Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Ludwig Tieck to Johann Ludwig Tieck TEI-Logo

Liebster Vater
Ich habe einen Brief von Schmol erhalten und sehe daraus, daß er an Sie um die zwanzig Thaler geschrieben hat. Der Brief ist wahrscheinlich in einem sehr schlechten Ton geschrieben, den[n] er selbst nennt ihn niedrig und bereut, daß er ihn abgeschickt hat. Ich fürchte, daß Sie, meine liebe Mutter und Schwester vielleicht dadurch äußerst gekränkt sind, ich kenne Ihre Zärtlichkeit und Sie besorgen, da Ihre väterliche Liebe Ihnen alles vergrößert, daß der Kummer um Ihren Sohn jezt erst vielleicht recht seinen Anfang nehmen wird.–Sein Sie aber außer Sorgen, daß ich und Schmol in Halle etwas zu viel Geld ausgegeben haben, ist das gewöhnliche Schicksal aller jungen Leute. Ich werde gewiß noch wirthschaften lernen, wie ich so manches andere gelernt habe. Schmol hat überdies eben so viel, ja noch mehr unnöthige Ausgaben gemacht, als ich, ich bitte Sie also, daß Sie die Güte haben und ihm die 20 rl. schicken, ich erinnerte Sie schon in Berlin daran, weil ich einen Brief von ihm befürchtete. Was er auch alles in dem Briefe sagen mag, denn sehr freundschaftlich ist er wahrscheinlich nicht geschrieben, darüber sein Sie unbekümmert und schicken Sie ihm auf keinen Fall mehr als die bestimmten 20 rl.–Ich muß wirklich nach und nach anfangen, Schmoln für einen schlechten Menschen zu halten, es thut mir sehr leid. Sein Sie aber versichert, daß ich künftig nie mehr unbesonnen handeln werde, daß ich künftig gewiß sparsamer leben will.–In diesem halben Jahre brauche ich nun weiter gar kein Geld, Collegia und alles ist bezahlt, und auf Ostern habe ich auf jeden Fall Geld, denn ich werde von hier aus mehrere Sachen nach Berlin schicken, die mir etwas einbringen sollen.–Ich bitte Sie nochmals kränken Sie sich nicht, Schmol mag geschrieben haben, was er will, es ist gewiß übertrieben, ich weiß, daß Sie immer kränklich sind, wenn Sie meinetwegen kranck würden, ich könnte hier keine ruhige Stunde verleben, ich würde ganz gewiß auch kranck werden, ich könnte nicht studieren und nicht arbeiten, ich bitte Sie daher, erfüllen Sie meinen feurigsten Wunsch, daß ich Sie und meine liebe Mutter auf Ostern recht gesund wiedersehn möge. Machen Sie mich nicht zum unglücklichsten Menschen, daß der Kummer über Ihren Sohn ihre Gesundheit noch mehr untergräbt. Verzeihen Sie mir meine Unbesonnenheit und erhalten Sie sich ja gesund, daß ich in Ihrem Alter noch ihre Freude, und wenn das Schicksal mich recht glücklich machen will, Ihre Stütze sein kann. Glauben Sie daß ich ewig bleiben werde
Ihr zärtlichst ergebner Sohn.
Tieck.
Göttg am 12 Novbr. 1792.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 12. November 1792
  • Sender: Ludwig Tieck ·
  • Recipient: Johann Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Göttingen · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Letters of Ludwig Tieck. Hitherto Unpublished. 1792‒1853. Collected and edited by Edwin H. Zeydel, Percy Matenko, Robert Herndon Fife. New York; London 1937, S. 6.
Language
  • English
  • German

Zur Benutzung · Zitieren