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Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

[1] Berlin. Den 19ten September 97.
Ich muß endlich und unbedingt antworten wollen und thun zugleich. Sonst geschiehts nie. Meine Bekanntschaften vermehren sich so sehr wie meine Arbeiten. –
Du beschämst mich sehr durch Deine reichhaltigen Briefe. Ich werde sie auch zu erwiedern mich bestreben. Nur heute mußt Du noch Geduld haben, und mit einem Stückwerk vorlieb nehmen; auch mich bey Carolinen und Augusten entschuldigen, denen ich wahrscheinlich nicht Zeit haben werde, noch zu schreiben, da der Brief in einer Stunde auf die Post muß.
Das M[anu]scr[i]pt vom Shak.[espear] kam eben zu rechter Zeit. Auch die nachgeschickte Verbesserung habe ich richtig erhalten. – Eine große Freude hat mir die Vollkommenheit des prosaischen Theils gemacht, welche nun wohl auch die strengste Foderung befriedigen muß, und nicht die geringste Spur von Zwang und Uebersetzung mehr an sich hat. – U.[nger] meynte, wenn ein Band viel stärker würde, so ließe sich der Preis wohl erhöhen. Indessen sind Deine andre Gründe gegen den Hamlet sehr triftig. –
Hoffentlich hast Du den Rest von Was ihr wollt schon abgeschickt. Sonst thu es ja mit der nächsten Post. –
Daß der Grundriß nicht zu Mich.[aelis] erscheinen <sollte>, war gleich U[ngers] Einrichtung, der seine Druckerey sehr besetzt hatte. Ich bin aber sonst in jeder Rücksicht unendlich fleißig gewesen, und bin es noch. Der Lessing ist zu lang geworden um ganz ins IIe Stück zu gehn. Ich habe daher mit 3 Bogen und 5 Seiten abgebrochen, und für noch 2 bis 2½ Bogen etwas Andres gegeben, da es an M[anu]scr[i]pt fehlte.
Für die Nachricht vom Allmanach danke ich sehr. Hermann sagte mir Vieweg gestern würde in 8 Tagen etwa fertig seyn. Dann schicke ichs gewiß gleich. –
Das Liebste in allen Euren Briefen war mir beynah, daß Ihr Hardenb.[erg] so liebgewonnen habt. Vielleicht schicke ich Euch das nächstemahl seinen Brief über <Euch>. [2] Ich habe einige schwere Diners und Soupers bey dem alten Californier, Nikolai zu überstehn gehabt. Es ist poßierlich, daß der Mann so vornehm eingerichtet ist, da er selbst doch so furchtbar gemein ist, war und seyn wird. – Drollig ists, wie er immer <alles> heraussagt, was ich längst unter die Grundsätze und Kennzeichen der Plattheitslehre aufgenommen. Sehr amüsant ist mir seine Bewundrung Voßens. Er behauptet, Hermann sey eine platte Nachahmung der Louise. – Ueberall gilt Voß hier im Ganzen recht viel. Heindorf, ein junger Philolog auf den mich Wolf aufmerksam gemacht, ein recht kritischer Geist, den ich sehr liebe, glaubt auch im Ganzen noch etwas an ihn. Doch hat er viel eignes Urtheil. Er meynte neulich, von Seiten der grammatischen Richtigkeit könnte sich vielleicht noch der furchtbarste Gegner des Voßischen Homer erheben. –
Die Vieweg sagte mir gestern, daß sie wünsche, Ihr möchtet recht früh kommen. Im May glaube ich geht sie nach Braunschw[eig]. – Uebrigens hatte sie gegen mich nie etwas gesagt, was auf die Einladung Bezug hätte. Er ist ein Windbeutel, dessen Einladungen man wohl nicht so buchstäblich nehmen muß. –
U[nger]s nähmen Euch gewiß mit tausend Freuden. Nur ist die obere Etage vermiethet, und ich zweifle am Platz.
Ich riethe Euch bey Niemand zu wohnen, sondern eine Chambre garnie zu nehmen. Vor 10 bis 12½ Thaler monatlich bekommt Ihr gewiß eine hinlänglich gute.
[3] Das Einzige, was hier merkwürdig ist <außer dem Theater> sind die Gesellschaften. Nun genirts aber immer, wenn man bey jemand wohnt, daß man sich nach dem gesellschaftlichen Kreis desselben einigermaaßen fügen muß.
Ueber den Prometheus <und die zu hoffende Romanze> schreibe ich, was ich weiß, lieber das nächstemahl, als heute so in der Eile.
Bitte doch Augusten, mir das nächstemahl, das geschrieben oder was geschickt wird, ein Verzeichniß meiner Bücher zu schicken. Ich will dann schreiben, was ich davon zu haben wünsche. Dieß seyd Ihr so gut, an U.[nger] nach Leipzig zu besorgen. –
Bitte doch Hufeland, mir recht bald Kants kleine Schriften zu schikken, die ich zu recensiren habe. – Was hier ist, wird nächstens besorgt zurückkommen. –
Du hast da so Gedichte gemacht, und schreibst gar nicht einmahl was. Das ist entsetzlich. – Ueber Deine poetischen Pläne freue ich mich unbändig. –
Deine Recens.[ion] des Neubeck hat hier große Sensazion gemacht, wie natürlich die von I.[ffland] über die jedoch das Urtheil für und wieder von Partheylichkeit nicht frey ist. – Vieweg sagte mir, daß auch mit Eins 3 Exempl.[are] von Neubeck wären verschrieben worden. Biester rühmte sie sonst sehr, meynte aber Du hättest sein Metrum [4] zu sehr gepriesen. Es misfalle der verdoppelte überschlagende Amphibrach, den Voß so verabscheute. – Ich bitte Dich bemeistre Dich doch des Hexameter dermaaßen, und setze Dich in Autorität, daß Du diesen Philistern den Mund stopfest.
Carolinen habe ich so viel zu schreiben, daß es heute nicht geht. Ich bitte sie aber recht sehr, mich nicht zu verlassen, mir recht oft, recht viel und recht ernsthaft zu schreiben. –
Die Musik zum Sommernachtstr.[aum] ist nicht abgesetzt. Das II. Lyc.[eum] wird nicht vor der Messe fertig werden. –
Augustens Fleiß macht mir große Freude. Wenn sie nur dabey ausdauert. Da ich zuletzt einen Brief von Dir bekam, hoffte ich ganz gewiß auch von ihr einen ordentlichen Brief zu finden.
Ich lege den Brief von Hardenb.[erg] bey, um doch etwas zu schikken, was der Mühe werth ist. –
Das nächstemahl schreibe ich gewiß weitläufig an alle. –
Für prophetische Gedichte, wie Prom.[etheus] ziehe ich aber die Terzine dem Hex.[ameter] weit vor. Sie hat nicht nur mehr Pracht, Romantisches, sondern auch mehr biblischen Geist, und Geist der scholastischen Philosophie.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 19. September 1797
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 16‒18.
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.90
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,9 x 11,7 cm
Language
  • German

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