Liebe Schwester,
Den Brief nach Dahme sei so gut, sogleich abzuschikken, denn keiner von deinen geglaubten Fällen findet hier statt, du hättest es gleich thun sollen, denn ich würde ihn sonst nicht geschrieben haben, doch glaube darum nicht, weil ich das sage, daß ich auch nur auf dich im mindesten böse sei. Aber aus einer andern Rüksicht hat mir dein neulicher Brief sehr wehe gethan, du schreibst, daß du kranck werden würdest, wenn ich nicht nach Berlin käme jezt. – Könntest du wirklich so außerordentlich schwach sein? Gewöhne dich doch an Ideen von Nothwendigkeit und an Sachen, die manchmal nicht zu ändern sind, – so freudig ich zu dir nach Berlin hineilen würde, so kann ich doch izt, auf Michaelis nicht kommen; dafür seh’ ich dich aber auf Weihnachten, oder Ostern gewiß, darum mußt du nicht traurig sein, oder gar kranck werden, wie du mir gedroht hast. Liebst du mich recht aufrichtig, so muß mein Wohlbefinden, meine Gesundheit und daß ich dich immer liebe, und ewig lieben werde, dies Bewußtsein muß dir am wichtigsten sein, und so wie diese Nachrichten von dir mich am meisten intereßiren – – Ich würde frölicher sein, dich zu sehn, aber um nichts glüklicher, wenn ich dich kranck sehn müste, wenn ich in der Entfernung dich gesund und wohl wüste. – Ich bin wohl und gesund, ich denke täglich an dich; – darum verschiebe dir die Freude des Wiedersehens noch etwas länger, ohne traurig zu sein, sie wird dir desto angenehmer sein. – Was könnt’ ich dir in ein paar Tagen in Berlin sein? – Wenig. Und lange könnt’ ich mich doch unmöglich aufhalten; wenn ich aber auf Weihnachten, oder Ostern komme, so versprech ich dir gewiß, 14 Tage dort zu sein; – Hier hast du meine Hand darauf! Ganz ge[w]iß! – Nun sei ja um alles in der Welt nicht traurig, oder werde nicht gar kranck, – wenn ich nicht mit dir kranck werden soll. – Daß wir einst zusammen leben, (so bald als möglich,) ist so gewiß, als ich lebe. – Ich möchte dir gern noch recht viel sagen, um dich zu überzeugen, daß du eigentlich gar nicht traurig werden könntest, wenn du nicht wolltest, aber ich fürchte, du möchtest dann glauben, ich liebte dich weniger, als du mich. – Es ist ja aber nur eine kurze Trennung. Wir sehn uns dann desto freudiger wieder!
Daß Vater jezt gesunder ist, als gewöhnlich, hat mir mehrere sehr frohe Tage gemacht, grüße ihn doch von mir recht herzlich, auch meine liebe Mutter und den Künstler, – ich möchte fast böse darüber werden, daß der gar nicht an mich schreibt, er wird das Schreiben noch ganz verlernen, da er es überhaupt in der Ortographie nie weit gebracht hat. –
Uebrigens werd’ ich es als ein Beweis ansehn, daß du mich mit eben der Zärtlichkeit liebst, als ich dich, wenn du nicht krank, nicht traurig wirst. – Denn wie würdest du mich dadurch unglüklich machen? –
In ein paar Wochen bin ich wieder in Göttingen, wenn du also schreibst, so adreßire deinen Brief nur dahin, warte aber ohngefähr 8 Tage und setze dann auf den Brief Poste restante. – Find’ ich keinen Brief, so wird mich das außerordentlich bekümmern. –
Dein ewig zärtl. Brud.
Tieck.
Erl,
am 24tn Septb. 93.
Den Brief nach Dahme sei so gut, sogleich abzuschikken, denn keiner von deinen geglaubten Fällen findet hier statt, du hättest es gleich thun sollen, denn ich würde ihn sonst nicht geschrieben haben, doch glaube darum nicht, weil ich das sage, daß ich auch nur auf dich im mindesten böse sei. Aber aus einer andern Rüksicht hat mir dein neulicher Brief sehr wehe gethan, du schreibst, daß du kranck werden würdest, wenn ich nicht nach Berlin käme jezt. – Könntest du wirklich so außerordentlich schwach sein? Gewöhne dich doch an Ideen von Nothwendigkeit und an Sachen, die manchmal nicht zu ändern sind, – so freudig ich zu dir nach Berlin hineilen würde, so kann ich doch izt, auf Michaelis nicht kommen; dafür seh’ ich dich aber auf Weihnachten, oder Ostern gewiß, darum mußt du nicht traurig sein, oder gar kranck werden, wie du mir gedroht hast. Liebst du mich recht aufrichtig, so muß mein Wohlbefinden, meine Gesundheit und daß ich dich immer liebe, und ewig lieben werde, dies Bewußtsein muß dir am wichtigsten sein, und so wie diese Nachrichten von dir mich am meisten intereßiren – – Ich würde frölicher sein, dich zu sehn, aber um nichts glüklicher, wenn ich dich kranck sehn müste, wenn ich in der Entfernung dich gesund und wohl wüste. – Ich bin wohl und gesund, ich denke täglich an dich; – darum verschiebe dir die Freude des Wiedersehens noch etwas länger, ohne traurig zu sein, sie wird dir desto angenehmer sein. – Was könnt’ ich dir in ein paar Tagen in Berlin sein? – Wenig. Und lange könnt’ ich mich doch unmöglich aufhalten; wenn ich aber auf Weihnachten, oder Ostern komme, so versprech ich dir gewiß, 14 Tage dort zu sein; – Hier hast du meine Hand darauf! Ganz ge[w]iß! – Nun sei ja um alles in der Welt nicht traurig, oder werde nicht gar kranck, – wenn ich nicht mit dir kranck werden soll. – Daß wir einst zusammen leben, (so bald als möglich,) ist so gewiß, als ich lebe. – Ich möchte dir gern noch recht viel sagen, um dich zu überzeugen, daß du eigentlich gar nicht traurig werden könntest, wenn du nicht wolltest, aber ich fürchte, du möchtest dann glauben, ich liebte dich weniger, als du mich. – Es ist ja aber nur eine kurze Trennung. Wir sehn uns dann desto freudiger wieder!
Daß Vater jezt gesunder ist, als gewöhnlich, hat mir mehrere sehr frohe Tage gemacht, grüße ihn doch von mir recht herzlich, auch meine liebe Mutter und den Künstler, – ich möchte fast böse darüber werden, daß der gar nicht an mich schreibt, er wird das Schreiben noch ganz verlernen, da er es überhaupt in der Ortographie nie weit gebracht hat. –
Uebrigens werd’ ich es als ein Beweis ansehn, daß du mich mit eben der Zärtlichkeit liebst, als ich dich, wenn du nicht krank, nicht traurig wirst. – Denn wie würdest du mich dadurch unglüklich machen? –
In ein paar Wochen bin ich wieder in Göttingen, wenn du also schreibst, so adreßire deinen Brief nur dahin, warte aber ohngefähr 8 Tage und setze dann auf den Brief Poste restante. – Find’ ich keinen Brief, so wird mich das außerordentlich bekümmern. –
Dein ewig zärtl. Brud.
Tieck.
Erl,
am 24tn Septb. 93.