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Karl von Hardenberg to Ludwig Tieck TEI-Logo

Dresden, den 2ten Januar 1801.
Ihnen, lieber Tiek, muß ich auch, wenn auch nur wenige Zeilen, schreiben. Ein jeder Freund, und nun besonders so ein seltener wie Sie, l. Tiek, ist mir jetzt doppelt willkommen, da Alles schwankend um mich wird, und auch das Liebste mir zu entfliehen scheint. Friz wird Ihnen schon das meiste geschrieben haben; leider geht es mit seiner Gesundheit noch nicht besser; – Ich bin froh, Sie, lieber Tiek, noch kennen gelernt zu haben; Ich komme mir mit jedem Schritt mehr isolirt vor, und ich freue mich unendlich, in Ihnen, nicht allein einen solchen Freund meines guten Friz, sondern auch so tausend Aehnlichkeiten von ihm zu wissen. – Ich lebe jetzt in den traurigsten Erwartungen, und nur die gewisse Ueberzeugung, daß unser jetziges Leben nur eine flüchtige Reise ist, und ein inniges Vertrauen auf Religion, die meine tröstende Freundin bleibt, erhalten mich in leisen Hoffnungen. – Der Kunst und Poesie werde ich ewig treu seyn; ich bin es Friz und Ihnen schuldig, daß ich von dieser Stufe herab auf das gewöhnliche Leben blikke. – Wären jezt nicht die trüben Zeiten, so hätte ich Ihnen vielleicht ein paar Gedichte von mir geschickt; vielleicht geschieht es noch. –
Wie sehr mich Ihre Genoveva erquickt und begeistert hat, kann ich Ihnen nur mündlich sagen. – Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie vielleicht bald wieder an Friz, oder mich schrieben; den erstern, der durch seine Krankheit jezt in Allem gehemmt ist, macht ein Brief von Ihnen unendliche Freude. – Zu Ostern sehen wir uns doch wohl? Gott weiß, wie es dann steht? Ich verlange nicht in die Zukunft zu schauen, in stiller Ergebenheit will ich tragen. – Bleiben Sie nur der Freund Ihres Sie aufrichtig
liebenden
Carl Hardenberg.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 2. Januar 1801
  • Sender: Karl von Hardenberg ·
  • Recipient: Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
  • Notations:
Printed Text
  • Bibliography: Briefe an Ludwig Tieck. Ausgewählt und hrsg. von Karl von Holtei. Band 1. Breslau 1864, S. 312–313.

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