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Ludwig Tieck to Sophie Bernhardi TEI-Logo

An den Herrn Tieck abzugeben in der Münzstraße in Berlin
Leipzig am 29sten Juni.
Ich bin 8 Tage in Giebichenstein gewesen, Malchen war auch da. Ich habe dort eine sehr vergnügte Zeit zugebracht, ich bin mit ihr hiehergereist und habe sie auf den Weg nach Dresden bis Hubertsburg begleitet, wo uns die Schwester entgegenkam. Sie läßt Dich von Herzen grüßen und Dir eine gute Gesundheit wünschen, eben so die Kapellmeisterinn. Ich bin sehr froh und gesund, so sehr, als ich es nie gewesen bin; ich bin zufrieden mit mir und der ganzen Welt. Es wird nun endlich, hoff ich, der Streit in mir aufhören, der mich mit so großer Gewalt oft zu tausend Dingen trieb, die meiner Natur eigentlich ganz fremd waren. Ich hoffe, Du und alle guten Menschen sollen immer mehr und mehr mit mir zufrieden werden.–Ich habe auf dieser kleinen Reise in tausend Rücksichten viel gelernt: wir sprechen wohl mündlich noch darüber, liebste Schwester, ich wünsche nur, daß ich Dich recht gesund wiederfinde; Deine Kränklichkeit ängstigt mich unaufhörlich, sonst würde ich noch weit vergnügter gewesen seyn.–Ich wünschte, Du könntest nach Giebichenstein reisen, Du würdest in der schönen Gegend und unter den trefflichen Menschen gewiß recht gesund werden, ich habe darüber viel mit der Reichard gesprochen, sie wünscht es sehr, Dich kennen zu lernen, und ich habe so halb und halb versprochen, Dich bei der ersten Gelegenheit hinzubringen.
Ich und Malchen haben uns nun erst recht verständlich gemacht und es ist mir noch alles immer wie ein Traum. Ich könnte einen ganzen Roman darüber schreiben, so wunderbar und doch so natürlich hat sich alles gefügt.–Ich wünsche, daß Dir dieser Brief nicht gar zu närrisch vorkommen möge: aber ich bin zufrieden und das ist Dir doch mehr als alles.–Ich reise von hier wieder nach Giebichenstein und lebe da noch einige Tage in dem schönen Garten, dann komme ich auf einige Zeit nach Berlin zurück.
Grüße Bing, Bernhardi, Wackenroder von Herzen, Du kannst Ihnen auch den ganzen Brief zeigen, denn ich mag vor Dir, und vor diesen lieben Menschen keine Geheimnisse haben. Ich lerne sie immer mehr schätzen und lieben, je mehr ich mich selber kennen lerne und gleichsam zu mir selber komme, diese und der alte Piesker sind meine wahren Freunde. Ich habe oft an sie gedacht.–Wenn einer so von den übrigen fragt, so kannst Du auch leicht sagen, daß ich ihn grüßen lasse.–Für Bernhardi setze ich hieher, daß wir beide dem Schlegel Unrecht gethan haben und das soll in Berlin der Inhalt unsres ersten Gespräches seyn.–Daß Du den Künstler grüßest und er den Brief lesen darf, versteht sich von selbst.–Ich habe hier die Margot von Nancy exzellent spielen sehen, sie hat sehr gefallen, Bernhardi kann es ihm melden.–Auch die alte Mutter läßt Dich von Herzen grüßen und Dir eine gute Gesundheit wünschen. (Wollte der Himmel, ich lernte nun endlich einmahl einen ordentlichen Brief schreiben!)
Bis jezt habe ich nur wenige Epochen in meinem Leben gehabt, aber mir ist, als wenn hier eine recht auffallende eintreten würde. Ihr werdet das ja wohl in Berlin am besten beurtheilen können. Ich freue mich recht darauf, Euch alle wieder zu sehn: wenn Du nur gesund bist. (NS. Schwester, Du hast ja einen Brief von Malchen bekommen; hebe ihn doch ja auf und verlihre auch diesen meinen gegenwärtigen Brief nicht.) –Lebe wohl.–Von meinen Geschäfften kann und mag ich nichts schreiben, ich habe noch nichts ein[m]ahl thun können, denn ich bin gestern erst von Hubertsburg zurück gekommen.–Ich bitte Dich taus[e]nd[m]ahl, liebste Schwester, bleibe ja gesund, ich sehe Dich bald wieder.
L. Tieck.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 29. Juni 1796
  • Sender: Ludwig Tieck ·
  • Recipient: Sophie Bernhardi ·
  • Place of Dispatch: Leipzig · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Letters of Ludwig Tieck. Hitherto Unpublished. 1792‒1853. Collected and edited by Edwin H. Zeydel, Percy Matenko, Robert Herndon Fife. New York; London 1937, S. 7‒9.
Language
  • English
  • German

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