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Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

Jena d. 10ten Jul. [18]01.
Wegen des Thees, den ich schicke, antworte ich gleich heute auf Deinen endlich einmal raisonnabeln Brief. ‒ Wegen des Druckes vom Almanach kannst Du ja nun außer Sorgen seyn. Auch brauchst Du die Beyträge nicht heftig einzutreiben, da schwerlich unter 14 Tage angefangen wird, freylich dann gehts schnell. Schelling giebt, was er kann, was nicht zu speziell ist; er will in diesen Tagen nachsehn, ob es sich besser in eine Masse ordnet oder zerstreut. Ich glaube das erste. ‒ Folge darin Tiek, daß Du Friedrichs muthwillige Sachen herauslässest; sie haben doch immer außer der billigen Rücksicht eine herbe Natur an sich. Ferner ersuche ich Dich, was unter seinen Gedichten etwa unsre Auguste bezeichnen könnte, wenn es nicht möglich ist es ganz wegzulassen, wenigstens nicht unter die Deinigen aufzunehmen, die Du doch wahrscheinlich zusammenstelst. Das Eine, was Du mir einmal mittheiltest, machte, weil es an die Veit gerichtet war, die nehmliche Wirkung auf mich wie der Besuch in Franken. Ich darf jetzt aufrichtig seyn, ohne fürchten zu müssen, daß es Dich beleidigt. ‒
Von Tiek möchte ich sagen, er sey gleichsam unmuthig in Deiner Seele. Aber er sollte zugleich muthig seyn. Ich habe nie ein Unrecht in Deinem Handel mit Unger erblickt, deswegen können wir alle doch wünschen, daß Du lieber ein Unrecht verschmerzt oder noch leichter genommen hättest um diesen dummen Erfolg zu verhüten, wie Du es wahrscheinlich selbst wünschest, aber nicht so tief wie ein Nadelritz geht ein solches Gefühl, hingegen Tieks Äußerungen sind Nadelritze. Zweckten sie auf irgend etwas ab, sollten sie Dich zu einem Schritt, der in Deiner Gewalt stände, bewegen, so wäre es gut ‒ aber er hat keinen Vorschlag zu machen. Es wäre überhaupt schlimm, wenn sich ein ordentlicher Mensch nicht Einmal in Verlegenheit setzen und etwa eine unrichtige Maasregel ergreifen dürfte; ist man selbst tüchtig und ist von tüchtigen Dingen die Rede, so gleicht sich das doch bald aus. Tiek hat darinn recht, daß die Sache alleweil so und nicht besser steht, wird denn das aber in künftiger Ostermesse gewiß noch derselbe Fall seyn? Die Herren besinnen sich denn doch, und Du mußt Dich allerdings nicht auf geringere Bedingungen einlassen. Ist das so ausgemacht, daß ein Nachfolger den Ungerischen Theil des Shakespear an sich kaufen müste? Mir ist eingefallen, ob es nicht der grösten Billigkeit gemäß wäre, daß Du, oder der Nachfolger, das bereits gedruckte als rechtmäßige Ausgabe wieder mit druckte und so das Werk vollständig erschiene. Nachlassen must Du nicht daran zu arbeiten, sobald Du Dich von eignen Dingen abmüssigst, denn wenn Du nur Leben und Gesundheit behältst, so trittst Du dann plözlich damit hervor, und hast den Gewinn im Ganzen. Du solst mich noch besser dazu anlernen, da ich jetzt so gelehrig bin, um das Stück Arbeit beständig unter der Hand zu fördern. Um die Einmischung der Pfuscher indessen zu verhindern kündigtest Du den Vorsaz an den Shakespear demnächst im Ganzen zu liefern, da Du, wenn der Proceß verloren wird und zwischen Unger und Dir auch sonst keine Annäherung statt findet, ja doch etwas öffentlich bekannt machen mußt.
