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Christian Friedrich Tieck to Ludwig Tieck TEI-Logo

Dresden den 24. Juny. 1797
Ich möchte wohl wissen wie Du verlangen kannst, das ich immer schreiben soll da Du bis jetz noch nicht ein Wort geantwortet hast. Es wäre doch wohl billig das Du mir auch einmal wissen lässest was Du und die Eltern machten. Schreibe mir doch mit nächstem Posttage und schikke mir meinen Winkelmann mit. Burgsdorf hatt den seinigen nicht hier, und wir brauchen ihn zuweilen, ich verlaße mich darauf. Ich will Dir auch dafür die Räuber schikken. Die kannst Du dann behalten bis Burgsdorf aus Italien zurükkommt. Ich habe etwas angefangen zu bossiren. Grüsse doch Schadow von mir und vergiß doch ja nicht zu Frisch zu gehen und Dir den Brief an Hakkert geben zu lassen. Bei Hirt, hoffe ich, wirst Du gewesen sein, oder bist Du schon verreist und hast alles unterlassen. Es wäre mir auch lieb zu wissen was Weissers machen, die sind jetz wahrscheinlich sehr glüklich, da Voß in Berlin ist. Hast Du ihn schon gesehen? Ist es nur nicht unartig mir nichts zu schreiben. Ich könnte Dir doch sagen das ich den Prolog zu Schillers Grafen Wallenstein gelesen habe und das scharmant ist, er ist in Versen, und ein Gespräch zwischen Soldaten, im Lager, er zeigt sehr auf den Gang des Schiksals hin und was so das das Stük selbst ist so glaube ich das es uns a[llen] viel Vergnügen machen wird. Der Prolog schließt mit einem Reuterliede, sehr romantisch. – Die Räuber haben mir erstaunlich viel Vergnügen gemacht. Sie sind unendlich größer und schöner als sie noch in meiner Erinnerung lebten. Die [unleserlich] schönen Lieder hatte ich ganz vergessen, und ich bin sogar dara[uf] gekommen den Plan Schakespearisch zu nennen, und es als ein vollkommen abgerundetes ganze anzusehn. Es ist nur der [unleserlich] Gang des Schiksals den wir sehn. Das zu übereilte Th[un] bestraft. – Der Tod des Räubers Moor ist bei weitem nicht so hart und wiedrig wie in den spätern, und wie [unleserlich] sind so manche Sachen. Im Garten giebt sich Carl der Amalia durch Fortsetzung ihres angefangenen Liedes zu erkennen. Wie riß uns der Monolog, worin er sich seiner Kinderjahre erinnert hin, wo er glaubt sein Vater lebt noch. Es war mir [unleserlich] es mich glüklich machen könte zu Weinen. – Schreib mir doch es ist nicht ganz guth, mich so gar mich selbst zu überlassen, jetz völlig wärest Du mir sehr nöthig. Alles Große und Erhabene macht m[ich] stets betrübt, weil mir der Gedanke immer so nahe liegt daß [ich] es nie erreichen würde. Wie sehr wünschte ich doch zu sehen, daß Du [unleserlich] mein Begleiter wärst um etwas um mich zu haben das mir näh[er] liegt. Burgsdorf vermindert meine Betrübniß nicht. Mir ist als würde ich von etwas gehalten, ich möchte gern etwas recht großes oder Kühnes machen. Aber auf der Reise, wo man sich nur so kurze Zeit aufhält, ist es nicht möglich. – Wenn ich Farbe hätte wollte ich mahlen. Es ist nur in unserm Wagen Platz so gewaltig eng das man gar nichts transportiren kann sonst hätte ich gewiß schon welche. Ich denke wir bleiben ohngefähr noch 3 Wochen hier. Sonst lebe ich hier sehr angenehm. Ich sehe Humbolts oft, und lache über alle Menschen. Gestern war Marianne Meier hier, sie war ein paar Tage bei der Gräfin Ministerin Königsbrük gewesen, und hatte dort den Pr. Reuß gesprochen. Sie war so bewegt und geheimnisvoll, daß man wirklich leicht auf die Vermuthung kommen konnte, das sie entweder in Königsbrük förmlich vermählt, oder Reuß bloß der Vermählung wegen nach Wien reist. Ich wünschte es ihr von Herzen, ich sehe sie wenigstens gern. – Ist es nicht entsetzlich dumm, oder gemein, das Madame Neumann sagen kann, wenn diese Person kömmt so suche ich nur sogleich meine Tochter Dora zu entfernen, denn eine solche Person ein mahl im Hause wäre übler als 30 Romane. Sie soll auch sogar von Kreatur gesprochen haben. – Und diese Menschen sollen mir nicht fatal sein, dieser Affe von Balg, den sie mit ihrer verrükten erziehung weit mehr verdorben, wenn an der Affenseele was zu verderben war, als wie alle Romane der Welt sie verderben können.
Sonst lebe ich recht vergnügt wenn es nur bessres Wetter wäre; heut ist Johannistag, da ist hier Festtag und geh ich in die Kirche. Die Katholische Kirche liebt hier gewiß Niemand so wie ich, ich versäume keine Musik. Wie sehr freue ich mich auf die Italienischen Musiquen und Kirchen. – Hatt Wakenroder noch nichts weiter geschrieben? Reichardt soltest Du billig ausschelten, das er wie ein armes Kind jedem Menschen sagt, das Wackenroder diesen schreibt. Alex[ander] Humboldt hatt er den Aufsatz über Nur[nberg] u[nd] Al[brecht] Dür[er] in Deutschland gezeigt und ihm gleich gesagt von wem er wäre, das finde ich doch wenigstens Curios. Er ist überhaupt sehr freundschaftlich gegen Humboldts.
Die Schwester soll doch ja nicht vergessen, die verlangten Löffel zu schikken, so bald als möglich, und vergiß nicht den Winkelmann. Lebe recht wohl, Grüße alle vielmahl auch Schadow, sage ihm ich copirte hier die eine Figur von der Gruppe, Castor und Pollux, die nehmlich die sich auf die [andere] auflehnt. Frag ihn was er dazu meint, lebe recht wohl. Ich [muß] doch wohl endlich aufhören, Mühe wirst Du schon genug haben alles zu lesen. Adieu, grüße auch ja Weissers, sie würden sonst doch böse. [unleserlich] ist Nahl schon angekommen und was macht er? Adieu. Fr: Tiek.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 24. Juni 1797
  • Sender: Christian Friedrich Tieck ·
  • Recipient: Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Maaz, Bernhard: Christian Friedrich Tieck. 1776–1851. Leben und Werk. Unter besonderer Berücksichtigung seines Bildnisschaffens. Mit einem Werkverzeichnis. Berlin 1995 (= Bildhauer des 19. Jahrhunderts), S. 189–190.

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