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Ludwig Tieck to Friedrich Nicolai TEI-Logo

Hamburg den 5ten Julius 1797.
Verzeihen mir Ew. Wohlgebohrn, wenn ich so dreist bin, Ihnen mit diesem Briefe so zur Last zu fallen, allein die Umstände zwingen mich, zudringlich zu sein. Nach meiner Abreise hat Ihr Herr Sohn die Rechnung mit mir geschlossen und mir einen Abzug gemacht, den ich nicht vermuthete, indem er mir für die bei ihm herausgekommenen Volksmärchen und die Sieben Weiber &c. um 4 rl. pro Bogen anerbot. Ich schreibe diesen Brief nicht, um ihn bei Ihnen zu verklagen, sondern ich wünsche Sie nur als meinen gerechten und billigen Richter, dessen Urtheilsspruch ich mich nachher unbedingt unterwerfen werde, er kann es mir also nicht verargen, und Sie bitte ich um Ihre Nachsicht, wenn ich Ihnen den Fall vortrage. Es ist unter uns über das Honorar weder mündliche noch schriftliche Abrede gewesen, wenn ich mir's sage, daß Ihr H Sohn es mir mit dem Lovell, Abdallah und dem Sturm halten würde, da Sie überdies auch so gut sind, die Straußfedern unter diesen Bedingungen zu drucken und ich für den Lebrecht nur weniger nehme, weil jeder Theil nur wenige Bogen enthielt. Die Uebersetzungen aus dem Englischen sind nicht von mir, die Ihr H Sohn verlegte, sondern ich habe sie nur von guten Freunden besorgen lassen und er bezahlte für den Democraten 4 rl. Mich dünkt, da wir nie etwas darüber ausgemacht haben, so findet hier eine stillschweigende Bedingung statt, die mich hoffen ließ, auch 5 rl pro Bogen zu erhalten, denn sonst hätte mir Ihr Herr Sohn schon früher davon sagen müssen, so aber schäzt er die Manuskripte jezt ganz willkührlich und er hat keinen Grund, warum er mir nicht noch weniger bezahlt, ich aber erwarte nur den Preis, der unter uns gewöhnlich war und rechne sie nicht willkührlich höher. Ich will es nur beiläufig erwähnen, daß er den Blaubart und Kater auch besonders abgedruckt und verkauft hat, ohne daß ich weitere Rücksicht in Ansehung des Honorars darauf nehme, weil ich nicht weiß, ob ich ein Recht darauf habe. Jezt gefallen ihm die Volksmärchen nicht und er will mir deshalb weniger geben und doch habe ich sie ihm fast alle vorgelesen, wobei er mich versicherte, daß er von ihrem guten Abgange überzeugt sei; doch kann ich mich auf den Werth oder Unwerth hier nicht einlassen, denn es ist möglich, daß sie schuld sind, darauf aber kann, insofern man handelt, eben nicht Rüksicht genommen werden. Schwerlich kann Ihr H Sohn auch glauben, daß diese Märchen nur Umänderungen von schon vorhandenen seien und man sie also unter die Uebersetzungen einrechnen müsse, denn wenn man so genau die Erfindung, und was sie sei, untersuchen wollte, so dürfte man in schwierige Verwicklungen gerathen, was alt, oder was neu zu nennen sei.–
Ich überlasse mich nun völlig Ihrem Ausspruche, da ich durch diesen Abzug in große Verlegenheit gerathe; ich bin mit Geschäften so unbekannt, daß ich einen einsichtsvollen Mann zum Richter wünschte und darum habe ich Ihnen den ganzen Fall vorgetragen, den Sie ja als keine Anklage ansehn müssen, ich erwarte Ihren Ausspruch und bin mit der vollkommensten Hochachtung
Ew Wohlgebohr.
Ergebenster,
Ludwig Tieck.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 5. Juli 1797
  • Sender: Ludwig Tieck ·
  • Recipient: Friedrich Nicolai ·
  • Place of Dispatch: Hamburg · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Letters of Ludwig Tieck. Hitherto Unpublished. 1792‒1853. Collected and edited by Edwin H. Zeydel, Percy Matenko, Robert Herndon Fife. New York; London 1937, S. 22‒23.
Language
  • English
  • German

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