Ich habe Dir schon einmal gesagt, daß ich mehrmals auf dem Punkt gewesen bin durch meine eigne Hand einen Gränzen durchbrechenden Brief entweder an Unger oder die U. ergehn zu lassen ‒ ich bin zu furchtsam dazu gewesen, da Du mir kein Zeichen des Beyfalls darüber zuwinktest. War ich mit Dir in Berlin, so erlaube mir zu wähnen, das Ganze hätte sich vielleicht nicht so zugetragen, oder ich konnte nachher mit Anstand ein besänftigendes Wort dazwischen stellen. Auf dem jetzigen Punkt bin ich immer zu besorgt, man möchte Dich für sehr dekontenanzirt halten, wenn ich einer plözlichen Eingebung gefolgt wäre. Cotta bleibt Dir gewiß immer als Vermittler. Er wird Tiek dasselbe gesagt haben, was er Schelling sagte, aber in der That hat sich T. mehr davon überreden lassen, ZB. was den Absaz betrifft, den man noch dazu hier gar nicht nach dem ersten Zugreifen berechnen kann. Der lezte Eifer wird gewiß grösser seyn als der erste. So viel über den Shakesp. Wenn Du Dein eignes Stück aufführen siehst, so wirst Du Dir wohl gar nichts mehr aus dem Sh. Übersetzen machen. Du kannst auch immer das Einrichten einzelner Stücke desselben praktiziren. ‒ Freund, sind es denn Trimeter?
Daß nun der Fortunat bey Tiek so wenig Fortüne gemacht, das ist ein capriccio ‒ Darum hättest Du ihn nicht schimpfen müssen. Überhaupt begegne ihm doch nicht unsanft. Tiek weiß, daß Du zuweilen hinter der allerdings sündlichen Nachlässigkeit Deiner Freunde her ein Treiben wie das Treiben Jehu verführst, Das macht ihn rebellisch. Ein wenig habe ich ihn auch in Verdacht, daß er selbst noch einige Schauerstücke wie vom alten Wulfen zu verfassen gedenket, und um für sich alles aufzusparen, was der Leser von Haarsträuben im Vorrath hat, die andren abschrecken möchte. Wie viel Gespensterhistorien habt ihr denn? Den schlanken Fortunat kann man doch dahin nicht eigentlich rechnen, er macht ja so grauliche Ansprüche nicht. Was er Bürger darin nennt, ist wohl, was wir hier die alte nordische Idee von Untreue genannt haben. ‒ Übrigens was den wahren Schauer erregt, da gilt nur der Pfarrer. Nach der Geschichte können sich zehn Teufel aufs Grab setzen und locken keinen Christenmenschen ein Kreuz ab. ‒ Dein Jahrhundert kommt doch in den Almanach? Tiek denkt auch, man kann etwas göttlich Komisches Tag für Tag machen! Wir wissens wohl, daß dieses Dein eigenthümlichster Triumpf ist, aber eben darum will es auch eine volle Inspiration. Schelling redet fast eben wie Tiek, er möchte wohl, daß Du alle Monat dergl. machtest, damit er so göttlich viel Spaß zu genießen hätte. Er sagte auch noch lezthin, er wär überzeugt, Schillers ganze poetische Laufbahn habe Goethen nie einen so ächten Beyfall oder vielmehr Mitfreude abgelockt als die einzige Reise im Kotzebue. Vertrag Dich ja wieder mit Tiek, hörst Du. Kotzebue ist noch nicht in hiesiger Gegend, es heißt, seine Kinder haben in Riga die Masern bekommen. Bey Schützens ist schon ein großes Souper zugerichtet gewesen und die Stadtmusikanten bestellt.
Herr Jesus! Kosegartens Reime sind ja nun vergriffen und er wäscht sie auf Neu, will alles sentimentalische drin wegstreichen und pur naiv seyn, zu dem Ende hat er alle Kritiken benutzt, die er gelesen, und auch alle, die er sich ungefähr hat einbilden können, das ist der Inhalt einer Anzeige in der Hamb. Zeitung. Àpropos Anzeige. Wer hieß Dich auch, mein Lieber, irgend etwas im Kronos abdrucken? Weißt Du nicht, daß der seine eignen Kinder frißt? Merkel hat einmal gute prise über Dich gehabt. Überhaupt waren wir mit der Existenz der ganzen Erklärung nicht zufrieden. Denn wozu? Die Grandezza jener herrlichen Satyre wurde ohne sie besser behauptet. Ich weiß nicht, wen Tiek meynt, wenn er sagt, Du solst Dir von manchen Leuten in Berlin nichts einreden lassen, allein ich möchte sagen, Dieses haben Dir solche eingeredet. Ich habe es gleich in das Capitel der Verstoße geworfen, die sich ein ordentlicher Mensch muß erlauben ‒ dürfen ‒ können. Denk nur, wenn sich Goethe und Schiller gegen die sanglanten Beschuldigungen Pasquille gemacht zu haben hätten verantworten, oder den Leuten die Freude ihres vollausgeschriebnen Nahmens hätten machen wollen.
