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August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Schiller

[1] Braunschweig d. [13.?] Okt. 1795
[Dienstag?]
Die beyden letzten Stücke der Horen sind mir ein sehr willkommenes Geschenk gewesen, das aber durch Ihre gütigen Zuschriften noch unendlich gewann. Ich hatte die Beantwortung der ersten nur deswegen aufgeschoben, weil ich nicht mit leeren Händen vor Ihnen erscheinen wollte, und die Ausarbeitung des inliegenden Aufsatzes dauerte nachher, wie es gewöhnlich geht, länger als ich gerechnet hatte. Er ist zwar nicht von der Art, von welcher Sie jetzt vorzüglich Beyträge zu den Horen wünschen: und Sie werden daher in Ansehung des Platzes, dem Sie ihn bestimmen wollen, ganz nach Ihrem Gutdünken verfahren. Als ich Ihren Brief erhielt, war ich schon so weit in dieser Arbeit, daß ich sie wenigstens bis zu einem Abschnitte fortsetzen mußte, um nicht ganz vergeblich meine Ideen dazu gesammelt zu haben. Wie weit mir das Bestreben gelungen ist, Gründlichkeit mit einem leichten, unterhaltenden Vortrage zu vereinigen, wünsche ich durch Ihr Urtheil zu erfahren. Ich werde auch im Folgenden alles trockne und eigentlich technische zu vermeiden suchen.
Mit ganzem Eifer sinne ich nunmehr darauf, Ihnen etwas historisches oder poëtisches zu liefern, das nicht unwürdig wäre in solcher Gesellschaft aufzutreten. Ihr Beyfall, Ihre gütigen Aufmunterungen werden dabey meine begeisternde Muse seyn, – Bücher zu historischen Untersuchungen hoffe ich mir wohl [2] aus der Wolfenbüttelschen Bibliothek und den Sammlungen hiesiger Gelehrten verschaffen zu können.
Es thut mir leid, durch die Überschrift jener Gedichte, die ich Ihnen für den Almanach schickte, einigermaaßen ein Misverständniß veranlaßt, oder es nicht wenigstens durch eine hinzugefügte Bemerkung verhütet zu haben. Der Stoff zu einem Romane, worin sie Platz finden könnten, liegt nur noch sehr fragmentarisch in meinen Papieren und meinem Kopfe. Sollte indessen irgend etwas davon Gestalt genug gewinnen, um für sich genossen werden zu können, so werde ich es nirgends lieber erscheinen sehn als in den Horen. Es versteht sich, daß ich mich dabey und für alle übrigen Beyträge mit Vergnügen dem so billigen Gesetz wegen eines zweyten Druckes unterwerfen werde. Auch mein Werk über Dante wird vielleicht noch später vollendet erscheinen, als Sie es zugeben.
Durch die Wahl der Überschrift wollte ich theils andeuten, daß die Gedichte, obgleich durch einen Zwischenraum getrennt, dennoch zusammengehören; theils das ganz individuelle der Lage, die dabey vorausgesetzt werden muß, entschuldigen. Es freut mich, daß Ihr Almanach noch zu Stande gekommen ist: der Göttingische scheint mir dießmahl sehr leer zu seyn, aber in dem Vossischen gefiel mir vieles desto mehr.
Empfangen Sie meinen wärmsten Dank für den ganz neuen und seltnen Genuß, den mir Ihre Gedichte (denn von wem [3] wäre das Reich der Schatten und Natur und Schule sonst?) gewährt haben. So oft ich vorzüglich jenes seit vorgestern schon las, so kehrt doch jedes Mahl der Eindruck von etwas Einzigen, und, wenn es nicht vorhanden wäre, Unglaublichem bey mir zurück. Ich weiß nichts damit zu vergleichen als die Götter Griechenlands: auch hier finde ich die unnachahmliche Anmuth der Bilder wieder, die ich in ihnen liebte; und der Gedanke hat sich das Element noch vollkommner unterworfen. Gewiß, keiner Ihrer Bewunderer kann sich lebhafter über Ihre Rückkehr zur Poësie freuen als ich; aber Sie beschämen mich durch die Erwähnung meines Urtheils.
Auch das übrige in diesem so reichhaltigen Stücke der Horen habe ich zum Theil schon, doch noch nicht mit voller Ruhe genossen. In den Ergießungen eines einsamen Denkers im 8ten Stück glaubte ich Jacobi zu erkennen. Dürfte ich so frey seyn, Sie auf einen Aufsatz meines Bruders über die Bildung der Griechischen Frauen unter dem Titel Diotima aufmerksam zu machen, der im 7ten und 8ten Stück der Berliner Monathsschrift gestanden hat? Nach meinem Bedünken ist es das reifste, was er bis jetzt hat drucken lassen.
Sollte die Allgemeine Litteratur-Zeitung für das Fach der schönen Litteratur, ihre Geschichte und Theorie mit einbegriffen, noch einen Mitarbeiter brauchen können, so würden Sie zu vielen [4] Verbindlichkeiten, die ich Ihnen habe, noch eine hinzufügen, wenn Sie mich gelegentlich den Herausgebern derselben dazu vorschlagen wollten.
Mein Aufenthalt wird für den größten Theil des Winters vermuthlich nicht verändert werden. Ich dachte noch im Herbst eine kleine Reise zu machen, die ich nun vielleicht bis zum nächsten Frühling aufschiebe, weil ich gern erst Früchte meiner wieder gewonnenen Muße sehen möchte.
Leben Sie recht gesund und glücklich. Das ist der angelegentliche Wunsch
Ihres ganz ergebenen
A. W. Schlegel
In Götheʼs Elegien herrscht Römischer Geist: man glaubt Italiänische Luft zu athmen, wenn man sie liest. Jede neue Form in der G. auftritt, ist ein neuer Beweis seiner Selbständigkeit; aber die sichre Kühnheit des Mannes an den Natur u Schule gerichtet werden könnte, möchte als Beyspiel sehr gefährlich werden.
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  • Schlegel, August Wilhelm von  Druck  sich freuen  Musen-Almanach für das Jahr 1796 (hg. v. Friedrich Schiller)
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  • Schiller, Friedrich  Mitarbeit  empfehlen  Schlegel, August Wilhelm von
  • Schlegel, August Wilhelm von  positiv bewerten  Goethe, Johann Wolfgang von: Römische Elegien
  • Schlegel, August Wilhelm von  beraten  Schiller, Friedrich
Metadata Concerning Header
  • Date: [ca. 13.] Oktober 1795
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schiller ·
  • Place of Dispatch: Braunschweig · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Friedrich Schiller ‒ August Wilhelm Schlegel. Der Briefwechsel. Hg. v. Norbert Oellers. Köln 2005, S. 48‒50.
Manuscript
  • Provider: Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 83/428
Language
  • German

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