Meiningen, d. 31ten August 1802.
Mit wahrer Freude ergreife ich die Feder, Ihnen, lieber theurer Freund, zu schreiben, und Ihnen auch aus der Ferne mein Andenken, meine warme Anhänglichkeit zu zeigen und zuzurufen. – Immer verschob ich den Brief, da ich erst das Mnscpt. erwartete, das nun in Abschrift beyliegt; – Es war bey Julien, und diese bittet mich, das Mnscpt. selbst nicht aus den Händen zu geben, ich habe es Ihnen also abschreiben lassen, doch ohne seine eigenhändigen Annotationen a. m. zu vergessen, und freue mich um so mehr, es Ihnen jezt senden zu können, da es zum 2ten Th. seiner Schr. durchaus unentbehrlich ist. – Es hat mich unbeschreiblich ergözt, da ich es jezt wieder mehrmalen durchgelesen, und diese wenigen Bogen bleiben eine Vorhalle voll unendlichen Reichthums; ich begreife jezt wohl, daß Er hat sterben müssen; Wir sind noch nicht reif zu den ungeheuern Offenbarungen, die durch ihn, zu uns gekommen wären. – Ich lebe jezt sehr glüklich, und im eigentlichsten Sinne des Worts, der Liebe im Schooß! – Sehr froh würde es mich freilich machen, Sie, lieber Tiek, und andere Freunde in der Nähe zu haben; aber darauf leiste ich auch noch nicht Verzicht, daß es wenigstens künftig geschieht. Seit ich verheirathet bin, werde ich täglich ruhiger und nüchterner, ohne jedoch an Fantasie zu verlieren, oder gleichsam erdigerer Natur zu werden; – Ich kann es mit Worten gar nicht sagen, wie mir so alles anders, so vieles klar und hell erscheint, was vorher nur in trüben Nebel gehüllt war; Es ist, als hätten sich die Erfahrungen des reifen Alters mit dem Gefühl ewiger Jugend und glücklicher Kindheit verbunden; – Ja oft fühle ich mich so unbeschreiblich und seltsam, daß ich meyne, ich sey nahe am Ziel des Lebens! Aber was ist denn auch Nah und Ferne? Die Zeit ist nur das traumerregende Prinzip! Wir träumten nicht, wenn wir keine Zeit hätten. Ich freue mich sehr, Sie, lieber Tiek, bald zu sehen, und sollte denn dies auf der Michaelis-Messe nicht möglich seyn? Dann bin ich wieder in Weissenfels und bleibe den ganzen Winter daselbst; – Sie haben gewiß herrliche Dinge in der Zeit gearbeitet, und die Aussicht zu diesem Genuß macht mich sehr lüstern. – Auch ich habe einiges in der Arbeit, und wie lieb würde mir es seyn, Ihnen so manches zeigen zu können, und wieviel habe ich mit Ihnen zu sprechen. – Hier bin ich von mündlicher geistvoller Gesellschaft gänzlich abgeschnitten, und Heil mir! daß mein Glück und Leben jezt nur in mir und meiner Line ruht; die andern Menschen könnten einen toll für Lachen oder Mitleiden machen; sie sind in mancher Hinsicht viel dümmer als ich ahnden konnte; Jean Paul, der hier lebt, wird täglich armseeliger und natürlich auch übermüthiger; Es ist ganz spaßhaft, wie er oft unbewußt einige Rollen im gestiefelten Kater und Zerbino übernimt. – Fr. Schlegel hat mir viel Freude mit einem Brief aus Paris am 31ten July gemacht; Er grüßt Sie und alle Freunde tausendmal, und sehnt sich in dem unpoetischen Clima sehr nach erfrischender Kost aus Deutschland; Er trägt mir auf Sie zu bitten, den 2ten Theil von N. Schr. bald herauszugeben; Verheyrathet ist er; so scheint es wenigstens nach seinem Briefe. – Beyliegend erhalten Sie ein Gedicht von Fr. Schl., was er mir zugeschickt hat; theilen Sie es doch den andern Freunden auch mit; ich schikte es Ritter im Original zu. – Vor seiner Abreise bewog er mich noch mehre Gedichte in Vermehren’s Almanach zu geben; das an Sie und Schlegels ist dabey. – Schreiben Sie an Steffens, so grüßen Sie ihn herzlich von mir; ich habe ihn in Leipzig und Weissenfels sehr verändert gefunden und sehr liebgewonnen. Ist es wahr, daß er eine Ihrer Nichten aus Gibichstein heyrathet? Dann kömmt er ja wohl bald wieder nach Deutschland? – Leben Sie wohl, theurer lieber Freund; Meine Frau grüßt Sie und die Ihrige herzlich, und ich bin auf ewig
Ihr
Carl Hardenberg.
P. S.
Ende des künftigen Monats reise ich nach Weissenfels zurück.
