörlitz sehn, das ist einmahl ausgemacht, wenn nicht tausend Umstände dazwischen kämen, solltest du ganz mit nach Erlangen reisen.– Doch, das kann nicht sein.
Ich werde dich immer lieben, so lieben, wie ich nur jemand lieben kann, davon kannst du überzeugt sein, daß du mir lange Briefe schreibst, will ich gar nicht verlangen, denn du sitzest dann spät auf und verdirbst dir die Augen. – Bleibe nur gesund, alles übrige ist doch nur Nebensache. – Auch meine Eltern müssen es bleiben und ich hoffe, daß sie es sind, indem ich dieß schreiben, grüße meinen lieben Vater und meine liebe Mutter herzlich von mir, auch den Peter und ja den guten, braven Künstler, es ist eigentlich ein herrlicher Junge, er soll nicht zu fleissig sein und dafür einmahl an mich schreiben, sobald ich kann, soll es mein erstes Geschäft sein, mich mit ihm zu prügeln. – Laß, wenn du kannst, auch Espeut grüßen, er soll mir schreiben und ich will ihm antworten. – Gestern erhielt ich deinen Brief. –
Dein zärtlichster Brud. Ti[ec]k.
Göttg am 16tn Jan. – 93.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 16. Januar 1793
  • Sender: Ludwig Tieck ·
  • Recipient: Sophie Bernhardi ·
  • Place of Dispatch: Göttingen · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Letters to and from Ludwig Tieck and His Circle. Unpublished Letters from the Period of German Romanticism Including the Unpublished Correspondence of Sophie and Ludwig Tieck. Edited by Percy Matenko, Edwin H. Zeydel, Bertha M. Masche. Chapel Hill 1967 (= UNC Studies in the Germanic Languages and Literature; 57), S. 322–323.

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