Gries hat sich zum Correcktor des Almanachs angeboten zur Vergeltung dessen, was Du am Tasso gethan. Du kommst aber indessen wohl selbst, denn so viel ich mir zusammenbuchstabiren kann, darf ich Dich im Anfang des August erwarten. Aber das denke nur nicht, daß ich nachher Parthie nach Berlin mit machte, das scheinet mir unzweckmäßig. Will Schelling sich mit Gewalt philosophisch unterreden, so muß er allein hingehn. Du weißt nicht, wie stark das Licht ist, was Du uns mit wenigen Worten über Fichte gegeben, (das aber nicht misbraucht werden soll). Er ist also wirklich ganz ungläubig? Wozu hat er denn den Brief an Schelling geschrieben, den ich Dir, glaub ich, zeigte. Um ihn, zu Vermeidung des Ärgernisses, hinzuhalten? ‒ Bring doch im Ernst Schleyermacher mit; ich will ihm schon ein Pläzchen im Hause bereiten und mich mit ihm philosophisch unterhalten, nur nicht religieus. Schelling sagt, dies sey der erste Geistliche, der ihm je vorkommen, aber ich kann gar keinen Geistlichen brauchen.
Hege die Hoffnung nicht, daß Friedrich genesen könnte. Es geschieht nicht, weil es nicht nach und nach geschehn kann. Dürfte er sich den leisen Eingebungen überlassen und dem dunkeln Ekel an solcher Gemeinschaft ‒ heute nicht hingehn, wenn ihn das Herz nicht triebe, und morgen so weiter, so wäre er gewiß bald los und ledig, allein hier findet keine Freyheit mehr statt, dies ist eine der hartnäckigsten Ehen, und der unvertreiblichsten Krankheiten, weil die Gesundheit selber sie nicht aufhebt. ‒ Ich habe Deine Einlage hingeschickt, sie wohnen in dem neuen Hause jetzt, einige Schritte vom vorigen; Rose begegnete dem Polypen oder Philipp und wolte sich von ihm zurechtweisen lassen, der ungezogne Bengel führt sie in ein paar unrechte Häuser und zulezt öffnet er im rechten ganz weit die Abtrittsthür und sagt: hier wohnt meine Mutter. Hr. Friedrich war über Land geritten ‒ Eduard Alton frühstückte mit Lucinden. Friedrich soll sehr stattlich reiten, sagt Schelling.
Röschlaub hat an Schelling geschrieben; er hat keinen Ruf nach Frankfurt, aber wenn die Bedingungen, die er sich in Landshut gemacht hat, nicht alle genehmigt werden, so will er in Frankfurt, München oder er weiß selbst noch nicht wo privatisiren, denn Bamberg will er auf jeden Fall Michaelis verlassen, weil gar nichts für sein noch andre Institute vom Fürsten zu erwarten ist. Er war in München und Landshut, das er sehr freundlich beschreibt. Wir hoffen sehr, er wird Cousine zurück lassen.
Lebe wohl für heute, ich muß spazieren gehn.
Mit dem Thee ist es so: ich mische gewöhnlich 2 [Unze] Thee jedes zu 3 fl. rheinisch mit einem [Unze] zu 5 fl., macht 11 fl., also 3 [Unze] für 1 Carolin auf der Stelle. Nun kommt noch Porto und für Berlin Accise hinzu. Wollt ihr, so will ich welchen bestellen und unmittelbar nach Berlin adressiren lassen. Jetzt habe ich selbst keinen andern vorräthig als von der zu schlechten Sorte zu 3 fl., wovon ich Dir ½ [Unze] schicke, denn er ist wenigstens rein von Geschmack und, gut gemacht, sehr trinkbar.
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Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 10. Juli 1801
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 188‒194 u. S. 621‒623 (Kommentar).
Language
  • German

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