Mit wahrer Freude ergreife ich die Feder, Ihnen, lieber theurer Freund, zu schreiben, und Ihnen auch aus der Ferne mein Andenken, meine warme Anhänglichkeit zu zeigen und zuzurufen. – Immer verschob ich den Brief, da ich erst das Mnscpt. erwartete, das nun in Abschrift beyliegt; – Es war bey Julien, und diese bittet mich, das Mnscpt. selbst nicht aus den Händen zu geben, ich habe es Ihnen also abschreiben lassen, doch ohne seine eigenhändigen Annotationen a. m. zu vergessen, und freue mich um so mehr, es Ihnen jezt senden zu können, da es zum 2ten Th. seiner Schr. durchaus unentbehrlich ist. – Es hat mich unbeschreiblich ergözt, da ich es jezt wieder mehrmalen durchgelesen, und diese wenigen Bogen bleiben eine Vorhalle voll unendlichen Reichthums; ich begreife jezt wohl, daß Er hat sterben müssen; Wir sind noch nicht reif zu den ungeheuern Offenbarungen, die durch ihn, zu uns gekommen wären. – Ich lebe jezt sehr glüklich, und im eigentlichsten Sinne des Worts, der Liebe im Schooß! – Sehr froh würde es mich freilich machen, Sie, lieber Tiek, und andere Freunde in der Nähe zu haben; aber darauf leiste ich auch noch nicht Verzicht, daß es wenigstens künftig geschieht. Seit ich verheirathet bin, werde ich täglich ruhiger und nüchterner, ohne jedoch an Fantasie zu verlieren, oder gleichsam erdigerer Natur zu werden; – Ich kann es mit Worten gar nicht sagen, wie mir so alles anders, so vieles klar und hell erscheint, was vorher nur in trüben Nebel gehüllt war; Es ist, als hätten sich die Erfahrungen des reifen Alters mit dem Gefühl ewiger Jugend und glücklicher Kindheit verbunden; – Ja oft fühle ich mich so unbeschreiblich und seltsam, daß ich meyne, ich sey nahe am Ziel des Lebens! Aber was ist denn auch Nah und Ferne? Die Zeit ist nur das traumerregende Prinzip! Wir träumten nicht, wenn wir keine Zeit hätten. Ich freue mich sehr, Sie, lieber Tiek, bald zu sehen, und sollte denn dies auf der Michaelis-Messe nicht möglich seyn? Dann bin ich wieder in Weissenfels und bleibe den ganzen Winter daselbst; – Sie haben gewiß herrliche Dinge in der Zeit gearbeitet, und die Aussicht zu diesem Genuß macht mich sehr lüstern. – Auch ich habe einiges in der Arbeit, und wie lieb würde mir es seyn, Ihnen so manches zeigen zu können, und wieviel habe ich mit Ihnen zu sprechen. – Hier bin ich von mündlicher geistvoller Gesellschaft gänzlich abgeschnitten, und Heil mir! daß mein Glück und Leben jezt nur in mir und meiner Line ruht; die andern Menschen könnten einen toll für Lachen oder Mitleiden machen; sie sind in mancher Hinsicht viel dümmer als ich ahnden konnte; Jean Paul, der hier lebt, wird täglich armseeliger und natürlich auch übermüthiger; Es ist ganz spaßhaft, wie er oft unbewußt einige Rollen im gestiefelten Kater und Zerbino übernimt. – Fr. Schlegel hat mir viel Freude mit einem Brief aus Paris am 31ten July gemacht; Er grüßt Sie und alle Freunde tausendmal, und sehnt sich in dem unpoetischen Clima sehr nach erfrischender Kost aus Deutschland; Er trägt mir auf Sie zu bitten, den 2ten Theil von N. Schr. bald herauszugeben; Verheyrathet ist er; so scheint es wenigstens nach seinem Briefe. – Beyliegend erhalten Sie ein Gedicht von Fr. Schl., was er mir zugeschickt hat; theilen Sie es doch den andern Freunden auch mit; ich schikte es Ritter im Original zu. – Vor seiner Abreise bewog er mich noch mehre Gedichte in Vermehren’s Almanach zu geben; das an Sie und Schlegels ist dabey. – Schreiben Sie an Steffens, so grüßen Sie ihn herzlich von mir; ich habe ihn in Leipzig und Weissenfels sehr verändert gefunden und sehr liebgewonnen. Ist es wahr, daß er eine Ihrer Nichten aus Gibichstein heyrathet? Dann kömmt er ja wohl bald wieder nach Deutschland? – Leben Sie wohl, theurer lieber Freund; Meine Frau grüßt Sie und die Ihrige herzlich, und ich bin auf ewig
Ihr
Carl Hardenberg.
P. S.
Ende des künftigen Monats reise ich nach Weissenfels zurück.